Historisch kostümierte Leute am Strand, in der Mitte eine lockige blonde Dame, die mit dem Opernglas entrüstet ein Geschehen in der Ferne verfolgt.

Thomas Mann

Verfilmungen von Thomas Manns Werken

Viele Werke von Thomas Mann wurden bereits verfilmt, manche davon sogar mehrfach. Eine Auswahl wichtiger Mann-Filme.

Von Kerstin Hilt

In Thomas Manns Roman "Der Zauberberg" wird das Kino mehr oder minder als größter Stumpfsinn unter der Sonne angeprangert. Doch Thomas Mann war kein Kino-Hasser. Nur den Verfilmungen der eigenen Werke begegnete er meist mit Skepsis.

"Der Tod in Venedig" (1971)

Die erste Einstellung des Films "Der Tod in Venedig" vermittelt eine Ruhe, als bleibe der Hauptperson noch alle Zeit der Welt. Langsam löst sich ein Schiff aus blau-schwarzer Ferne und treibt auf die verwunschene Silhouette von Venedig zu.

Dabei ist Gustav von Aschenbach, Passagier des Schiffs und Held des Films, zum Sterben nach Venedig gekommen – freilich ohne es selbst zu wissen. Ausspannen will der berühmte Komponist, seiner Schaffenskrise entkommen, neue Kraft schöpfen.

In der Halle seines Hotels bleibt sein Blick an dem schönen Knaben Tadzio hängen. Engelsgleich, mit blonden Locken und scheuer Miene, verzaubert Tadzio Aschenbach mit seiner bloßen Anwesenheit. Selbst als in der Stadt die Cholera ausbricht, kann er sich nicht aus dem Bann des Jungen lösen – er folgt ihm ein letztes Mal an den Strand und bricht dort tot zusammen.

Luchino Visconti, einem der ganz Großen unter den italienischen Regisseuren, gelang mit "Tod in Venedig" eine Seltenheit: eine Literaturverfilmung, die mit einem Minimum an Text auskommt.

02. 11. 1906 – Geburtstag des Regisseurs Luchino Visconti

WDR ZeitZeichen 02.11.2006 13:32 Min. Verfügbar bis 02.11.2090 WDR 5


Was Thomas Mann in seiner Novelle so treffend und wortreich beschreibt – Aschenbachs Weltekel, seine Unfähigkeit, dem Leben anders gegenüberzutreten als in der distanzierten Rolle des Zuschauers –, übersetzt Visconti in genau komponierte Bildsequenzen voller Symbolik. Die Menschen bewegen sich in seinem Film wie unter Glas: alle ein bisschen gebremst, alle halb gelähmt – so träge, wie auch Aschenbachs umschatteter Blick in die Welt schaut.

In einem Punkt weicht Visconti allerdings von Thomas Manns Vorlage ab: Aschenbach ist Komponist, nicht Schriftsteller. Das begründete Visconti ebenso eigenwillig wie schlüssig: Thomas Mann habe ihm bei einem Treffen kurz vor seinem Tod gestanden, dass er eigentlich den Komponisten Gustav Mahler habe porträtieren wollen, wegen des möglichen Skandals das aber letztlich verworfen habe.

Ob das nun stimmt oder nicht – Viscontis Lesart hat jedenfalls ihren ganz eigenen Charme: Hat sie ihn doch dazu inspiriert, für seinen Film die fast überirdisch schöne 5. Sinfonie Mahlers zu verwenden. Eine Literaturverfilmung, die es schafft, den Zauber des Originals zu wahren – gerade weil sie sich ganz auf die Mittel des Films verlässt.

Schwarzweiß-Foto: Venezianischer Seitenkanal, links und rechts schmucklose Häuser

So sah Venedig zu Thomas Manns Zeiten aus

"Mario und der Zauberer" (1994)

Für seine Premiere als Filmregisseur nahm sich Klaus Maria Brandauer die wohl politischste Erzählung von Thomas Mann vor.

Dabei beginnt sie eher wie eine unbeschwerte Feriengeschichte: Ende der 1920er-Jahre trifft der deutsche Schriftsteller Fuhrmann mit seiner Familie im italienischen Seebad Torre di Venere ein – man war schon öfter hier und freut sich auf ein paar erholsame Wochen.

Bald jedoch werden sie als Ausländer benachteiligt und geschnitten: Der Oberkellner ignoriert die Fuhrmanns, wenig später müssen sie unter Vorwänden in ein schlechteres Zimmer umziehen.

Schon zu Thomas Manns Zeiten las man die Erzählung als einen Kommentar zum heraufdämmernden Faschismus. Die weitere Handlung bestätigt das: Bei einer abendlichen Vorstellung des Zauberers Cipolla, der Menschen hypnotisiert und sie so willenlos macht, kommt es zur Katastrophe. Eine Parabel auf die Verführbarkeit der Massen.

Die Beklemmung, die einen dabei beschleicht, kann man beim Zuschauen fast körperlich spüren. Das ist vor allem das Verdienst von Klaus Maria Brandauer. Er führt nicht nur Regie, sondern spielt auch den Zauberer Cipolla – und das auf seine unnachahmliche Weise: sehr eindringlich, nicht mit großer Geste, dafür mit ungeheurer Präsenz.

Da ist es dann auch zu verschmerzen, dass der Rest des Films eher konventionell daherkommt: Routiniert ausgestattet und gedreht, bleibt er ein Kinoerlebnis ohne wirkliche Überraschungen. Ein Film, der sich wegen des Schauspielers Brandauer lohnt – nicht wegen des Regisseurs.

Porträt von Klaus-Maria Brandauer

Klaus-Maria Brandauer inszenierte "Mario und der Zauberer"

"Buddenbrooks – ein Geschäft von einiger Größe" (2008)

Anders als bei den anderen beiden Filmen hat man es bei den "Buddenbrooks" nicht mit einer überschaubaren Vorlage in Novellenlänge zu tun, sondern mit einer Handlung, die sich über mehr als 40 Jahre erstreckt.

Die ehrwürdige Patrizierfamilie Buddenbrook geht an der eigenen Feinsinnigkeit zugrunde: Zunehmend fasziniert von Kunst, Musik und tiefsinnigen Gedanken, kommt ihr der Geschäftsinstinkt abhanden. Am Ende muss sie bedenkenlosen Aufsteigern Platz machen.

Trotzdem scheint die Länge des 1000-Seiten-Romans keineswegs abzuschrecken: Bereits 24 Regisseure haben sich an dem Stoff versucht. Die insgesamt vier deutschen Umsetzungen könnten dabei unterschiedlicher nicht sein. 1923, noch zu Stummfilmzeiten, wird die Handlung in die Gegenwart verlegt und glänzt sogar mit einem Happy End.

Die Fassung von 1959 weidet sich vor allem an üppigen Dekors und teuren Kostümen – in Wirtschaftswunderzeiten passt die Verfallsgeschichte einfach nicht ins Bild.

Szene aus dem Film "Die Buddenbrooks" von 1959

Der Film von 1959 fällt durch seine üppige Ausstattung auf

1979 schließlich wagte sich der Hessische Rundfunk an eine elfteilige TV-Serie. Die bisher werkgetreueste Umsetzung wurde von der Kritik zwar als sterbenslangweilig gescholten, fuhr aber überraschend gute Quoten ein.

Für die vierte deutsche Verfilmung verpflichtete Regisseur Heinrich Breloer 2008 den Kameramann Gernot Roll. Roll hatte bereits an der Buddenbrooks-Serie von 1979 mitgearbeitet, nur machte er beim zweiten Mal – und das ist das große Glück des Films – alles anders. Damals ging es eher statisch zu: Die Szenen glichen sorgsam eingerichteten Gemälden. Die Kamera filmte alles brav ab und blieb damit gleichsam außen vor.

In der Verfilmung von 2008 ist sie mittendrin und macht so den Zuschauer zum Teil des Geschehens – etwa in der Szene, in der Konsul Jean Buddenbrook bei einem Streit mit seinem Schwiegersohn Bendix Grünlich einsehen muss, dass er seine Tochter Tony an einen Betrüger verheiratet hat.

Im Moment von Jeans Erkenntnis fährt die Kamera blitzschnell an die Warze auf Grünlichs Oberlippe heran – jene Warze, die Tony immer schon als Grund für ihre tiefe Abneigung gegenüber Grünlich ins Feld geführt hat. In diesem Moment wird das kleine Detail auch für Jean zum Symbol für die Verworfenheit seines Schwiegersohns.

Regisseur Heinrich Breloer mit kostümierten Schauspielern am Filmset.

"Ein Geschäft von einiger Größe": Breloer am Set

Solch wunderbare Szenen gibt es viele in dem Film. Ihm fehlt aber die Ruhe, sich wirklich auf Handlung und Charaktere einzulassen. Manche Dialoge verlangen geradezu nach ein bisschen Bedenkzeit – zum Beispiel, als der junge Thomas seine Lehrjahre in Amsterdam verbringt:

Van Kellen: "Sie werden sehen: je größer der Markt, desto größer die Chancen. Das Geld will sich vermehren!"
Thomas: "Wie Sie das sagen. Als ob es lebendig wär', das Geld!"

Aber der Film hetzt weiter von Szene zu Szene, ein bisschen auch in dem verzweifelten Versuch gefangen, möglichst nah an der Romanvorlage zu bleiben und ja nichts auszulassen. Gerne hätte man ihm da so viel Sendezeit gewünscht wie der Serie von 1979.

(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 07.04.2020)

Quelle: WDR

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