Paar streitet sich

Partnerschaft

Die "apokalyptischen Reiter" einer Beziehung

Auch die schönste Verliebtheit geht irgendwann vorbei. Danach heißt es für ein Paar, den Alltag miteinander zu verbringen. Und plötzlich ist sie da – ganz unbemerkt: die Routine.

Von Lothar Nickels

Routine erschwert den Alltag

Sie stellt jede Beziehung auf eine harte Probe: die Macken und Schwächen des anderen täglich zu akzeptieren, auch wenn es manchmal schwerfällt. Und oft genug beginnen dann die Probleme in einer Beziehung.

Der US-Beziehungswissenschaftler John Gottman hat fünf kommunikative Verhaltensmuster einer Partnerschaft beschrieben. Er nennt sie die "apokalyptischen Reiter". Wenn sie am Firmament erscheinen, bedeutet das nicht gleich das Aus.

Trotzdem sollten beide Partner an ihrem Verhalten arbeiten, sonst stehen sie vermutlich schon bald vor den Trümmern ihrer einst glücklichen Zweisamkeit.

"Immer", "nie" oder "jedes Mal"

Den Begriff der apokalyptischen Reiter lehnte Gottman an die Bibel an: Dort kündigen sie in der Johannes-Offenbarung den nahenden Weltuntergang an. Gottmans Reiter dagegen lassen den Untergang einer Beziehung bedrohlich näherrücken.

Der erste Reiter heißt Kritik. Damit ist nicht gemeint, dass man einfach etwas formuliert, was einen am anderen stört. Es geht eher darum, dass zusätzlich etwas Negatives über die Persönlichkeit des anderen geäußert wird.

Beispielsweise wäre der Satz "Immer lässt du deine Sachen rumliegen – du bist wirklich ein echter Dreckhammel" nach Gottman ein direkter Angriff. Typisch dafür sind Worte wie "immer", "nie" oder "jedes Mal", die Vergangenheit und Zukunft gleich mit einschließen.

Auf den persönlichen Angriff folgt meistens postwendend eine Verteidigungsreaktion. Demnach ist Verteidigung für Gottman der zweite apokalyptische Reiter, der Unheil bringt. Dabei ist es ein natürlicher Reflex, sich verteidigen zu wollen. Schließlich will man sich nicht noch mehr verletzen lassen.

In manchen Momenten mag das vielleicht auch angebracht sein. Gottman hält das in der kommunikativen Auseinandersetzung von Paaren jedoch für sehr gefährlich. Indem der eine versucht, verteidigend seine Situation zu erklären, fühlt sich der andere in seiner (berechtigten) Kritik übergangen, weil auf seine Bedrüfnisse nicht entsprechend eingegangen wurde.

Der wahre Grund für die Verstimmung des Partners

"Ja, aber ich arbeite den ganzen Tag und habe nicht die Zeit, andauernd die Wohnung aufzuräumen." So die Wogen glätten zu wollen, ist ziemlich zwecklos. Äußerungen wie diese führen dazu, dass der Angesprochene denkt, sein persönliches Anliegen sei weniger wichtig.

Nach Gottman ist es deshalb besser, den Grund für die Verstimmung des Partners herauszufinden und ihm damit Verständnis für sein Verhalten beziehungsweise für seine Kritik entgegenzubringen.

In etwa: "Es trifft mich, dass Du mich Dreckhammel nennst. Es stimmt, ich räume abends nicht gerne auf, wenn ich müde bin. Aber warum stört Dich das eigentlich so?"

Ein unordentlicher Tisch, auf dem sich Bücher und Klamotten stapeln.

Häufig Aufhänger für einen Streit: Unordnung

Später, nachdem die Atmosphäre dann wieder entspannter ist, lässt sich deutlich leichter erklären, warum man sich so und nicht anders verhalten hat. Beide können dann überlegen, wie zukünftig das gemeinsame Alltagsleben reibungsloser funktionieren könnte.

Verachtung – Schwefelsäure der Liebe

Passiert das nicht, wird es ernst: Der dritte Reiter, genannt Verachtung, galoppiert heran. Gottman hält ihn für den gefährlichsten der fünf. Er geht sogar soweit und spricht von der Verachtung als der "Schwefelsäure der Liebe".

Ist man in seiner Beziehung hier angekommen, geht es nur noch darum, den anderen bewusst zu verletzen. Die Ursache sieht Gottman in den Problemen, die schon lange bestehen und nicht gelöst wurden: "Verachtung wird von lange schwelenden negativen Gedanken über den Partner genährt."

Wenn Verachtung in eine Beziehung Einzug gehalten hat, geht es ohnehin nicht mehr um das Lösen von Konflikten. Wunden werden nicht nur wissentlich aufgerissen, sondern es wird zusätzlich kräftig Salz hineingestreut. Das gibt der Verachtung ihr zersetzendes Potenzial.

Ein junges Paar liegt bäuchlings auf einem Bett. Beide drehen den Kopf vom anderen weg.

Demonstrative Gleichgültigkeit provoziert Frust und Zorn

Besonders zerstörerisch wird es, wenn einer der Partner intimes Wissen über den anderen als Waffe einsetzt. Ist diese Phase erreicht, hat sich die Abwärtsspirale schon sehr weit nach unten gedreht. Meistens gibt es kaum mehr einen Weg zurück und das Beste für beide wäre, sich zu trennen.

Kommt es nicht zu einer Trennung, wartet schon der vierte apokalyptische Reiter: Rückzug. Alternativ könnte man ihn auch "Mauern" nennen. Der Kritisierte zieht sich einfach zurück. Die Kritik bleibt unerwidert. Dieses Verhaltensmuster ist häufiger bei Männern als bei Frauen zu beobachten.

"Indem er sich von ihr abwendet, geht er einem Streit aus dem Weg, aber ebenso seiner Ehe", meint Gottman. Auf den ersten Blick wirkt das Mauern nicht so heftig wie ein Streit, bei dem so richtig die Fetzen fliegen. In Wirklichkeit aber ist es eine Demonstration der eigenen Gleichgültigkeit dem anderen gegenüber. Das provoziert natürlich Frust und Zorn, weil sich beim Gegenüber Hilflosigkeit breitmacht.

Der fünfte und finale Reiter, der auf das Ende einer Partnerschaft deutet, heißt Machtdemonstration. Gottman schickte ihn nachträglich ins Rennen, denn anfangs kam er bei seinen Überlegungen nur auf vier apokalyptische Reiter.

Aber die haben ohnehin schon ganze Arbeit geleistet, wenn der fünfte – die Machtdemonstration – das Schlachtfeld betritt. Das Interesse am Partner ist gänzlich gewichen. Die Zeit, als beide noch Rücksicht auf die Bedürfnisse des anderen nahmen, ist endgültig vorbei.

Quelle: SWR | Stand: 15.07.2020, 17:15 Uhr

Darstellung: