Auf Anordnung von US-Offizieren tragen deutsche Zivilisten die Leichen von 120 KZ-Opfern zur Beisetzung zum Stadtfriedhof

Nachkriegszeit

Vergangenheitsbewältigung nach 1945

Jahrzehntelang war die Auseinandersetzung mit der Hitlerzeit geprägt von Verdrängung, Schweigen und der Forderung, "endlich einen Schlussstrich zu ziehen". Erst seit den 1980ern gehen die Deutschen offener mit der eigenen Vergangenheit um – damals entstand eine öffentliche Erinnerungskultur.

Von Gabriele Trost

Verdrängung in Ost- und Westdeutschland

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Verbrechen der Deutschen für alle Welt sichtbar wurden und die Deutschen selbst die Augen nicht mehr verschließen konnten, schien eine Rückkehr in den Alltag kaum denkbar. Und doch setzte in der Nachkriegszeit bald ein Prozess der Normalisierung ein, ein Weitermachen, Vorwärtsschauen, ein Die-Vergangenheit-ruhen-Lassen.

Und nicht allzu lange dauerte es, bis die ersten Stimmen danach riefen, "endlich einen Schlussstrich zu ziehen". Eine Forderung, die bis heute wiederkehrt, zum Beispiel in Form der 1998 vom Schriftsteller Martin Walser beklagten "Auschwitz-Keule".

Beschwiegen und verdrängt wurde im öffentlichen wie im privaten Leben. Im Osten wie im Westen. In beiden deutschen Staaten wurden Mitläufer und das riesige Heer der ehemaligen NSDAP-Mitglieder rasch in die neuen Gesellschaftsordnungen integriert.

Oft kamen sogar diejenigen, die schon unter Hitler Karriere gemacht hatten und überzeugte Nationalsozialisten gewesen waren, erneut in Amt und Würden.

In der jungen Bundesrepublik glaubte man, ohne das Wissen der alten, belasteten Fachleute sei kein neuer Staat zu machen, sei die Wirtschaft nicht wiederaufzubauen und hätte man kein Personal für die neue Bundeswehr, die im Kalten Krieg so dringend gegen die kommunistische Gefahr gebraucht wurde.

Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen verlief schleppend. Vielfach wurden Untersuchungen eingestellt oder verliefen ergebnislos. Erst mit den Frankfurter Auschwitzprozessen der 1960er-Jahre, in denen Mitglieder des Lagerpersonals vor dem Richter standen, begann zögerlich eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

Prozess gegen die ehemaligen SS-Angehörigen und Bewacher des früheren Konzentrationslagers Auschwitz (1964)

1963 begann der Prozess gegen das ehemalige Personal des Konzentrationslagers Auschwitz

Persönliche Verdrängung

Auch in den Familien wurde geschwiegen. Wenn überhaupt, kreisten die weitergegebenen und erzählten Erinnerungen an den Nationalsozialismus und den Krieg um Themen wie Erfahrungen in der Hitlerjugend und im Bund Deutscher Mädel, den Bombenkrieg und die Flucht gegen Ende des Krieges.

Erinnerungen an die Judenverfolgung wurden hingegen verdrängt ("Wir haben das alles nicht gewusst"). Manch ehemaliger Volksgenosse verschwieg lieber ganz sein aktives Mittun oder die Tatsache, dass er sich an den enteigneten Besitztümern der Juden bereichert hatte.

Und so genau wollten es die Töchter und Söhne der Nachkriegsgeneration oft auch nicht wissen.

Ein Kind aus der Hitler Jugend trommelt.

Kinder in der Hitler-Jugend: Opfer der Zeit?

Der Beginn einer Erinnerungskultur

Erst seit den 1970er-Jahren vertieften Schulen und andere Bildungseinrichtungen, die Medien und die Forschung die Kenntnisse über den Holocaust. Inzwischen ist mehr Wissen über die Zeit des Nationalsozialismus vorhanden – trotzdem scheuen sich auch heute noch viele, genau nach dem Verhalten der Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern in jener Zeit zu fragen.

Was sich aber durchgesetzt hat, ist eine öffentliche Erinnerungskultur, sind Institutionen, die sich um die deutsch-jüdische Geschichte kümmern, die mehr als 75 Jahre nach Kriegsende noch Zeitzeugen befragen, Zeugnisse und Quellen suchen und die Geschichte dokumentieren.

Quelle: SWR | Stand: 19.10.2020, 10:30 Uhr

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