Ein Mann im Rollstuhl an seinem Arbeitsplatz an der Rezeption eines Campingplatzes

Inklusion

Inklusion in der Arbeitswelt

Inklusion in Unternehmen lässt sich nicht verordnen. Die Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, machen jedoch meist gute Erfahrungen: das Betriebsklima verbessert sich, der Erfahrungs- und Wissensschatz im Unternehmen wächst.

Von Beate Krol

Wie sieht Inklusion in der Arbeitswelt aus?

Fahrstühle, behindertengerechte Toiletten und breite Türen – das stellen sich die meisten unter Inklusion in der Arbeitswelt vor. Tatsächlich geht sie weit darüber hinaus.

Ein Beispiel: Eine junge spastisch gelähmte Frau möchte Mediengestalter werden. In einer nicht-inklusiven Gesellschaft bleibt das ein Traum. Egal wie begabt sie ist, sie landet in einer barrierefreien Behindertenwerkstatt.

In einer inklusiven Gesellschaft hat sie ein Anrecht auf einen persönlichen Assistenten, der nach ihren Anweisungen den Computer bedient und ihr auch beim Toilettengang hilft. Dieser Assistent wird vom Staat bezahlt, genauso wie das Herrichten eines geeigneten Arbeitsplatzes bei ihrem Arbeitgeber.

Oder ein Informatiker mit Asperger-Syndrom. Eigentlich sieht die Firma Teamarbeit vor. Weil das jedoch für ihn Stress bedeutet, organisiert die Firma die Arbeit so, dass er allein arbeiten kann.

Es kann sogar sein, dass man neue Berufsbilder schafft, wie es der Inhaber einer Autowerkstatt in der Nähe von Karlsruhe gemacht hat. Weil klar war, dass er den theoretischen Teil der Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker nicht schaffen würde, arbeitet dort ein ehemaliger lernbehinderter Praktikant als fest angestellter Öl- und Reifenwechsler.

Die Hürden

Wie so oft sitzen die größten Barrieren in den Köpfen. Viele Menschen glauben, dass behinderte Arbeitnehmer weniger belastbar und leistungsfähig seien. Dazu kommt die Unsicherheit im Umgang:

Was macht man, wenn ein spastisch gelähmter Kollege oder ein Epileptiker krampft? Wie spricht man mit einem lernbehinderten Angestellten? Worüber unterhält man sich in der Mittagspause mit einer Kollegin, die von einem Assistenten die Gabel gereicht bekommt? Wie reagieren Kunden auf eine Kellnerin mit Down-Syndrom?

Rollstuhlfahrer vor einem Fahrstuhl

Nicht nur Fahrstühle müssen behindertengerecht sein

Häufig verhindert auch der bürokratische Aufwand die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. In manchen Landkreisen reden bis zu acht verschiedene Ämter und Institutionen mit, wenn ein Unternehmen einen behinderten Mitarbeiter einstellen will.

Dabei kommt es oft zu absurden Blockaden, beispielsweise wenn die Berufsschule einen persönlichen Assistenten verlangt, der persönliche Assistent jedoch nur genehmigt wird, wenn die Zusage der Berufsschule vorliegt.

Problematisch ist auch die Finanzierung der persönlichen Assistenten. Zurzeit werden deren Gehaltskosten mit dem Einkommen des behinderten Arbeitnehmers verrechnet.

Selbst Gutverdiener leben dadurch oft auf Sozialhilfe-Niveau. Die Behindertenverbände machen schon länger gegen diese Regelung mobil. Sie fordern, dass der Staat die Bezahlung übernimmt. Bis jetzt hat der Gesetzgeber aber noch nicht reagiert.

Ein Mädchen mit Behinderung in einer Regelschule

Kontakte zu Menschen mit Behinderung sind oft ungewohnt

Nicht zuletzt gibt es auch Vorbehalte bei den Menschen mit Behinderung. Durch das frühe Aussortieren in die Förderschulen sind viele den Kontakt zu Menschen ohne Behinderung nicht gewohnt und trauen sich eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht zu.

Stattdessen bewerben sie sich in einer der bundesweit rund 700 Behindertenwerkstätten, wo Menschen mit Behinderung wie in der Förderschule unter sich sind und speziell ausgebildete Betreuer haben.

Arbeitsort Behindertenwerkstatt

Den Werkstätten kommt das große Verdienst zu, dass sie viele Menschen mit Behinderung vor der Arbeitslosigkeit bewahren, die fast doppelt so hoch liegt wie bei Menschen ohne Behinderung.

Aber Werkstätten zementieren die Segregation auch. Wer einmal in einer Werkstatt angefangen hat, hat auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum noch eine Chance. Lediglich einem Prozent der rund 290.000 Werkstattangestellten gelingt der Wechsel.

Das liegt vor allem daran, dass die Behindertenwerkstätten keine reguläre Berufsausbildung anbieten und das Niveau der Tätigkeiten oft sehr niedrig ist. Auch die Bezahlung ist ein Problem. Der Grundlohn beträgt oft nicht mal hundert Euro. Damit ist eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht drin.

Im Gegenteil: Die Menschen bleiben finanziell abhängig und müssen entweder ihre Eltern oder das Sozialamt um Unterstützung bitten.

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700 Menschen mit einer Behinderung bei CAP

Anders sieht es bei den so genannten Integrationsunternehmen aus. Dort arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zu etwa gleichen Teilen, die Bezahlung ist marktüblich.

Um das leisten zu können, erhalten die Betriebe Geld aus den Ausgleichszahlungen von Unternehmen, die unter der gesetzlichen vorgeschriebenen Beschäftigungsquote für Schwerbehinderte von fünf Prozent bleiben.

Ein besonders erfolgreiches Integrationsunternehmen sind die CAP-Lebensmittelmärkte. 1999 mit einer Filiale im württembergischen Herrenberg gestartet gibt es heute in Deutschland fast 100 CAP-Märkte, in denen rund 700 Menschen mit einer Behinderung arbeiten.

Was bringt Inklusion in der Arbeitswelt?

Noch gibt es keine empirischen Studien, die Erfahrungsberichte inklusiv arbeitender Unternehmen fallen jedoch überwiegend positiv aus. Wie in inklusiven Schulklassen scheint sich auch in Betrieben das Klima deutlich zu verbessern, wenn Menschen mit einer Behinderung zur Belegschaft gehören.

Manche Unternehmen stellen sogar fest, dass die Qualität der Produkte und Dienstleistungen zunimmt, weil Menschen mit einer Behinderung neue Ideen und ungewohnte Perspektiven einbringen.

Oft verbessert sich auch ihre Gesundheit. So hat der Inhaber einer Berliner Werbeagentur beobachtet, dass ein spastisch gelähmter Azubi zwei Jahre nach Ausbildungsbeginn fließend sprechen konnte. Als sich der junge Mann um den Ausbildungsplatz bewarb, schien das undenkbar zu sein.

Weiterführende Infos

Quelle: SWR | Stand: 16.07.2019, 17:00 Uhr

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