Lisa Plenske (Alexandra Neldel) aus "Verliebt in Berlin".

Liebesgeschichten

Telenovelas

Die Telenovela ist die modernste Form der Liebesgeschichte? Nicht ganz: Ihre Ursprünge gehen weit zurück. Vor allem in Südamerika sind Telenovelas beliebt.

Von Johanna Rüschoff

Vom Radio ins Fernsehen

Lisa Plenske war ab 2005 die Hauptfigur von "Verliebt in Berlin", einer der ersten deutschen Telenovelas. Sie hat eine große Schwester im kolumbianischen Fernsehen: Betty, die Hässliche ("Betty, la Fea"). In Kolumbien sorgte sie zwischen 1999 und 2001 mit der ersten humoristischen Telenovela für extrem hohe Einschaltquoten. Und auch Betty hat zahlreiche Vorgängerinnen.

Wer das erste Vorbild für die späteren Telenovela-Protagonistinnen war, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. Sicher ist nur, dass es sich um die weibliche Hauptfigur in einem Liebesroman gehandelt hat.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts soll es im vorrevolutionären Kuba üblich gewesen sein, dass den Arbeiterinnen in den Zigarrenfabriken bei der Arbeit aus einem Groschenroman vorgelesen wurde. Eine "Folge" dieser Geschichte war dementsprechend ungefähr so lang wie ein Arbeitstag.

Kubanische Arbeiterin in einer Zigarrenfabrik dreht Zigarren

Den Arbeiterinnen in Kuba wurden Romane vorgelesen

Als sich dann in den 1930er-Jahren das Radio in Kuba zum Massenmedium entwickelte, übernahm es schnell die Rolle der Vorleserinnen: Die erste Radionovela war erfunden. Bald wurden die Texte nicht mehr einfach vorgelesen, sondern mit verteilten Rollen von verschiedenen Sprechern inszeniert.

In den 1950er-Jahren entdeckten südamerikanische Fernsehproduzenten das Format für sich. Aus der kubanischen Radionovela wurde die Telenovela, zu deutsch: "Fernsehroman".

Telenovelas und Seifenopern

Das Prinzip blieb auch im Fernsehen das Gleiche. Meist verliebt sich eine junge Frau aus der Unterschicht in einen reichen Mann, für dessen Familienunternehmen sie niedere Arbeiten verrichtet. Die Hauptfigur hat mit intriganten weiblichen Figuren zu kämpfen und am Ende siegt natürlich die Liebe.

Telenovelas richten sich wie Seifenopern (Soap Operas, Soaps) vor allem an ein weibliches Publikum. Anders als die Soap hat die Telenovela aber eine festgelegte Folgenzahl und verfolgt nur einen Handlungsstrang.

In der Soap werden dagegen voneinander unabhängige Handlungen verfolgt – und zwar meist so lange, bis die Zuschauerzahlen sinken. Das führt dazu, dass Soaps teilweise jahrzehntelang produziert und ausgestrahlt werden. Die Seifenoper "Verbotene Liebe" startete zum Beispiel 1995 und endete erst 20 Jahre später.

Ansgar von Lahnstein (Wolfram Grandezka) und Tanja von Lahnstein (Miriam Lahnstein)

Die Soap "Verbotene Liebe" war von 1995 bis 2015 auf Sendung

Gemeinsam haben Telenovela und Soap, dass jede Folge mit einem dramatischen Ereignis endet, das den Zuschauer dazu animieren soll, beim nächsten Mal wieder einzuschalten. Ein besonderes Merkmal der Telenovela ist die Stimme aus dem "Off": Die Gedanken der Heldin werden so für den Zuschauer hörbar gemacht.

Eine Welle deutscher Telenovelas

Das Format der Telenovela blieb nicht lange auf das südamerikanische Fernsehen beschränkt. Bald wurde es nach Spanien und Portugal exportiert.

Und auch in Deutschland waren in den 1980er-Jahren brasilianische und mexikanische Telenovelas zu sehen. Die erfolgreichste unter ihnen war "Die Sklavin Isaura", die 1976 in Brasilien produziert wurde. Für das deutsche Fernsehen kürzte man die 100 Kapitel der Serie auf 40.

Als 2004 schließlich die erste deutsche Telenovela ausgestrahlt wurde, löste das eine regelrechte Welle aus. Nur wenige Monate nach "Bianca – Wege zum Glück" im ZDF startete 2005 "Verliebt in Berlin" auf Sat1 – beide Serien hatten gute Einschaltquoten. Es folgten immer mehr Telenovelas, sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im privaten Fernsehen.

Allein 2005 liefen vier neue Telenovelas an: Neben "Verliebt in Berlin" waren das "Sturm der Liebe" (ARD), "Wege zum Glück" (ZDF) und "Sophie – Braut wider Willen"(ARD). Im März 2007 startete die erste deutsche Radionovela mit dem Titel "Liebe im ersten Semester".

Hauptdarsteller der Serie "Sturm der Liebe"

"Sturm der Liebe" startete 2005 in der ARD

Thema der Serien ist immer die große Liebe und oft auch der soziale Aufstieg. In "Bianca – Wege zum Glück" wird die Hauptfigur Bianca, die gerade vier Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen hat, als Hausangestellte einer wohlhabenden Familie eingestellt.

Sie verliebt sich in den Sohn des Hauses, der allerdings mit einer anderen verlobt ist, die ein Kind erwartet. Dramatische Wendungen sind absehbar. Am Ende stehen eine Traumhochzeit und der soziale Aufstieg für Bianca.

Die Frau in der Telenovela – Aschenputtel oder Emanze?

Sowohl die südamerikanischen Vorgänger als auch die modernen deutschen Liebesschnulzen erschaffen kitschige Traumwelten. Trotzdem unterscheiden sich die Produktionen aus Südamerika von den deutschen.

Besonders die deutschen Produktionen stehen in der Kritik. Das liegt vor allem an dem Frauenbild, das sie vermitteln. Die Frauen der deutschen Telenovelas sind meist sanfte, verträumte Geschöpfe, die unerschütterlich an die große Liebe glauben. Sie suchen Schutz und Anleitung bei der männlichen Hauptfigur – entsprechen also ganz und gar nicht dem Bild einer modernen, emanzipierten Frau.

Die Rollenverteilung entspricht dem Klischee des starken Mannes auf der einen und der schönen, schutzbedürftigen Frau auf der anderen Seite. Die Probleme, die in dieser Traumwelt existieren, drehen sich meist um weibliche Intrigen und die eher kleinen Ungerechtigkeiten des Alltags.

Eine Frau in der Küche, daneben ein kleiner Junge in kurzen Hosen, alles im Stil der 1970er Jahre

Viele Telenovelas vermitteln ein traditionelles Frauenbild

Die mexikanischen und brasilianischen Vorgänger dagegen widmen sich auch gesellschaftskritischen Themen und haben traditionell einen großen Einfluss auf die Bevölkerung. Die Liebesgeschichte wird teilweise genutzt, um tiefer gehende Inhalte zu vermitteln, zum Beispiel um Gesundheitsaufklärung zu betreiben.

Anstatt mit intriganten Schwiegermüttern werden die weiblichen Heldinnen mit gesellschaftlichen Problemen wie Aids, Prostitution und Korruption konfrontiert. Natürlich schätzt auch das südamerikanische Publikum vor allem den Unterhaltungswert und auch in Südamerika ist die Telenovela nicht unumstritten.

Aber zitierte Klischees werden hier eher eingesetzt, um die Gesellschaft zu karikieren und ihr so einen Spiegel vorzuhalten. Und auch die Frauen sind oftmals starke Charaktere, die sich in einer männerdominierten Welt behaupten.

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 09.07.2019)

Quelle: WDR

Darstellung: