Mohnblumen und Kornblumen auf einer Wiese

Wiese

Wiesenaufbau

Nehmen Sie sich an einem warmen Sommertag doch einmal die Zeit und legen Sie sich bäuchlings in eine hoch stehende Wiese. Und dann schauen Sie einfach auf den Boden, die Blätter, Blüten und Halme.

Von Dieter Engelmann

Boden und Streuschicht

Auf Augenhöhe erschließt sich diese kleine Welt am eindrucksvollsten – schließlich ist die Dimension dieses Lebensraumes, im Verhältnis zu der Größe seiner Bewohner, schlichtweg überwältigend.

Denn der Boden ist die Lebensgrundlage der Wiesenpflanzen. Er gibt ihren Wurzeln Halt und versorgt sie mit Wasser und Nährstoffen. Wie dicht das Wurzelwerk einer Wiese sein kann, weiß jeder, der einmal ein Wiesenstück umgegraben hat.

Auch die Anzahl an Regenwürmern im Wiesenboden ist beeindruckend: Bis zu 800 Tiere pro Quadratmeter wurden schon gezählt. Als wahre Recycling-Meister ernähren sie sich von verrottender Streu. Ihr Kot ist Dünger für die Pflanzen und ihre Gänge sorgen für eine gute Durchlüftung des Bodens.

Regenwürmer in ihrem Tunnel (Querschnitt)

Regenwürmer sind wahre Recycling-Meister

Das dichte Wurzelwerk und die zahlreichen Regenwürmer stellen eine Nahrungsquelle dar, die nicht ungenutzt bleibt. Maulwurf und Feldspitzmaus lassen sich die Regenwürmer schmecken, während Schermaus (Wühlmaus) und Maulwurfsgrille die Wurzeln bevorzugen.

Zahlreiche Insekten verbringen ihr Larvenstadium im Boden, wie etwa die Maikäfer, die erst als ausgewachsene Tiere an die Erdoberfläche kommen.

Viele Tiere nutzen den Boden auch nur als Wohnstätte, wie etwa die Feldmaus oder das Kaninchen. Auch Ameisen bauen ihre Nester in den Boden, zur Nahrungssuche verlassen sie aber das Erdreich. Manche Erdhummeln nutzen mit Vorliebe verlassene Mauselöcher für den Nestbau.

Direkt auf dem Boden befindet sich die Streuschicht. Sie ist der Lebensraum von räuberischen Laufkäfern und Tausendfüßern. Aber auch die Feldgrille lebt hier, deren Gezirpe die typische akustische Untermalung einer Sommerlandschaft liefert.

Nur die Grillenmännchen zirpen und stehen dabei meist am Eingang ihrer Erdhöhlen, die sie zusammen mit ihrem Revier erbittert gegen Konkurrenten verteidigen. Auch Asseln und Schnecken leben in der Streuschicht und sind somit am Abbau der Streu beteiligt.

Auch mancher Vogel verbringt einen Teil seines Lebens auf dem Wiesenboden. Bodenbrüter wie etwa Rotschenkel, Uferschnepfe, Braunkehlchen, Schafstelze, Wiesenweihe oder Sumpfohreule bauen hier ihre Nester und ziehen ihre Jungen groß.

Gerade für die Bodenbrüter ist der Zeitpunkt der Mahd von entscheidender Bedeutung. Wiesen, die intensiv genutzt und damit häufiger im Jahr gemäht werden, bieten ihnen nicht mehr ausreichend Zeit für die Aufzucht der Jungen.

Uferschnepfe

Auch Uferschnepfen brüten in Wiesen

Blatt- und Stängelschicht

Auch dieser Bereich der Wiese bietet auf engem Raum einer Fülle von Tieren unterschiedliche Nahrungsquellen und Lebensräume. Bekannt sind besonders die netzbauenden Spinnen, wie etwa die Kreuz- oder die Wespenspinne.

Zwischen den Halmen legen sie ihre filigranen Kunstwerke an, um hier auf Beutejagd gehen. Für unvorsichtige Heuschrecken kann jeder unbedachte Sprung der letzte sein. Denn viele der Feld- und Laubheuschrecken leben in der Blatt- und Stängelschicht, wo sie sich von Blättern und anderen Pflanzenteilen ernähren.

Auch zahlreiche Schmetterlingsraupen haben die Blätter der Wiesenpflanzen zum Fressen gern, wobei sich viele Arten auf ganz bestimmte Pflanzen spezialisiert haben.

Außerdem leben hier auch Blattkäfer, Zikaden und Wanzen. Weibliche Schlupfwespenarten gehen hier auch regelmäßig auf Beutejagd. Haben sie erst einmal ein Ei in ihrer Beute abgelegt, beginnen die Larven ihren Wirt von innen aufzufressen.

Blattläuse ernähren sich vom Pflanzensaft, in dem sie die Leitungsbahnen der Pflanzen anstechen. Ihre Ausscheidungen, der sogenannte Honigtau, wird gern von Ameisen gesammelt.

Manche Ameisenarten halten sich die Läuse regelrecht wie Milchvieh: Dabei trommeln sie mit ihren Fühlern auf den Hinterleib der Tiere, worauf diese verstärkt Honigtau ausscheiden. Man spricht tatsächlich auch von "Melken". Dafür transportieren die Ameisen die Läuse bei Bedarf zu neuen Futterquellen und verteidigen sie gegen Fressfeinde, wie den Marienkäfer und seine Larve.

Ameisen und Blattläuse an einem Pflanzenstengel.

Ameisen halten sich Läuse als Honigtauproduzenten

Die Larven der Wiesen-Schaumzikade halten es eher wie die Blattläuse: Auch sie ernähren sich vom Pflanzensaft. In ihrem Schaumnest ("Kuckucksspucke") sind sie von außen nicht zu erkennen.

Viele Schmetterlingsarten suchen zwischen den Halmen und Blättern einen sicheren Schlafplatz für die Nacht oder wählen einen geschützteren Bereich für die Phase ihrer Verpuppung. Auch die Eier werden gern an geschützteren Stellen in der Blatt- und Stängelschicht abgelegt.

Blütenschicht

Die Pracht der Blüten ist sicherlich für uns Menschen das augenfälligste Merkmal einer Blumenwiese. Und tatsächlich versorgen die Blüten eine ganze Armada von nektar- und pollensammelnden Insekten. Im Gegenzug bestäuben die Tiere die Pflanzen und sorgen so für ihre Vermehrung.

Dabei hat jede Blüte ihr eigenes Stockwerk, in dem sie heranreift und ihre Pracht zur Schau stellt. Und viele haben treue Gäste, die sich ausschließlich um sie kümmern. Eine Spezialisierung, die zu einer großen gegenseitigen Abhängigkeit für beide Lebensformen führt.

Sommerblumenwiese mit Margeriten, Korn- und Mohnblumen

Eine bunte Vielfalt

Jeder Imker weiß eine blühende Wiese als wichtige Ergänzung im Nahrungsangebot seiner Bienenvölker zu schätzen. Aber auch Wildbienen und Hummeln, die mit ihren langen Rüsseln auch schwer zugängliche Nektarquellen erreichen, sind regelmäßige Besucher der Blütenschicht.

Auch Schwebfliegen und die meisten Schmetterlinge nutzen die Blüten als Nektarquelle. Wobei gerade für die Schmetterlinge die Blütenschicht weit mehr als nur ein Futterplatz ist: Viele Arten wärmen sich hier auf, bis die notwendige Körpertemperatur für den Flug erreicht ist. Oder sie treffen sich zwischen den Blüten zum Hochzeitsflug, um sich bei Erfolg hier zu paaren.

Auch zahlreiche Käferarten gehören zu den regelmäßigen Blütenbesuchern. Zu ihnen gehören etwa die pollenfressenden Bock- und Rosenkäfer, aber auch der räuberische, auffallend schwarzrot gefärbte Bienenwolf.

Weitere Räuber der Blütenschicht sind etwa die Krabbenspinnen, die aufgrund ihrer guten Tarnung nur schwer zu erkennen sind. Auch Raubfliegen lauern hier auf Beute und natürlich die Wespen und Hornissen, die andere Tiere einfach direkt aus der Luft angreifen und mit sich reißen. Sämtliche Insekten sind durch Vögel bedroht, für die die Tiere eine wichtige Nahrungsquelle darstellen.

Nahaufnahme einer Hornisse

Hornissen sind die größten räuberischen Insekten in der Wiese

Meist deutlich über die bunten Blüten der Kräuter ragen die unscheinbaren Blüten der Gräser heraus. Sie benötigen keine aufwändige und auffallende Blüte, denn sie müssen keine Insekten anlocken. An sonnigen und trockenen Tagen öffnen die Gräser ihre winzigen Blüten, so dass die Staubbeutel freiliegen. Ihre Bestäubung besorgt der Wind, der die Pollen von Pflanze zu Pflanze trägt.

Quelle: SWR | Stand: 24.03.2020, 16:50 Uhr

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