Flüchtlinge sitzen auf einem Gelände.

Flüchtlinge

Asyl – wer darf bleiben?

Flüchtlinge müssen sich in Deutschland einem aufwändigen Asylverfahren unterziehen. In dieser Zeit bestimmen das Warten und die Angst vor der Ausweisung ihr Leben. Wie sieht ein Asylverfahren aus? Welche Kriterien gelten? Und was passiert, wenn es am Ende heißt: Sie müssen gehen?

Von Beate Krol

Zitterpartie Asylantrag

Wenn Flüchtlinge in Deutschland Asyl beantragen, müssen sie zu einer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. In der Regel ist diese direkt einer Erstaufnahmestelle angegliedert. Dem Asylantrag geht eine Identitätsfeststellung voraus. Dazu gehört unter anderem, dass die Flüchtlinge fotografiert und ihnen Fingerabdrücke genommen werden.

Diese speist das Bundesamt in eine Datenbank der Europäischen Union (EU) ein. Wurde der Flüchtling bereits in einem anderen Land erfasst – zum Beispiel Italien oder Ungarn –, muss er dorthin zurück. Die sogenannte Überstellung ist unter den Flüchtlingen gefürchtet, weil die Lebensbedingungen in vielen anderen Ländern schlechter sind.

In Italien beispielsweise leben viele Flüchtlinge auf der Straße oder in Slums. Lebensmittel müssen sie erbetteln, eine Schule für die Kinder gibt es nicht. Ungarn inhaftiert oftmals Flüchtlinge. Grundlage für das Verfahren der Überstellung ist die sogenannte Dublin-Verordnung, auf die sich die EU-Staaten 1990 geeinigt haben und die immer wieder modifiziert wird. Zurzeit gilt Dublin III.

Geduldsprobe Asylverfahren

Darf der Flüchtling einen Asylantrag stellen, erhält er eine Aufenthaltsgestattung. Die gilt so lange, bis das Bundesamt über das Verfahren entschieden hat. Die erste Zeit verbringen die Flüchtlinge in Erstaufnahmestellen, wo sie meist mehrere Wochen oder bis zu maximal sechs Monaten bleiben.

In dieser Zeit unterliegen sie der sogenannten Residenzpflicht. Das heißt, sie dürfen den zuständigen Bezirk ihrer Ausländerbehörde nicht verlassen. Anschließend werden sie einer Asylbewerberunterkunft zugeteilt.

Die Asylbewerber werden nach einem Quotensystem auf die verschiedenen Bundesländer verteilt. Einfluss auf den Ort haben sie nicht. Aber sie können sich frei bewegen und dürfen am Wochenende Verwandte und Freunde besuchen. Allerdings fehlt ihnen dafür meist das Geld. Außerdem wird ihre Anwesenheit im Heim überprüft.

Familien haben in Asylbewerberheimen meist ein eigenes Zimmer, sie dürfen sich aber auch eine Wohnung suchen. Die Kinder haben ein Recht auf den Schulbesuch. Flüchtlinge, die allein geflohen sind, müssen sich ein Zimmer mit Fremden teilen und bleiben in der Regel bis zum Abschluss des Asylverfahrens in einer staatlichen Unterkunft.

Ab dem vierten Aufenthaltsmonat haben Flüchtlinge Zugang zum Arbeitsmarkt. Allerdings muss die Stelle im Umkreis des Asylbewerberheims liegen und es gilt in vielen Fällen die "Vorrangprüfung".  Das heißt, dass die betroffenen Asylbewerber und geduldeten Ausländer den Arbeitsplatz nur dann antreten können, wenn für diesen Platz nicht ein deutscher, europäischer oder ein Arbeitnehmer aus einem Drittstaat mit normaler Arbeitserlaubnis in Frage kommt.

Diese Vorrangprüfung entfällt erst nach 15 Monaten. Dadurch – und oft wegen fehlender Sprachkenntnisse – arbeiten nur sehr wenige Flüchtlinge. Erst seit der Einführung des "Fachkräfteeinwanderungsgesetzes" 2020 wurde diese "Vorrangprüfung" für viele Berufsfelder abgeschafft, so dass viele Asylsuchende leichter eine Arbeit annehmen können.

Wegen der erzwungenen Untätigkeit, der Enge, der fehlenden Privatsphäre und der ungewissen Zukunft empfinden die Flüchtlinge die Wartezeit meist als zermürbend. Im Durchschnitt befanden sich die Menschen im Jahr 2019 etwa ein halbes Jahr in diesem Schwebezustand.

Die Spanne, aus der sich der Durchschnitt errechnet, ist jedoch weit. Manche Asylbewerber erhalten bereits nach drei Monaten eine Entscheidung, andere warten länger als eineinhalb Jahre.

Was das Bundesamt prüft

Entscheidend für die Gewährung des Asylantrags ist die Anhörung. In ihr schildert der Flüchtling einem sogenannten Entscheider des Bundesamts, was er in seiner Heimat erlebt hat. Häufig ist auch ein Übersetzer anwesend.

Die Anhörungen ziehen sich oft über mehrere Stunden hin. Meist stehen die Flüchtlinge dabei unter großem Stress, weil sie Angst haben, etwas Falsches zu sagen oder etwas Entscheidendes zu vergessen.

Hinzu kommt, dass es für viele schwer ist, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Manche Flüchtlinge sind so traumatisiert, dass sie selbst dann noch schweigen, wenn der Entscheider ihnen erklärt, dass davon ihr Asyl abhängt.

Das Ergebnis der Anhörung ergänzen die Entscheider oft noch um Länderinformationen, die beispielsweise von Diplomaten oder Konsuln stammen. Außerdem überprüfen sie von den Flüchtlingen vorgelegte Dokumente und andere Beweismittel.

Anschließend werden die vier Schutzarten abgeprüft. Dabei fangen die Entscheider mit der stärksten Schutzart, das ist die Genfer Flüchtlingskonvention.

Dann folgen die Anerkennung als Asylberechtigter nach Artikel 16a des Grundgesetzes, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach dem Asylverfahrensgesetz und die Feststellung eines Abschiebeverbots nach dem Aufenthaltsgesetz.

Asylanten bei einer Beratungsstelle.

Während einer solchen Anhörung sind die Flüchtlinge großem Stress ausgesetzt

Wer wie lange bleiben darf

Von der Schutzart hängt auch ab, wie lange ein Asylbewerber in Deutschland bleiben darf. Erhält ein Flüchtling Schutz gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention oder Artikel 16a Grundgesetz, geht damit eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre einher. Danach erfolgt eine erneute Prüfung. Entscheidend ist dann, dass der Flüchtling ohne staatliche Hilfe auskommt und nicht straffällig geworden ist.

Erfüllt er die Kriterien, darf er unbefristet in Deutschland bleiben. Bei einem subsidiären Schutz gilt die Aufenthaltserlaubnis nur ein Jahr, sie kann aber um zwei weitere Jahre verlängert werden. Ein Abschiebeverbot wird für mindestens ein Jahr erteilt.

Bei den letzten beiden Schutzarten kann die unbefristete Niederlassungserlaubnis nach fünf Jahren erteilt werden. Um auf diese Zeit zu kommen, müssen die Flüchtlinge sogenannte Folgeanträge stellen und sich damit mehrmals dem Asylverfahren unterziehen.

Was mit abgelehnten Flüchtlingen passiert

Flüchtlinge, deren Erst- oder Folgeanträge abgelehnt werden, müssen Deutschland verlassen. Im Jahr 2019 waren das rund 22.100 Menschen Gehen sie nicht freiwillig, droht ihnen eine Abschiebung. In der Regel haben Flüchtlinge vier Wochen Zeit, um sich auf die Ausreise vorzubereiten. Wenn der Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt wurde, bleibt ihnen nur eine Woche. Die Reisekosten trägt die Bundesrepublik. Außerdem erhalten Flüchtlinge oft eine kleine Starthilfe.

Ein Stempel mit dem Aufdruck "Abschieben".

Eine bis vier Wochen haben abgelehnte Flüchtlinge Zeit, sich auf die Ausreise vorzubereiten

Kommt es zur Abschiebung, werden die Flüchtlinge ohne Ankündigung von Mitarbeitern der Ausländerbehörde (und oft auch Polizisten) von zu Hause abgeholt. Sie dürfen dann nur maximal 20 Kilogramm Gepäck mitnehmen und haben etwa eine halbe Stunde Zeit zu packen.

Am Flughafen müssen die Flüchtlinge zur Zentralen Aufnahmestelle der Bundespolizei, die im Flughafengebäude liegt. Die Bundespolizei prüft, ob alle Dokumente vorliegen und korrekt sind. Dazu gehören Reisepass, Visum, Abschiebeanordnung, Flugticket und eine Bescheinigung zur Flugtauglichkeit.

Außerdem prüfen die Beamten, ob es noch eine Möglichkeit gibt, Widerspruch gegen die Abschiebung einzulegen. Schließlich schauen sie auch, welchen gesundheitlichen Eindruck der sogenannte "Schübling" macht.

Gegebenenfalls schaltet die Bundespolizei die Flughafenklinik ein. Wer ernsthaft krank ist, fliegt nicht. Zusätzlich gibt es an den fünf größten Abschiebeflughäfen (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt a. M., Hamburg und München) unabhängige Abschiebungsbeobachter, die sicherstellen, dass die Würde der Flüchtlinge gewahrt bleibt.

Wenn der Flug aufgerufen wird, gehen die Menschen mit zwei Bundespolizisten durch den Transitbereich zum Flieger – und dort an den hinteren Eingang. Die Flüchtlinge werden dann vom Flugkapitän in Empfang genommen. Auch hier ist die Abschiebung noch nicht sicher.

Flugzeugpassagiere beim Einsteigen

Rund 22.000 Menschen wurden 2019 aus Deutschland abgeschoben

Wenn der Flugkapitän Bedenken hat, beispielsweise weil ein Flüchtling panisch oder aggressiv ist oder sich erbricht, kann er die Abschiebung ablehnen. Meist jedoch startet das Flugzeug mit den Menschen.

Die Duldung

Wird eine Abschiebung vorübergehend ausgesetzt, spricht man von einer Duldung. Dies kann aus "dringenden humanitären oder persönlichen Gründen" der Fall sein, etwa wenn der Flüchtling gesundheitlich nicht reisefähig ist, in Deutschland eine Ausbildung begonnen hat oder Ähnlichem.

Geduldete Flüchtlinge sind stark eingeschränkt. So dürfen sie beispielsweise ihr Bundesland nicht verlassen. Dies bedeutet unter anderem, dass Kinder und Jugendliche nicht an Klassenfahrten teilnehmen dürfen. Allerdings werden in Einzelfällen Ausnahmen gemacht. Heute können geduldete Flüchtlinge ab dem vierten Monat ihres Aufenthalts in Deutschland eine Stelle antreten. Nach vier Jahren haben sie freien Zugang zum Arbeitsmarkt.

Duldungen werden von der Ausländerbehörde erteilt und müssen immer wieder verlängert werden. Geduldete Flüchtlinge fühlen sich oft ohnmächtig gegenüber den Behörden. Zumal es bei der Nicht-Verlängerung einer Duldung zur sofortigen Abschiebung kommt.

Polizisten hinter einem Zaun.

Bei einer Nicht-Verlängerung einer Duldung kommt es zur sofortigen Abschiebung

Quelle: SWR | Stand: 25.04.2020, 15:00 Uhr

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