Schwarzweißfoto der 20er Jahre: Vier Dienstmädchen sitzen auf einer Bank

Adel

Geschichte des Hauspersonals

Dienstmädchen war um 1900 der am weitesten verbreitete Beruf für Frauen. Doch der Alltag eines Dienstmädchens war sehr hart: körperlich anstrengende Arbeit, wenig Lohn, kaum Freizeit oder Ausgang. Was trieb also ausgerechnet Frauen in diesen Beruf?

Von Christiane Gorse

Wer wurde Dienstmädchen?

Es waren vor allem Mädchen vom Land, die von ihren Eltern in die Stadt geschickt wurden, um dort als Haushaltshilfe zu arbeiten. Auf dem Land gab es kaum Stellen für Mädchen. Mägde wurden nur auf Höfen mit Angestellten gebraucht und davon gab es nicht viele.

Als Dienstmädchen, so hofften die Eltern, würden ihre Töchter wenigstens das Hauswirtschaften lernen – eine wichtige Fertigkeit als spätere Hausfrau und Ehefrau.

Dabei war das enge Leben eines Dienstmädchens ohne viel Freizeit genau das, was den Eltern gut an diesem Beruf erschien: Da die Mädchen oft erst 14 oder 15 Jahre alt waren, waren sie in einer Familie behüteter als beispielsweise in der Fabrik.

Schwarzweißfoto von 1895: Bild eines englischen Hausmädchens

Ein englisches Hausmädchen 1895

Allerdings kam es des Öfteren vor, dass die Hoffnung auf eine Ausbildung enttäuscht wurde. Viele Mädchen wurden nicht eingearbeitet und angelernt, sondern mussten selber zusehen, wie sie das Arbeitspensum bewältigten.

Stellenfindung über Agenturen

Leider verfügten die Eltern meist nicht über Kontakte in der Stadt. Die Mädchen fuhren mit dem Zug in die Fremde und mussten dann auf eigene Faust eine Stellung finden.

Das machten sich auch dubiose Stellenvermittler zu Nutze und verschafften den Mädchen Stellen in Kneipen als Kellnerinnen – damals ein Beruf nahe der Prostitution.

Um diesen Missstand zu beenden, gründeten sich übrigens die Bahnhofsmissionen, die damals konfessionsübergreifend von den katholischen, evangelischen und jüdischen Gemeinden den ankommenden Mädchen ein erstes Obdach bieten sollten.

Wer stellte die Dienstmädchen ein?

Wer etwas auf sich hielt, beschäftigte um 1900 ein Dienstmädchen: sowohl kleinbürgerliche Haushalte als auch großbürgerliche, wobei letztere durchaus auch mehr Hauspersonal anstellen konnten.

Die unteren Schichten, also Handwerkerfamilien, eiferten den gehobeneren nach. Nach außen durfte es an nichts fehlen, auch wenn das Budget dafür knapp war.

Schwarzweißzeichnung: Drei Dienstmädchen arbeiten in einer großbürgerlichen Küche

Besonders viel Arbeit hatten Küchenmädchen

Gespart wurde da, wo es nicht sichtbar war: bei der Unterbringung und Ernährung der Dienstmädchen. In gehobeneren Schichten gab es gerne auch mehr Personal. Das war zugleich ein Vorteil und Nachteil: Einerseits hatte das Dienstmädchen so mehr Gesellschaft und war weniger isoliert in der Familie, andererseits gab es auch unter den Dienstboten eine Hierarchie und das Dienstmädchen war das unterste Glied.

Arbeitszeiten und Aufgaben eines Dienstmädchens

Anders als Fabrikarbeiter hatten Dienstboten keine geregelten Arbeitszeiten. Sie mussten, wenn nötig, ihren Dienstherren rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Das Dienstmädchen stand als Erste auf, befeuerte die Öfen, machte Wasser zum Waschen und fürs Frühstück warm, servierte die Mahlzeiten, räumte wieder ab, spülte und putzte.

Das Einkaufen gehörte zu den beliebten Tätigkeiten, denn das erlaubte es den Mädchen, einmal ohne Aufsicht in der Stadt unterwegs zu sein, andere Dienstmädchen zu treffen und sich auszutauschen.

Fließendes Wasser gehörte um die Jahrhundertwende nicht zum Standard, so musste das Dienstmädchen auch Wasser schleppen.

Der Tag konnte lang werden, besonders wenn Gäste am Abend eingeladen waren oder die Dienstherren abends im Theater waren und danach noch einmal bedient werden wollten.

Erst wenn alle Arbeit erledigt war, durfte das Dienstmädchen schlafen gehen. Die wenige freie Zeit am Abend reichte oft nur, um die eigene Kleidung auszubessern. Alle 14 Tage durften die Mädchen sonntags für zwei Stunden das Haus verlassen – das war der einzige Ausgang, den sie hatten.

Zeichnung: Mädchen mit Schürzen sitzen auf Bänken. Eine Frau zeigt, wie man Wäsche wäscht

Ausbildung an einer Haushaltungsschule

Harte Lebensbedingungen und wenig Lohn

Der Lohn bestand aus wenig mehr als Kost und Logis. Etwas zurücklegen für später konnten die wenigsten Mädchen. Manchmal wurde das kleine Entgelt den Eltern gezahlt.

Auch die Unterbringung ließ oft zu wünschen übrig. Von Berliner Dienstmädchen weiß man, dass sie oft noch nicht einmal eine eigene Kammer hatten, sondern auf so genannten Hängeböden schliefen, einer kleinen Fläche von etwa zwei mal zwei Metern bei einer Raumhöhe von etwa 1,50 Metern.

Wenig Schlaf, und dann auch noch schlechter Schlaf: Vielen Mädchen waren die Strapazen trotz ihres jungen Alters anzusehen. Für die meisten war es nur eine Zwischenstation.

Heirateten sie, beendeten die jungen Mädchen dieses Arbeitsverhältnis und stattdessen war die junge Frau dann selber Hausfrau und Herrin eines eigenen Haushalts.

Rechte und Pflichten

Die Rechte und Pflichten für Dienstboten und Dienstherren regelten die so genannten Gesindeordnungen der einzelnen Länder. Kennzeichen jeder Gesindeordnung war die Asymmetrie des festgeschriebenen Arbeitsverhältnisses: viele Rechte für die Dienstherren, viele Pflichten für die Dienstboten.

Die bayerische Gesindeordnung zählt zum Beispiel folgende Gründe auf, warum einem Dienstmädchen gekündigt werden darf: "andauernde Krankheit, Untreue, Trunkenheit, ausgelassener Wandel, fortgesetzter Unfleiß, Ungehorsam, eigenmächtiges oder heimliches Entlaufen".

Schwarzweißfoto von 1906: Ein Hausmädchen arbeitet mit einer "Entstäubungspumpe", einer Art Staubsauger

Ein Hausmädchen arbeitet mit einer "Entstäubungspumpe"

Wer sein Dienstmädchen loswerden wollte (etwa wenn die Familie im Sommer in die Sommerfrische fuhr und das Dienstmädchen in dieser Zeit nicht bezahlen wollte), fand immer einen Grund.

Das Mädchen hingegen durfte nur drei Monate im Voraus kündigen. Wenn es weglief, dann sollte die Polizei dafür sorgen, es zurückzuholen. Die preußische Gesindeordnung erlaubte es der Dienstherrschaft sogar, sein Personal zu schlagen, wenn auch nicht zu misshandeln.

Das Gesindebuch

Im Gesindebuch trug die Hausherrin die Zeit der Beschäftigung ein und verfasste ein kurzes Zeugnis. Nur ein Dienstmädchen mit Gesindebuch durfte überhaupt eingestellt werden – ein lückenloses und gutes Gesindebuch war also wertvoll.

Umso dramatischer, wenn ein schlechtes Zeugnis eingetragen war, denn das konnte die weitere Karriere beenden. Um die Jahrhundertwende gaben daher jedes Jahr rund tausend Dienstmädchen an, ihr Gesindebuch verloren zu haben.

Auch so ließ sich das Problem eines schlechten Zeugnisses beheben – zumal die Dienstmädchen keine Handhabe gegen ungerechte Einträge hatten.

Quelle: SWR | Stand: 14.03.2021, 13:19 Uhr

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