Viele weiße Marmorwürfel auf einem Haufen

Werkstoffe

Marmor

Seit mehr als 2000 Jahren wird Marmor mühsam aus dem Felsen geschnitten. Es gibt ihn in vielen Farben, Strukturen und Härtegraden. Verwendet wird er für Bäder, Fußböden und Wandverkleidungen, Kunstobjekte – aber auch für Kalziumtabletten oder Zahnpasta.

Von Bärbel Heidenreich

Glänzender Kalkstein

Als Marmor werden umgangssprachlich alle dekorativen und polierbaren Kalksteine bezeichnet. Sie bestehen größtenteils aus Calciumcarbonat. Diese Calciumverbindung ist organischen und anorganischen Ursprungs: Kalkhaltige Ablagerungen, wie zum Beispiel Korallenriffe mit der Lebensgemeinschaft von Pflanzen und Muschelgetier aus den Urweltmeeren, sind im Laufe von Jahrmillionen durch tektonische Bewegungen in unterschiedliche Erdschichten geraten.

Wo dieses kalkhaltige Gestein in das Innere der Erde geschoben wurde, geriet es unter hohen Druck und musste extreme Temperaturen aushalten. Das Kalkgestein kristallisierte aus und wurde im Laufe von Jahrmillionen zu echtem, kristallinem Marmor.

In Gebieten, wo das Kalkgestein weniger tief verschoben wurde, weniger Druck und einer geringeren Temperatur ausgesetzt war, blieb die Kristallisation aus. Dieser erdgeschichtlich jüngere Kalkstein ist ebenso polierfähig und wird daher auch als Marmor bezeichnet.

Er ist allerdings nicht so hart wie der kristalline, aber dafür sehr farbenprächtig. Die Bezeichnung "Marmor" für die unterschiedlichen Qualitäten hat demnach eher mit der gemeinsamen Eigenschaft zu tun, poliert so schön zu glänzen: Im Griechischen heißt "marmaros" glänzend.

Auf der linken Bildhälfte sieht man eine schwarze polierte Marmor-Tafel, die durch weiße Äderung gezeichnet ist

Geäderter, schwarzer Kalkstein

Importschlager seit dem Altertum

Man findet Marmor in vielen Regionen der Welt: zum Beispiel in Italien, Frankreich, Belgien, Deutschland, Griechenland, Spanien, Portugal und der Türkei, aber auch im Iran, in Indien und China. In jedem dieser Gebiete hat der Marmor eine andere Qualität.

Er unterscheidet sich in Farbe, Struktur und Härte. Jedes Abbaugebiet hat daher andere Abnehmer, die unterschiedliche Produkte daraus fertigen. Das ist auch der Grund dafür, dass italienischer Marmor aus Carrara auch in Frankreich Verwendung findet, obwohl es dort auch Marmorbrüche gibt. Marmor wird immer dann importiert, wenn es um eine bestimmte Qualität oder Farbe geht. Das war schon im Altertum so.

Im antiken Griechenland gab es einen regelrechten Marmorkult. Das lag nicht nur daran, dass sich der Stein für prächtige Tempelbauten eignete, sondern dass er dort auch in großen Mengen und an vielen Orten zu finden war. Berühmt war der hochwertige Marmor von der Insel Paros und dem Pentelikon-Gebirge auf der Halbinsel Attika.

Bis 100 Jahre vor Christus zierte dieser griechische Marmor auch die römischen Tempel. Man exportierte ihn. Das änderte sich, als die Römer eigenen Marmor in den Apuanischen Alpen der Toskana entdeckten. Siedlungen für Sklaven wurden gegründet, wie zum Beispiel der Ort Luni.

Ein Relief auf einem alten Grabstein zeigt, wie Arbeiter Marmor behauen und abtransportieren

Schon die Römer wussten Marmor zu schätzen

Das Pantheon in Rom, das Forum des Trajan und die Trajansäule wurden zum Beispiel aus Luni-Marmor gebaut. Alle neu entdeckten Fundstellen erklärte der römische Kaiser Nero zum Staatseigentum, auch die in Gallien, dem heutigen Frankreich. Dort gab es viele farbige Marmore, die dem Kaiser besser gefielen als die weißen aus Luni. Mit dem Niedergang des Römischen Reiches geriet der Abbau der Marmorvorkommen dann ins Stocken.

Erst ab dem 15. Jahrhundert begann man in der Renaissance wieder den edlen Stein zu verarbeiten. Man entdeckte einen besonders schönen Marmor bei Carrara in der Toskana. Carrara-Marmor ist strahlend weiß und daher besonders für Skulpturen geeignet.

"Statuario" heißt die Sorte, die durch Michelangelos Statuen berühmt wurde. Durch die Reinheit dieses weißen Steins ist die Gefahr nicht so groß, dass er bei der Bearbeitung reißt. Carrara gilt heute als das weltweit einzige Abbaugebiet dieses reinweißen und teuren Statuario-Marmors.

Gigantisch sind auch die Marmorsteinbrüche im ostportugiesischen Estremoz unweit der spanischen Grenze. Sie zählen zu den größten der Welt. Der farbige Marmor liegt direkt unter der Erdoberfläche. Das erleichtert den Abbau. Es gibt ihn an drei Stellen: In Estremoz ist er rosa marmoriert, in Villa Viçosa weiß und in Borba ist er braun bis rötlich. Der Marmor dieser Gegend wird vor allem zur Fertigung von Fliesen benutzt.

Mühevoller Abbau

Wie kann ein quaderförmiger Block aus der massiven Steinwand eines Berges geschnitten werden? Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer wieder bessere Methoden entwickelt, um Blöcke kalkuliert und kontrolliert herauszubrechen. Gefährlich ist es aber bis heute geblieben.

Die Römer mussten bei ihrer Methode noch viel Ausschuss in Kauf nehmen. Sie trieben Eisenkeile in natürliche Risse und Spalten so weit in den Felsen, bis ein Block herausbrach. Auch Keile aus Holz trieb man hinein, die man ständig nass hielt. Dadurch dehnte sich das Holz aus und übte genügend Druck auf das Gestein aus, um es zu sprengen. Diese Abbruchmethode war noch lange gebräuchlich.

Die unförmigen Stücke wurden anschließend in rechtwinklige Blöcke geschlagen und zu Tal gebracht. Das hieß, man ließ sie einfach den Steilhang hinunterrollen und wartete ab, bis sie irgendwo zum Stillstand kamen. Später legte man Holzschienen. Der Marmorblock rutschte dann gezielt und durch Seile gehalten den Hang hinab.

Trotzdem gab es immer wieder tödliche Unfälle, wenn Seile rissen und Blöcke unverhofft herabstürzten. Für den Transport über mehrere Kilometer wurde jeder Marmorblock in der Achse einer hölzernen Trommel befestigt und gerollt. Ein länglicher Quader wurde wie eine Achse mit zwei Holztrommeln verbunden. Ochsen zogen die Fracht oder bremsten sie, wenn es abwärts ging.

Marmor-Statue einer liegenden Frau

Marmor-Statue einer liegenden Frau

Im 18. Jahrhundert begann man das Gestein mit Schwarzpulver zu sprengen. Der Abbau wurde dadurch zwar wesentlich leichter, aber nicht besser kontrollierbar. Man bohrte Löcher in den Marmor und goss Salzsäure hinein. Das säureempfindliche Kalkgestein bekam an dieser Stelle eine Aushöhlung, in die man dann das Sprengpulver füllte und zündete.

Bei einer solchen Explosion wurde natürlich viel zerstört. Es entstanden große Schutthalden. 1896 gab es eine neue, ganz revolutionäre Methode. Der Marmorblock wurde jetzt mit Hilfe eines umlaufenden, spiralförmigen Stahlseils aus den Felsen geschnitten.

Das Prinzip: Zunächst bohrte man ein waagerechtes Loch in die Felswand und dann schuf man mit einer zweiten Bohrung von oben die Verbindung. Durch diese Verbindung führte man das Stahlseil. Kieselsand diente als Schneidemittel und Wasser zur Kühlung und Spülung der Fuge. Damit waren erstmals genau kalkulierbare Schnitte möglich geworden.

Um 1980 kam eine weitere wichtige Verbesserung dazu: das diamantbesetzte Stahlseil. Technische Diamanten, die in regelmäßigen Abständen fest im Seil verankert sind, ersetzten den Sand als Schneidemittel. Zur Weiterverarbeitung der Blöcke werden heute laserstrahlgesteuerte Maschinen eingesetzt, die 30 Tonnen schwere Blöcke millimetergenau zerschneiden können.

Bulldozer zum Abtransportieren der Blöcke wiegen um die hundert Tonnen, haben Reifen von knapp drei Metern Durchmesser und können problemlos riesige Blöcke bewegen. Gefährlich ist es dennoch bis heute im Marmorbruch: wenn ein Stahlseil reißt und die Diamanten wie Geschosse durch die Luft fliegen oder wenn Lastwagenfahrer die Laster über Serpentinen mit enormen Steigungen und beängstigenden Gefällen durch enge regennasse Spitzkehren manövrieren.

Vielfältiger Marmor

Große Skulpturen aus weißem Marmor sind heute eher selten. Aber überall, wo repräsentiert werden soll, wird Marmor verwendet. Als Wandverkleidung großer Empfangshallen, in Treppenhäusern, Eingangsbereichen exklusiver Hotels und zunehmend auch in privaten Wohnungen und Häusern. Bäder werden mit Marmorfliesen ausgestattet.

Auch Fußböden aus Marmor im Wohnbereich müssen nicht kalt sein, wenn sie über einer Fußbodenheizung liegen. Terrassenplatten, Außentreppen, Skulpturen im Garten nehmen selbst bei starkem Frost keinen Schaden. Da Marmor einen sehr geringen Porenraum beziehungsweise eine sehr glatte Oberfläche hat, ist er äußerst frostbeständig. Auf Friedhöfen als Grabstein beweist er diese Qualität.

Außenaufnahme des Taj Mahal in Indien

Das Taj Mahal ist mit Marmorplatten verkleidet

Für die Küche ist Marmor weniger geeignet, denn er ist säureempfindlich. Auf Essig, Wein, Zitrusfrüchte und starke Reinigungsmittel reagiert er mit Flecken. Aber auch dagegen hat die Industrie schon ein Mittel. Der Marmor kommt in ein Bad, das die Poren gegen alle schädlichen Einflüsse verschließt. Eher zweckmäßig als schön ist dagegen eine Kunststoffbeschichtung, wie etwa bei den kleinen runden Bistrotischen.

Neben dem ästhetischen Verwendungszweck gibt auch noch den technischen. Marmorpulver wird als Schleifmittel verwendet, in feinster Form auch als Beimischung in der Zahnpasta. Die Pharmaindustrie stellt Kalziumpräparate daraus her, wie zum Beispiel Tabletten für Allergiker oder zur Förderung des Knochenaufbaus.

Früher verkauften die ansässigen Marmorwerke ihre Reste an die Industrie weiter, die sie für technische und pharmazeutische Zwecke nutzte. Heute haben diese Industriezweige eigene Steinbrüche.

(Erstveröffentlichung: 2004. Letzte Aktualisierung: 07.01.2020)

Quelle: WDR

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