Eine ältere Frau hält lächelnd einen Bund Karotten in die Kamera.

Landwirtschaft

Landleben

Die Sehnsucht nach dem Land ist heute groß – Reportagen schwelgen in Bauernhof-Nostalgie, Landleben-Zeitschriften finden reißenden Absatz. Nur das Land und die Dörfer merken wenig davon. Existiert die Lust aufs Land nur in den Köpfen?

Von Martina Frietsch

Wohnen zwischen Stadt und Land

Landei, Hinterwäldler – das war gestern. Das ländliche Deutschland ist "in". Bei Normalbürgern, bei Promis, bei Zeitschriften, Buchverlagen und auch im Fernsehen. Mehrere Befragungen in den vergangenen Jahren ergaben, dass die große Mehrheit der Deutschen das Landleben für gesünder hält als das Stadtleben.

Gut die Hälfte würde gern im Grünen wohnen, abseits der städtischen Hektik. Doch der Ansturm auf die Dörfer bleibt aus.

Die Wanderungsbewegung läuft umgekehrt: Die Zahl derjenigen, die auf dem Land leben, nimmt kontinuierlich ab. 1994 waren es laut Statistischem Bundesamt noch 18,7 Prozent, 2003 nur noch 15,4 Prozent – insgesamt 12,7 Millionen. Alle anderen bevorzugen städtische oder halbstädtische Gebiete.

Die Gewinner der Sehnsucht nach dem Land sind allenfalls die Speckgürtel der Städte, wo die Vorzüge der städtischen Infrastruktur und der ländlichen Idylle aufeinandertreffen. Besonders die jungen Familien zieht es an den Rand der Städte, wo das Wohnen noch etwas günstiger und das Leben ruhiger ist.

Und draußen stirbt das Dorf

Vor allem die Jungen verlassen die Dörfer. In Orten, die ihnen keine Arbeitsplätze, keine Einkaufs- und nur wenig Freizeitmöglichkeiten bieten, bleiben die Wenigsten. Deutschlands Dörfer überaltern, manche stehen bereits ganz leer. Doch es ist nicht nur die Jugend, die dem Land den Rücken kehrt. Auch für ältere Menschen werden die Städte dank ihrer besseren Infrastruktur attraktiv.

40 Prozent der über 65-Jährigen glauben, in der Stadt besser aufgehoben zu sein, ergab eine Umfrage von Immowelt. Kaum verwunderlich, fehlen doch schon in vielen Dörfern Einkaufsmöglichkeiten, Arzt, Post, Bank, Pfarrer und vor allem das traditionelle Dorfleben.

Blick auf einen geschlossenen Laden über dessen Eingangstür ein Schriftzug 'Der Dorfladen' prangt.

Viele Geschäfte müssen schließen

Kuchen, Brot und Bastelarbeiten

Der Traum vom Land scheint für die meisten eher ein Traum zu bleiben, der anderweitig ausgelebt wird – zum Beispiel über die Medien. Als die Zeitschrift "Landlust" 2005 zum ersten Mal erschien, traf sie offensichtlich den Nerv der Zeit: Binnen kürzester Zeit entpuppte sich das Hochglanz-Magazin als Verkaufsschlager.

Die Konkurrenz schlief nicht und zog mit zahlreichen Titeln nach: "Landleben", "Mein schönes Land", "Landliebe", "Land-Idee", "Liebes Land", "Country", "Meine Landküche" – der Markt boomt.

Doch wer nun glaubt, wertvolle Tipps für sein künftiges Leben als Landmensch zu erhalten, für Tierhaltung, Gemüsezucht und mehr, der irrt. Zeitschriften, die sich solcher Themen annehmen, erscheinen mitunter im gleichen Verlag und können von den Auflagen der anderen nur träumen.

Eher schon kümmern sich die neuen Landleben-Magazine um das Wohlergehen nach Feierabend – Leben und Genießen im ländlichen Stil eben. Selbst gebackenes Brot, Kuchenrezepte, Bastel-, Deko- und Einrichtungstipps, dazwischen auch mal Tipps für die Pflege des Gartens.

Auch der Buchmarkt entdeckt das Marktsegment. Deutsche Autoren scheint es derzeit in Scharen aufs Land zu ziehen – logische Folge sind zahlreiche Bücher über den Selbstversuch: "Landlust", "Landfrust", "Hollerbusch statt Hindukusch", "Schöner Mist", "Landleben", "Die kleine Aussteigerfibel“ und viele mehr.

Die einen schwärmen von der neu entdeckten Lebensqualität, die anderen nehmen – mitunter sehr humorvoll – die Tücken des Landlebens aufs Korn.

Nix wie weg?

Gegen den allgemeinen Trend zieht es jedoch jedes Jahr Städter aus unterschiedlichsten Gründen aufs Land. Günstiger Wohnraum, gesundes Leben, weniger Kriminalität gehören zu den Gründen. Viele suchen nach der Hektik der Stadt und der Arbeit eine Nische, in der sie ruhiger, langsamer und vor allem selbstbestimmter leben können.

Menschen, die nie etwas mit dem Dorf zu tun hatten und dennoch dort ihr Glück finden – sie sind die viel beachteten Fälle, die den Eindruck vermitteln, in Deutschland gehe der Trend in Richtung Land.

Zumindest vereinzelt profitieren die Dörfer von der Veränderungslust, denn diejenigen, die sich fernab der Stadt neu niederlassen, lassen sich ganz auf das Landleben ein. Anstatt mit einem Bein in der Stadt zu bleiben, geben viele ihr bisheriges Leben und ihre Jobs auf, um sich Landwirtschaft, Fremdenverkehr oder der liebevollen Restaurierung alter Gebäude zu widmen.

Eine älteres Paar steht mit mehreren Blechen Flammkuchen vor einem Backhäuschen.

Sich ganz auf das Landleben einlassen

Prominenz im Kuhstall

Das Landleben ist toll – finden auch immer wieder Prominente, die zu bekennenden "Landeiern" werden. Dieter Moor stapfte jahrelang in Gummistiefeln durch den Kuhstall, wenn er nicht gerade im Fernsehen zu sehen ist. Zusammen mit seiner Frau betrieb er bis 2017 in einem kleinen Dorf nordöstlich von Berlin einen Öko-Bauernhof.

Auch TV-Kommissar Andreas Hoppe ackert zwischen Tatort-Drehs auf seinem Hof. Schauspielerin Corinna Harfouch zieht das Landleben dem pulsierenden Berlin allemal vor.

Eisschnelläuferin Anni Friesinger lebt zusammen mit ihrem Mann auf einem völlig abgelegenen Gehöft. Und Schauspielerin Nadeshda Brennecke ist dann glücklich, wenn sie auf ihrem Hof im Oderbruch werkelt.

Im Gegensatz zu den wirklichen Aussteigern ist ihnen jedoch eines gemeinsam: Die Lust aufs Land wird erst ausgelebt, wenn der Job es erlaubt, wenn die Dreharbeiten beendet sind und im Studio das Licht ausgeht.

Quelle: SWR | Stand: 18.03.2020, 16:39 Uhr

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