Ein älteres Paar eingefasst mit einem Herzen

Partnerschaft

Beziehungsmodelle damals und heute

Wir träumen vom perfekten Partner, mit dem wir unser ganzes Leben teilen wollen. Zweisamkeit in Glück und Harmonie. Doch Beziehungen funktionieren heute oft anders als früher.

Von Andrea Wengel

Von der "Kontinuitätsbiografie" zum "seriellen Beziehungsmuster"

Ein schöner Traum – in einer Zeit, in der die Scheidungsrate mit rund 200.000 Paaren jährlich so hoch ist wie nie. Unsere Anforderungen an eine Beziehung sind gestiegen und damit auch die Bereitschaft, sie zu beenden, wenn es nicht gut läuft.

In unseren Köpfen geistert immer noch die gleiche altmodische Beziehungsbiografie umher. Wir träumen alle von der Liebe fürs Leben, von dem Menschen, mit dem wir unser Leben teilen, "bis dass der Tod uns scheidet".

Doch trotz dieser Wünsche haben sich die Zeiten gewaltig geändert. Die sogenannte "Kontinuitätsbiografie" der Beziehungen hat sich zu einem "seriellen Beziehungsmuster" gewandelt.

Das zeigten auch die Zahlen einer Studie der Universität Hamburg von 2006: "Spätmoderne Beziehungswelten: Report über Partnerschaft und Sexualität in drei Generationen". Demnach hatten die heute 30-Jährigen schon deutlich mehr Beziehungen – und entsprechend auch mehr Trennungen – als 60-Jährige, obwohl letztere natürlich doppelt so alt sind.

Beziehungen sind anders geworden

Aber auch die Trennungen bei Paaren, die schon 25 Jahre und mehr zusammenleben, nehmen drastisch zu, weiß die Aachener Sexualtherapeutin Dr. Ulrike Brandenburg. Offenbar ist es heute schwieriger, eine langjährige Beziehung aufrechtzuerhalten. Viel beschrieben sind die Trends der Patchwork-Familien, Lebensabschnittsgefährten und Single-Gesellschaften.

Im Übrigen sprechen Wissenschaftler nicht mehr von "Singles", sondern von "Searchers" (zu deutsch: Suchenden), wenn sich die Personen in der partnerfreien Phase befinden. Denn das Singledasein erfahren gerade Jüngere nicht als bevorzugten Lebensstil, sondern als Zeit des Wartens auf die nächste Beziehung.

Vier junge Menschen, zwei Jungs, zwei Mädchen, springen mit Schwimmreifen in einen See. Sie haben der Kamera den Rücken zugewendet.

"Searchers" warten eigentlich nur auf die nächste Beziehung

Was ist passiert? Sind wir beziehungsmüde geworden oder gar beziehungsunfähiger als frühere Generationen? Stimmt es, dass wir "zu schnell das Handtuch werfen", wie es den Jüngeren oft vorgeworfen wird?

Auf gar keinen Fall, meint der Sexualforscher, Psychotherapeut und Sozialpsychologe Prof. Gunter Schmidt. Die hohe Beziehungsmobilität, wie wir sie heute erleben, habe nichts mit dem Verlust der Beziehungsfähigkeit und zu starker Individualisierung zu tun.

Beziehungen seien einfach anders geworden. Die Modelle hätten sich geändert, genau wie unser soziales Umfeld auch.

Abhängigkeit durch die traditionelle Rollenteilung

Gerade in den traditionellen Ehen benötigte man weniger Bindungsfähigkeit, um eine dauerhafte Beziehung führen zu können, galt doch die damals mächtige Institution der Ehe ohnehin als unauflösbar. Ihre symbolisch-religiöse Kraft garantierte den Zusammenhalt, eine Scheidung war in der sozialen Gemeinschaft geradezu undenkbar.

Dazu kommt, dass die Ehepartner eine ökonomische Einheit waren, die man so gut wie nicht auflösen konnte, weil Mann und Frau aufeinander angewiesen waren. Auch die traditionelle Rollenteilung bedeutete für ein Paar Abhängigkeit – der eine konnte nicht kochen und den Haushalt mit Kindern managen, dafür wusste der andere nicht, wie man das Geld verdienen sollte und hatte keine berufliche Ausbildung.

Alle diese äußeren Anker sind weggefallen. Es gab die sexuelle Revolution, die Emanzipation, das Aufbrechen der traditionellen Rollenverteilung und damit einen starken sozialen Wandel. Heute geht es in der Beziehung in erster Linie um die beiden Partner selbst.

Deshalb benötigen die Menschen heute, um dennoch eine Beziehung aufrechterhalten zu können, sehr viel mehr Beziehungsarbeit und -fähigkeit als früher. Das führt natürlich auch innerhalb der Partnerschaft zu deutlichen Veränderungen.

Der Erhalt einer Partnerschaft bedeutet viel Arbeit

Die traditionelle kontinuierliche Beziehungsbiografie wird immer seltener. Die Menschen früher hatten eine Hauptbiografie mit einem Partner: früh heiraten, Kinder kriegen und bis ins Alter zusammenbleiben. Heute haben wir eine starke Tendenz zu den sogenannten Kettenbiografien. Die Menschen haben in ihrem Leben drei und mehr relevante Beziehungen.

Ein junges Paar auf einer Mauer sitzt sich im Schneidersitz gegenüber und küsst sich.

Gefühle werden immer wichtiger für die Beziehung

Zur Wertvorstellung der langen Dauer einer Beziehung, die nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, kommt noch, dass wir uns heute für eine höhere Qualität in den Beziehungen entschieden haben.

Beziehungen beruhen nicht auf Materiellem, vielmehr auf Emotionen und Intimität. Man will einem Partner vertrauen, sich auf ihn verlassen, verstanden werden, Nähe, Geborgenheit und auch Sexualität erleben.

Das ist positiv, aber auch kompliziert, denn die Beziehungsqualität muss heute regelrecht mit der Beziehungsdauer konkurrieren. Stimmt die Qualität nicht mehr, dann hat auch die Dauer einer Beziehung ihren Wert verloren.

Jede Veränderung bringt eine neue Qualität in der Beziehung

Das bedeutet aber auch, dass wir heute in den Beziehungen besonders viel Bindungsfähigkeit benötigen, denn es ist viel Arbeit nötig, um die Partnerschaft zu erhalten. Wir brauchen persönliches Wachstum in einer Beziehung, was die Bindung auch mit dem Partner auf Dauer mobil macht und Veränderungen zulässt.

Jede Veränderung bedeutet immer eine neue Qualität für die Beziehung – aber auch die Möglichkeit zu merken, dass es vielleicht nicht mehr funktioniert.

Quelle: SWR | Stand: 09.07.2019, 09:34 Uhr

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