Medizin

Parasiten

Flöhe, Zecken, Würmer: Parasiten können ganz schön ekelerregend sein. Doch einige der Schmarotzer haben auch ihr Gutes.

Von Franziska Badenschier

Leben auf Kosten des Wirts

Ursprünglich wurde der Begriff "Parasit" für Menschen verwendet: In der griechischen Antike war ein Parasit ein ausgewählter Opferbeamter, der – stellvertretend für das Volk – an Opfermahlen teilnahm und so auf Kosten der Allgemeinheit Speis und Trank erhielt. Später bezeichnete man auch jene als Parasit, die sich bei reichen Leuten für eine Mahlzeit einschmeichelten.

Heute verwendet man das Wort Parasit hauptsächlich in seiner biologischen Bedeutung: Parasiten sind Tiere und Pflanzen, die in oder auf einem Organismus einer anderen Art leben und von ihm Nahrung beziehen. Da auch krankheitserregende Bakterien und Pilze nur auf Kosten des Wirts leben, zählen sie ebenfalls zu den Schmarotzern.

Parasiten leben also mit ihrem Wirt nicht in einer Symbiose, die beiden Seiten Vorteile bringt, sondern sie nutzen ihren Wirt aus. Häufig wird der Wirt dabei auch geschädigt: Der Parasit verletzt die Haut, zerstört Gewebe, scheidet giftige Stoffwechselprodukte aus.

Ein Bandwurm kann seinem menschlichen Wirt mitunter so viele Nährstoffe entziehen, dass dieser an Mangelernährung leidet. Bei Jugendlichen kann sogar das Wachstum gehemmt werden.

Wespen fressen Raupen von innen auf

Manche Parasiten bringen ihren Wirt sogar um – aber erst dann, wenn sie nicht mehr auf ihn angewiesen sind. Schlupfwespen zum Beispiel legen ihre Eier in Schmetterlingsraupen ab, woraufhin die Wespenlarven das Fett und die Muskulatur ihrer Wirte von innen auffressen.

Wenn schließlich auch das Nervengewebe verspeist wird, stirbt die Raupe. Zu diesem Zeitpunkt sind die Larven bereits so weit entwickelt, dass sie aus der Raupe kommen und sich verpuppen.

In anderen Fällen bemerkt der Wirt seinen Untermieter nicht einmal. Beispielsweise hat durchschnittlich jeder zweite Deutsche schon einmal das Sporentierchen "Toxoplasma gondii" über Katzenkot oder rohes Fleisch aufgenommen und eine Toxoplasmose-Infektion gehabt.

Bei den meisten Menschen verläuft diese Erkrankung ohne Symptome. Infiziert sich jedoch eine Frau während der Schwangerschaft mit dem Parasiten, können beim Ungeborenen das Nervensystem und die Augen geschädigt werden.

Wie Schmarotzer unterschieden werden

Parasiten werden nach verschiedenen Kriterien eingeteilt. Zuerst nach ihrem Aufenthaltsort: Endoparasiten leben im Inneren von anderen Lebewesen, wie zum Beispiel der Bandwurm im Menschen. Ektoparasiten hingegen leben auf der Oberfläche anderer Organismen; Läuse beispielsweise auf dem Kopf von Kindern.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Anzahl der möglichen Wirte. Kopfläuse benutzen nur den Menschen, während der Lebenszyklus des Malaria-Erregers Plasmodium durch Mücken und Menschen führt.

Außerdem sind Parasiten unterschiedlich stark auf ihren Wirt spezialisiert: Der Hundebandwurm befällt nicht nur Hunde, sondern auch Wölfe, Füchse, Katzen und Dachse, während bestimmte Arten der Federlinge (Mallophagen) nur auf einzelnen Körperteilen eines Ibis-Vogels vorkommen.

Eine Illustration zeigt, wie Malaria-Erreger (hier als graue Kugeln dargestellt) in rote Blutkörperchen eindringen.

Der Malaria-Erreger befällt im Menschen rote Blutkörperchen

Evolutionäres Wettrüsten

Das Verhältnis zwischen Parasit und Wirt ist so eng und speziell, dass beide sich gegenseitig in ihrer evolutionären Entwicklung beeinflussen. Die Wirte reagieren auf die Parasiten, indem zum Beispiel ihr Immunsystem immer komplexer wird.

Die Parasiten müssen hier also ausweichen. Wer das schafft, kann sich fortpflanzen. Daraufhin müssen die Wirte wieder neue Strategien entwickeln, um die Schmarotzer weitestgehend unbeschadet loszuwerden.

So entsteht ein ständiges Wettrüsten. Experten sprechen von Ko-Evolution. 2007 ist es erstmals gelungen, diese Theorie der Ko-Evolution mit einem Experiment zu beweisen.

Floh gegen Bakterium

Dabei ging es um einen Wasserfloh, der mit seiner Nahrung ein parasitäres Bakterium zu sich nahm. Das Bakterium kann den Wasserfloh unfruchtbar machen. Also richtet sich das Immunsystem des Flohs gegen das Bakterium. Die beiden kämpfen seit vielen Generationen gegeneinander und haben sich dabei weiterentwickelt.

Weil man im Wasser eines Sees nur die aktuelle Generation von Wasserfloh und Bakterium findet, holten die Forscher Bohrkerne mit Schlick vom Grund des zu untersuchenden Gewässers. In dem Schlamm befanden sich Eier der Wasserflöhe und Sporen der Bakterien.

Je tiefer diese sogenannten Dauerstadien im Schlick lagen, desto älter waren sie. Im Labor ließen die Wissenschaftler dann aus den Eiern Wasserflöhe schlüpfen und aus den Sporen Bakterien entstehen. So entstanden zwei Zeitreihen, mit denen die Ko-Evolution beobachtet werden konnte.

Ein Wasserfloh ohne parasitäre Bakterien unter einem Mikroskop mit 313-facher Vergrößerung.

Wasserflöhe als Beweis für Ko-Evolution

Erbkrankheit schützt vor Malaria

Auch Menschen können sich gut an Parasiten anpassen, wie die Malaria zeigt. Zwar stirbt alle 45 Sekunden in Afrika ein Kind an der Tropenkrankheit, doch es gibt auch Menschen, die weitestgehend Malaria-resistent sind: nämlich jene, die von einem Elternteil die Erbkrankheit Sichelzellanämie haben.

Der Grund: Bei der Sichelzellanämie sind die roten Blutkörperchen nicht mehr rund, sondern verformen sich so, dass sie wie kleine Mondsicheln aussehen. Normalerweise vermehren sich die Malaria-Erreger in den roten Blutkörperchen, doch in den verformten Zellen können sie nicht überleben.

Menschen mit Sichelzellanämie können somit in Malaria-Gebieten länger leben und sich fortpflanzen als Menschen ohne diese Erbkrankheit. Deswegen sind mittlerweile in manchen Malaria-Gebieten rund 40 Prozent der Bevölkerung von Sichelzellanämie betroffen, während im Rest der Welt die Erbkrankheit kaum vorkommt.

Würmer auf Rezept

Auch wenn Parasiten ekelerregend sind und Krankheiten mit sich bringen: Manchmal sind sie auch Heilmittel. Bei Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn, zwei chronischen Darmentzündungen, soll der Schweinepeitschenwurm (Trichuris suis) Linderung bringen.

Dazu trinkt der Patient alle paar Wochen eine Flüssigkeit, in der Eier des Parasiten enthalten sind. Im Darm schlüpfen aus den Eiern Larven, die dann die Entzündungsreaktionen im Darm unterdrücken. Erste wissenschaftliche Studien konnten zeigen, dass es einem Großteil der Patienten nach der Therapie besserging.

Gewiss kostet diese Therapie Überwindung, aber es braucht niemand Angst zu haben, dass zentimeterlange Würmer durch seine Eingeweide wandern: Der Mensch ist für den Schweinepeitschenwurm kein natürlicher Wirt; deswegen kann der Wurm sich im Menschen nicht vermehren und stirbt bald ab.

Zeichnung eines Schweinebandwurms und Detail-Abbildung seines Kopfs.

Der Schweinebandwurm kann helfen

Parasiten als "gute alte Freunde"

Parasitäre Würmer sollen auch vor Allergien und Asthma schützen. Das legt zumindest eine Beobachtung nahe: Wurmkrankheiten sind in der industrialisierten Welt immer seltener geworden; gleichzeitig stieg die Zahl der Allergiker und Asthmatiker.

Daraufhin haben Wissenschaftler die sogenannte Hygiene-Hypothese aufgestellt: Je sauberer es ist, desto weniger wird das Immunsystem trainiert – mit dem Effekt, dass es einerseits gegen Bakterien und Co nicht stark genug ist und andererseits auch Zellen des eigenen Körpers angreift oder übertrieben auf harmlose Pollen reagiert.

Der britische Immunologe Graham Rook plädiert deswegen dafür, Parasiten nicht als Bösewichte anzusehen, sondern als "gute alte Freunde".

(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 19.07.2019)

Quelle: WDR

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