Die Fächer eines Setzkastens, gefüllt mit Gewürzen

Lebensmittel

Gewürze

Gewürze machen unser Essen schmackhafter. Schon die Steinzeitmenschen verfeinerten ihre Nahrung mit frischen und getrockneten Pflanzen aus Wald und Feld. In der Antike begann dann der Handel mit Gewürzen aus entfernteren Regionen der Erde.

Von Gregor Delvaux de Fenffe und Laura Niebling

Breite Palette der Gewürze

Ursprünglich verstand man unter Gewürzen die naturbelassenen Teile einer Pflanzenart, die wegen ihres besonderen Aromas als geschmacksverbessernde Beigabe zum Essen verwendet werden.

Gewürze können aus Wurzeln, Zwiebeln, Rinden, Blättern, Kräutern, Blüten, Früchten oder Samen gewonnen werden. Aber eine einheitliche Definition von Gewürzen ist kaum zu formulieren.

So sind etwa die Grenzen zwischen Gewürzen und Küchenkräutern fließend. Gewürze können auch mineralisch sein (Salz) oder sogar proteinhaltig (Insekten). Das Wissen um Gewürze und die Nutzung der Geschmacksspender ist eine rein menschliche Kulturleistung. Tiere kennen keine Geschmacksverfeinerung durch Gewürze.

Der Geschmackssinn

Wie alle Säugetiere riecht der Mensch mit der Nase und schmeckt mit dem Mund. Die Verarbeitung der Geschmackssignale erfolgt über die Zunge. Auf dem Zungenrücken verfügen wir über Geschmackszellen, die sogenannten Papillen.

Die Papillen wiederum haben mehrere Tausend Geschmacksknospen, die die Speise auf ihr Aroma hin analysieren und die Geschmacksignale an das Gehirn weiterleiten.

Der Mensch nimmt grundsätzlich vier Geschmacksrichtungen über die Zunge wahr: süß, salzig, sauer und bitter. Dabei hat die Natur dafür gesorgt, dass die Geschmacksknospen, die uns Bitterkeit signalisieren rund 10.000-mal empfindlicher sind als diejenigen, die für die Geschmacksrichtung "süß" zuständig sind.

Das macht Sinn: Auf diese Weise können wir nämlich giftige oder ungenießbare Substanzen schnell wahrnehmen und ausspucken, sie enthalten meistens Bitterstoffe.

Unterschiedlich große, orange-rote Kürbisse auf einem Haufen.

Wenn Kürbisse oder Zucchini bitter schmecken, ist Vorsicht geboten

Verfeinerung der Küche

Geschmack ist eine Frage der Erfahrung. Schon in der Kindheit werden Geschmackspräferenzen geprägt. Die Geschmacksverfeinerung von Speisen, das Würzen, muss wie das Kochen erlernt werden. Warum würzen wir unsere Bratwurst mit Currypulver, warum essen wir sie mit Senf oder Ketchup?

Weshalb schmecken uns Salz und Pfeffer, Thymian und Rosmarin an Fleischgerichten, warum färben wir unser Risotto mit Safran ein und weshalb gehört an Bratäpfel Zimt?

Gewürze verwöhnen den Gaumen, erregen die Sinne, verfeinern unsere Speisen und dadurch unser Leben. Der "richtige" Gebrauch und Einsatz von Gewürzen unterliegt auch gesellschaftlichen Konventionen. Doch die Frage der Kombination und Dosierung der Spezereien bleibt individuelle Ermessenssache – Geschmäcker sind eben verschieden.

Verschiedene Gewürze auf Holzlöffeln.

Kombination und Dosierung sind individuell

In Zeiten des materiellen Überflusses ist unser Gaumen verwöhnt. Seit langem spielen Gewürze bei unseren Essgewohnheiten eine entscheidende Rolle und wir sind mit einer Vielzahl fremdländischer Küchen und Gewürze vertraut. Beim Griechen schmeckt es anders als beim Italiener, die chinesische Küche kennt andere Aromen als die indische.

Wir unterscheiden zwischen Fastfood, Slowfood und Gourmetküche – nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen, charakteristischen Verfeinerungen der zubereiteten Speisen.

Gewürze sind heute buchstäblich in aller Munde. Längst kann jeder heute im Supermarkt um die Ecke schon für wenig Geld die exotischsten Gewürze erwerben, und im Asiashop gibt es Wurzeln und Spezereien, deren Namen wir kaum kennen, deren Aromen uns aber vertraut sind.

Das war früher nicht so. Jahrhundertelang waren Gewürze sehr kostbare Beigaben. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg konsumierte der normale deutsche Bürger höchstens Salz und Pfeffer und einheimische Gewürze.

Erst der zunehmende Wohlstand der Wirtschaftswunderzeit und ein flächendeckendes Transportwesen ermöglichten den breiten Einzug exotischer Gewürze in die heimischen Küchen.

Gewürze in einem Supermarkt.

In aller Munde – und im Supermarkt

Bewegte Kulturgeschichte

Bis etwa Currypulver den Weg in die deutschen Küchen fand, war es ein langer Weg. Kulturgeschichtlich gesehen gelten vor allem exotische Würzpflanzen, die in europäischen Gefilden aufgrund der Klima- und Bodenverhältnisse nicht kultiviert werden konnten, als Gewürze.

Die Geschichte der kulinarischen Feinheiten beginnt für Europa deshalb häufig fälschlicherweise erst im Mittelalter, da ab dann Gewürze auf sehr risikoreichen Handelsrouten aus dem Fernen Osten oder Westindien über Seerouten beziehungsweise die zentralasiatischen Handelsrouten in den europäischen Kulturkreis importiert wurden.

Tatsächlich beginnt die Geschichte des Würzens in Europa allerdings bereits in der Steinzeit. Im Neolithikum, der Jungsteinzeit, kamen Ackerbau und Viehzucht auf. Funde belegen, dass hier bereits mit regionalen Gewürzen wie wildem Kümmel gewürzt wurde.

Auch die Kelten bedienten sich der entstandenen Gewürztraditionen. Die ersten ausländischen Gewürze kamen im Zuge der größten kulturellen Invasion Nordeuropas ins Gebiet der Germanen. Die Römer brachten neben ihrer Architektur eine Vielzahl von Gewürzmitteln und Rezepten aus den eroberten Provinzen mit.

Denn im alten China und in Ägypten waren die aromatischen und medizinischen Wirkungen der Gewürze ebenfalls schon lange bekannt. In Ägypten wurden Gewürze sogar bei der Einbalsamierung und Mumifizierung verwendet.

Über viele Jahrhunderte hinweg war der Handel mit den wertvollen Handelsgütern fest in arabischer Hand und wurde über uralte Gewürzrouten und Karawanenstraßen abgewickelt.

Kamele in einer Wüsten-Karawane mit Gepäck auf dem Rücken.

Lange Zeit waren Karawanen der Weg zu den Gewürzen

Erst in der frühen Neuzeit drangen dann die Europäer mit aller Macht auf den Gewürzmarkt. Sie führten grausame, erbitterte Kriege um die exotischen Handelsgüter, die bis dahin wenigen vorbehalten waren.

Doch auch abseits der kriegerischen Auseinandersetzungen haben Gewürze eine bewegte Geschichte: Sie waren der Anlass für viele Entdeckungsreisen. Auch Christoph Kolumbus suchte eigentlich nach den sagenumwobenen Gewürzinseln – und entdeckte statt dessen Amerika.

Erst Vasco da Gama fand im Jahre 1498 den begehrten Seeweg nach Indien und kehrte von seiner Expedition reich beladen mit Gewürzen zurück. Der Seeweg sicherte den Portugiesen für rund 100 Jahre den uneingeschränkten Zugang zum lukrativen Gewürzhandel. Erst danach drängten auch Spanier, Holländer und Engländer ins Geschäft.

Begehrte Luxuswaren

Exotische Gewürze wie Pfeffer, Gewürznelke, Muskatnuss, Zimt, Vanille stammen ursprünglich meist aus den tropischen Gebieten Asiens und Amerikas. In der Hochzeit des portugiesischen Gewürzhandels führte die Sammelroute deshalb von Lissabon, um das Kap der Guten Hoffnung nach Ostafrika und über das Arabische Meer bis hin an die Malabarküste im Westen Indiens.

Von dort aus ging es weiter um Indien und Ceylon herum (das heutige Sri Lanka), über den Golf von Bengalen bis hin zu den legendären indonesischen Gewürzinseln, den Molukken.

Gewürze aus Asien waren ein exotisches Luxusgut, für das man im mittelalterlichen Deutschland horrende Preise bezahlte. Sie waren Statussymbole, Zeichen des Wohlstandes. Wer es sich leisten konnte, konsumierte Gewürze in rauen Mengen.

Auf diese Weise bewies man, dass man zu den besseren Kreisen gehörte, denn Reichtum dokumentierte sich damals auch über den Verzehr von Gewürzen. Nach heutigen Maßstäben war der Gewürzeinsatz früher geradezu exzessiv. Nicht zuletzt, weil ungenießbare, teils auch schon verdorbene Speisen sich durch würzige Aromen übertünchen ließen.

Gewürze dienten aber auch der Konservierung, ein Grund für die Erfindung der Curry-Gewürzmischungen in Indien. In den betuchteren Kreisen Europas gelten Gewürze seit den Gewürz-Exzessen des Mittelalters als wichtige Importware – ein Trend, der sich bis heute fortsetzt.

Gelbes Curry aus Thailand mit Reis

Curry – vom Konservierungsmittel zum Exportschlager

In Deutschlands ärmeren Küchen waren dagegen vor allem lange die Gewürze heimisch, die man heute noch aus Klostergärten kennt. So enthielten deutsche Speisen im Mittelalter beispielsweise Koriander, vielleicht noch Lorbeer, typischerweise aber Kümmel oder Majoran.

Heute sind die meisten Gewürze für alle Bürger der Industrienationen zugänglich. Die Exklusivität wird allerdings, wie im Mittelalter, über Preis und Menge bestimmt. So gilt seit längerem – aufgrund des Aufwands, der zu seiner Herstellung notwendig ist – Safran als das teuerste Gewürz der Welt. Ein Kilogramm echter Safranfäden ohne Zusatzstoffe kostet mehrere tausend Euro.

Quelle: SWR/WDR | Stand: 12.04.2021, 12:41 Uhr

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