Altenpflegerin gibt einer Seniorin zu Trinken

Medizin

Pflege

Der Mensch als Pflegefall – diese Vorstellung schieben viele weit von sich weg. Dabei kann es jeden treffen, in jedem Alter. Dann gilt es, Hilfe zu organisieren.

Von Andrea Wengel

Schicksal Pflegefall akzeptieren

Die wenigsten Menschen sind darauf vorbereitet, ein Pflegefall zu werden und abhängig von der Hilfe anderer zu sein. Viele schämen sich dafür, sind peinlich berührt, wenn sie um Hilfe bitten müssen oder haben Angst, dass ihnen vielleicht diese Unterstützung in den entsprechenden Momenten fehlt. Ein Pflegefall zu sein ist ein harter Schlag, der das bisherige Leben umkrempelt.

Wie die Betroffenen mit dieser Situation umgehen, hängt von der jeweiligen Persönlichkeit und ihrer Lebenssituation ab. Pflegebedürftig zu sein, fällt besonders unabhängigen Menschen schwer. Plötzlich werden sie ausgebremst. Nicht selten reagieren die Betroffenen aggressiv, verbittert oder depressiv. Diese Situation ist sehr belastend – nicht nur für sie, sondern auch für die Personen in ihrem Umfeld.

Meist gehen die Betroffenen durch verschiedene Phasen, bis die neue Situation angenommen ist. Man muss Abschied nehmen von den Dingen, die man früher konnte. Sich langsam daran gewöhnen und akzeptieren, dass sich das Leben und die Perspektiven verändern. Es ist oft ein weiter und anstrengender Weg, sich umzustellen und mit der neuen Situation abzufinden.

Pfleger hält die Hand einer alten Frau.

Der Pflegebedarf steigt

Pflegebedürftig nach dem Gesetz

Jeder, der "wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens" Hilfe benötigt, ist pflegebedürftig. Das sagt Paragraph 14 des deutschen Pflegeversicherungsgesetzes.

Zu Deutsch: Wenn jemand pflegebedürftig ist, dann benötigt er Hilfe, um seine ganz alltäglichen Dinge zu erledigen. Dazu gehören sich waschen, zur Toilette gehen, sich an- und ausziehen, einkaufen gehen oder die Wohnung sauber halten.

Dem Gesetz nach ist also jeder pflegebedürftig, der sich nicht mehr selbst versorgen kann – und zwar nicht nur vorübergehend, sondern mindestens sechs Monate lang. Die Betroffenen brauchen also über einen langen Zeitraum Hilfe von außen.

Meist kommt diese Hilfe von Angehörigen. In einigen Fällen brauchen die Pflegebedürftigen aber zusätzlich professionelle Hilfe durch einen Pflegedienst. Das kostet Geld.

Es beginnt mit einem Antrag bei der Krankenversicherung

Die Pflegeversicherung deckt nur bestimmte Leistungen ab. Dabei handelt es sich um die rein "praktischen Verrichtungen". Nicht bezahlt werden Leistungen, die mit dem psychischen Wohlbefinden der Betroffenen zu tun hat, zum Beispiel die Betreuung von Demenzkranken. In der Regel kann man erst nach sechs Monaten einen Anspruch auf die Leistungen der Pflegeversicherung geltend machen.

Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. Zum Beispiel, wenn nach einem Unfall oder einer Verletzung abzusehen ist, dass eine Beeinträchtigung bleibt. In diesem Falle kann der Betroffene auch schon vor Ablauf der sechs Monate die Leistung beantragen.

Pflegegeld aus der Pflegeversicherung wird über die Krankenkassen beantragt. Hierzu gibt es einen speziellen Vordruck, der je nach Krankenkasse unterschiedlich aussehen kann. Da der Anspruch auf Leistung der Pflegeversicherung von der "amtlichen" Feststellung der Pflegebedürftigkeit abhängig ist, leiten die Kassen den Antrag an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) weiter.

Dieser schickt dann in der Regel einen Gutachter, der sich vor Ort einen Eindruck von dem individuellen Pflegebedarf des Betroffenen macht. Der Hilfsbedarf eines Pflegebedürftigen ist auch von seinem sozialen Umfeld und seiner Wohnsituation abhängig.

Antragsformular für häusliche Pflege.

Mit dem Antrag wird ein kompliziertes Verfahren eröffnet

Pflege zu Hause oder im Heim?

Wenn es um die Frage der Pflege geht, sind Angehörige oft in einer Zwickmühle. Ist ein Pflegefall zu Hause zu bewältigen? Darf man den Pflegebedürftigen einfach in ein Heim "abschieben"? Rund 75 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt. Die meisten davon werden von Angehörigen gepflegt – ohne Hilfe von außen.

Für die richtige Entscheidung sind Informationen enorm wichtig. Idealerweise sollten sich alle Betroffenen zusammensetzen und klären, was für die Zukunft zu erwarten ist. Welche Behinderung oder Krankheit hat der Betroffene? Ist es nur vorübergehend oder eine dauerhafte Beeinträchtigung? Wer kann Hilfe leisten? Sind eventuell Versprechen gemacht worden, den Pflegebedürftigen nie in ein Heim zu geben?

Eine Frau zeigt einer Seniorin ein Buch mit Fotos. Die Szenespielt sich in einer häuslichen Umgebung ab.

Viele Pflegebedürftige werden zu Hause versorgt

Zur richtigen Entscheidung gehört auch die Prüfung verschiedener Pflegeangebote. Neben der rein privaten Pflege und dem Heim gibt es noch andere Modelle: Kurzzeitpflege, Tagespflege, Tagesgruppen oder Wohngemeinschaften. Je nach Zeit und finanziellen Möglichkeiten lassen sich diese Angebote auch kombinieren.

Für die Pflege zu Hause sollte man sich bewusst entscheiden. Schuldgefühle und Druck sind dabei hinderlich. Je nach Schwere des Falls bedeutet eine Pflege zu Hause für die Angehörigen einen Rund-um-die-Uhr-Job, ohne Wochenende und Urlaub. Individuelle Bedürfnisse und die persönliche Privatsphäre stehen hinten an.

Auch andere Familienangehörige wie Kinder oder Partner können unter der Situation leiden und bekommen weniger Aufmerksamkeit. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, ist die Pflege von Angehörigen zu Hause ratsam.

Selber pflegen oder pflegen lassen?

02:08 Min. Verfügbar bis 30.12.2025

Quelle: SWR | Stand: 03.03.2020, 17:00 Uhr

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