Lebensmittel

Zucker

Jahrtausendelang wurde Zucker aus Zuckerrohr hergestellt. Vor rund 200 Jahren kam dann die Zuckerrübe ins Spiel. Damals war Zucker selten und teuer und wurde in Gold aufgewogen. Später wurde er zu einem der ersten industriell hergestellten Welthandelsgüter.

Von Melanie Jost

Frühgeschichte

Die ursprüngliche Heimat des Zuckerrohrs liegt in der pazifischen Inselwelt Melanesiens. Schon vor mehr als 10.000 Jahren nahmen die Bewohner der kleinen Inseln die Pflanze mit auf Reisen. Von dort aus gelangte das Zuckerrohr nach Neuguinea, auf die Philippinen, nach Indien und Persien.

Die Perser entwickelten um 600 nach Christus eine interessante Methode der Zuckergewinnung: Sie gaben den heißen Zuckerrohrsaft in ein umgedrehtes, kegelförmiges Gefäß mit einem Loch in der Spitze. Durch diese Spitze lief der nicht zuckerhaltige Sirup ab, während im Kegel der Zucker auskristallisierte.

Nun drehte man den Kegel um, aus dem ein Zuckerhut herausfiel. So entstand die typische Form des Zuckerhuts, die bis heute erhalten ist.

In der Folgezeit breitete sich das Zuckerrohr mit den arabischen Eroberern aus. Schon um 800 nach Christus wurde Zuckerrohr in den von den Arabern eroberten Gebieten auf Sizilien, Malta oder in Spanien angebaut.

Mit den Kreuzrittern, die im 11. Jahrhundert aus dem Nahen Osten zurückkehrten, wurde Zucker auch in Mittel- und Nordeuropa bekannt, wo er sich bei Königen und Fürsten schnell großer Beliebtheit erfreute.

Das Zuckerrohr in Lateinamerika

Schon bei seiner zweiten Amerika-Reise von 1493 bis 1496 brachte Christoph Kolumbus das Zuckerrohr in die Karibik mit. Er wusste, dass die klimatischen Bedingungen dort für den Zuckerrohranbau nahezu perfekt sind.

Schnell lief das Geschäft mit dem "süßen Gold" an. So schnell, dass bereits ab 1503 auch Sklaven zur Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen nach Lateinamerika verschleppt wurden, um die europäische Nachfrage befriedigen zu können.

Unter der Führung Großbritanniens – neben Spanien und Portugal die dritte große Kolonialmacht in Amerika – entwickelte sich zwischen 1600 und 1700 der berüchtigte transatlantische Dreieckshandel. Von Lateinamerika aus wurden vor allem Zucker, Tabak und Gold nach Europa verschifft. In Europa wurden diese Waren entladen und mit gutem Gewinn verkauft.

Dann wurden auf die gleichen Schiffe Waren für den afrikanischen Kontinent geladen, vor allem Waffen, Branntwein und Baumwollstoffe, und an die westafrikanische Küste geschickt. Nach dem Entladen und Verkaufen dieser Waren an die afrikanischen Herrscher belud man dort die Schiffe schließlich mit Sklaven.

Ein großer Teil der Sklaven starb auf der Reise über den Atlantischen Ozean. Trotzdem lohnten sich die Transporte für die Händler. Die überlebenden Sklaven wurden mit gutem Gewinn an die Plantagenbesitzer verkauft. Ein unmenschlicher Handel mit großen Gewinnmargen und voller Ausnutzung der Transportwege.

Schwarzweiß-Stich: Hunderte Sklaven dicht zusammengedrängt an Deck eines Schiffes.

Unmenschliche Bedingungen auf den Sklavenschiffen

Harter Alltag auf den Plantagen

Die Arbeitszeiten der Sklaven betrugen bis zu 18 Stunden täglich. Die Verpflegung ließ zu wünschen übrig und viele Sklaven starben in den ersten Monaten nach der Ankunft an Unterernährung oder Mangelerscheinungen. Für die Plantagenbesitzer ein reines Rechenexempel: Eine gute Verpflegung für die Arbeiter war teurer, als regelmäßig neue Sklaven zu kaufen.

Den Zuckerkonsumenten in Europa war das egal. Durch die billige Herstellung fiel der Zuckerpreis, der Zucker konnte das traditionelle Süßungsmittel Honig aus der Küche verdrängen.

So wurde der Zuckermarkt immer größer und profitabler – mit den neuen, ebenfalls aus den Kolonien stammenden Heißgetränken Tee, Kaffee und Kakao, die mit Zucker gesüßt werden mussten, und mit immer neuen kulinarischen Erfindungen wie kandierten Früchten, Marzipan, Limonade, Likör, Pralinés oder Speiseeis. Die Zukunft des Zuckers aus Zuckerrohr schien gesichert.

Zuckerrohrernte in Südamerika, Farblithographie um 1880.

Sklaven bei der Zuckerrohrernte

Die Zuckerrübe kommt

1747 entdeckte der deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, dass die Runkelrübe, von der man zu dieser Zeit vor allem die Blätter verzehrte, den gleichen Zucker enthält wie das Zuckerrohr. Allerdings war der Zuckergehalt der Runkelrübe zu gering, um daraus Zucker herstellen zu können.

Sein Schüler Franz Carl Achard züchtete aus der Runkelrübe dann die Zuckerrübe. Nun lohnte sich auch die Zuckerherstellung aus der Rübe.

1802 entstand die erste Zuckerrübenfabrik im schlesischen Cunern. Aber noch wurde vor allem der aus Zuckerrohr gewonnene Zucker in Europa konsumiert. Das änderte sich erst mit der Blockade der englischen Handelswege durch Napoleon Bonaparte.

Schon 1806 gab es deshalb kaum mehr Zucker aus Zuckerrohr in den europäischen Handelshäusern. Deshalb ließ Napoleon weitere Zuckerrübenfabriken bauen und veranlasste den Anbau von Zuckerrüben im großen Stil. Die europäische Zuckerindustrie entstand.

Bis heute wird der Bedarf an Zucker in Europa vor allem aus Zuckerrüben gestillt.

Vorne ein Berg Zuckerrüben, hinten ein Mähdrescher

Die Zuckerrübe verdrängte das Zuckerrohr

(Erstveröffentlichung 2002. Letzte Aktualisierung 29.01.2021)

Quelle: WDR

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