'JFK' steht vor drei Mikrofonen. Im Hindergrund weht eine Fahne und drei Männer stehen auf einem Balkon.

Die Kennedys

John F. Kennedys Rede in Berlin

Hunderttausende jubelten Kennedy zu, als er im Juni 1963 nach West-Berlin kam. Es war das erste Mal, dass ein US-Präsident die Stadt besuchte. Und bei der Rede vor dem Rathaus im Stadtteil Schöneberg sprach Kennedy den heute berühmten Satz: "Ich bin ein Berliner."

Von Christiane Tovar

Ein Amerikaner in Berlin

Als der US-Präsident John F. Kennedy im Sommer 1963 nach West-Berlin kam, hatte er schwere politische Zeiten hinter sich. Und auch die transatlantischen Beziehungen waren gestört. Das lag zum einen daran, dass der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Präsident Charles de Gaulle, der in Amerika nicht besonders geschätzt wurde, gerade den Elysée-Vertrag abgeschlossen hatten, der eine Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich bedeutete.

Zum anderen gab es den Vorwurf, dass sich die US-Regierung nicht entschieden genug gegen den Mauerbau zwei Jahre zuvor eingesetzt habe. Kennedy hatte zwar die US-Truppen in der Stadt verstärkt, aber ansonsten nicht reagiert.

Eine Gruppe von Männern geht über einen roten Teppich. Im Hintergrund sieht man eine Treppe, die zu einem Flugzeug führt.

"JFK" und Adenauer: geschichtsträchtiger Staatsbesuch

Doch als der Präsident vor dem Schöneberger Rathaus sprach, war das für viele Berliner vergessen. Mit seinen Solidaritätsbekundungen begeisterte er die Bürger der geteilten Stadt. Seine Botschaft lautete: Berlin ist ein Teil Amerikas. Und er nutzte die Gelegenheit, die Unmenschlichkeit des kommunistischen Systems hervorzuheben.

All das geschah in einem scharfen Ton und schürte die Emotionen. Den Satz, der später in allen Geschichtsbüchern auftauchte, hatte sich der US-Präsident selbst überlegt, sich vor seiner Rede in Lautschrift notiert und geübt.

Staatsbesuche in West- und Ost-Berlin

Planet Wissen 11.05.2023 02:48 Min. Verfügbar bis 13.10.2027 WDR

Die berühmte Rede im Wortlaut

"Meine Berliner und Berlinerinnen!

Sie leben auf einer verteidigten Insel der Freiheit. Aber Ihr Leben ist mit dem des Festlandes verbunden, und deswegen fordere ich Sie zum Schluss auf, den Blick über die Gefahren des Heute hinweg auf die Hoffnung des Morgen zu richten, über die Freiheit dieser Stadt Berlin, über die Freiheit Ihres Landes hinweg auf den Vormarsch der Freiheit überall in der Welt, über die Mauer hinweg, auf den Tag des Friedens in Gerechtigkeit. Die Freiheit ist unteilbar, und wenn auch nur einer versklavt ist, dann sind alle nicht frei.

Aber wenn der Tag gekommen sein wird, an dem alle die Freiheit haben und Ihre Stadt und Ihr Land wieder vereint sind, wenn Europa geeint ist und Bestandteil eines friedvollen und zu höchsten Hoffnungen berechtigten Erdteils, dann können Sie mit Befriedigung von sich sagen, dass die Berliner und diese Stadt Berlin 20 Jahre lang die Front gehalten haben. Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt Westberlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf sagen zu können: Ich bin ein Berliner!

Ich bin stolz, heute in Ihre Stadt zu kommen als Gast Ihres hervorragenden Regierenden Bürgermeisters, der in allen Teilen der Welt als Symbol für den Kampf und den Widerstandsgeist gilt. Ich bin stolz, auf dieser Reise die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit ihrem hervorragenden Herrn Bundeskanzler besucht zu haben, der während so langer Jahre die Politik bestimmt hat nach den Richtlinien der Demokratie, der Freiheit und des Fortschritts. Ich bin stolz darauf, heute in Ihre Stadt in der Gesellschaft eines amerikanischen Mitbürgers gekommen zu sein, General Clay, der hier tätig war in der Zeit der schwersten Krise, durch die diese Stadt gegangen ist, und der wieder nach Berlin kommen wird, wenn es notwendig werden sollte.

Vor 2000 Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: "Ich bin ein Bürger Roms!" Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: "Ich bin ein Berliner!" Wenn es in der Welt Menschen geben sollte, die nicht wissen, worum es heute in der Auseinandersetzung zwischen der freien Welt und dem Kommunismus geht, dann können wir ihnen nur sagen, sie sollen nach Berlin kommen.

Eine Karteikarte, auf US-Präsident John F. Kennedy seine berühmten Worte "Ich bin ein Berliner" in Lautschrift notiert hat

Kennedy schrieb sich seinen berühmten Satz in Lautschrift auf

Es gibt Leute, die sagen, dem Kommunismus gehöre die Zukunft. Sie sollen nach Berlin kommen! Und es gibt wieder andere in Europa und in anderen Teilen der Welt, die behaupten, man könne mit den Kommunisten zusammenarbeiten. Auch sie sollen nach Berlin kommen! Und es gibt auch einige wenige, die sagen, es treffe zwar zu, dass der Kommunismus ein böses und ein schlechtes System sei; aber er gestatte es ihnen, wirtschaftlichen Fortschritt zu erreichen. Aber lasst auch sie nach Berlin kommen!

Ein Leben in der Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten und sie daran zu hindern, woanders hinzugehen.

Ich möchte Ihnen im Namen der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, die viele Tausende Kilometer von Ihnen entfernt auf der anderen Seite des Atlantik lebt, sagen, dass meine amerikanischen Mitbürger sehr stolz darauf sind, mit Ihnen zusammen selbst aus der Entfernung die Geschichte der letzten 18 Jahre teilen zu können. Denn ich weiß nicht, dass jemals eine Stadt 18 Jahre lang belagert wurde und dennoch lebt mit ungebrochener Vitalität, mit unerschütterlicher Hoffnung, mit der gleichen Stärke und mit der gleichen Entschlossenheit wie heute Westberlin.

Die Mauer ist die abscheulichste und die stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Systems. Die ganze Welt sieht dieses Eingeständnis des Versagens. Wir sind darüber keineswegs glücklich, denn, wie Ihr Regierender Bürgermeister gesagt hat, die Mauer schlägt nicht nur der Geschichte ins Gesicht, sie schlägt der Menschlichkeit ins Gesicht. Durch die Mauer werden Familien getrennt, der Mann von der Frau, der Bruder von der Schwester, Menschen werden mit Gewalt auseinander gehalten, die zusammenleben wollen.

Was für Berlin gilt, gilt für Deutschland: Ein echter Friede in Europa kann nicht gewährleistet werden, solange jedem vierten Deutschen das Grundrecht einer freien Wahl vorenthalten wird. In 18 Jahren des Friedens und der erprobten Verlässlichkeit hat diese Generation der Deutschen sich das Recht verdient, frei zu sein, einschließlich des Rechtes, die Familien und die Nationen in dauerhaftem Frieden wieder vereint zu sehen im guten Willen gegen jedermann."

(Quelle: Bulletin der Bundesregierung 1963, Nr. 110)

Quelle: WDR

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