Nahaufnahme eines Vordrucks mit dem Titel "Patienten-Verfügung" und einer kleinen Rollstuhl-Figur darauf.

Gesundheitssystem

Selbstbestimmt sterben – worauf es bei der Patientenverfügung ankommt

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen schweren Unfall und fallen ins Koma. Oder Sie werden dement und können irgendwann nicht mehr alleine essen und trinken. Was sollen Ärzte und Pfleger dann mit Ihnen tun? Und was nicht?

Von Franziska Badenschier und Annika Erbach

Wie sichere ich mich für den Ernstfall ab?

Sie können schon jetzt festlegen, was in einer bestimmten Situation in der Zukunft, in der Sie sich selbst nicht mehr äußern können, medizinisch unternommen oder unterlassen werden soll oder wer für Sie dies entscheiden darf: mit einer Patientenverfügung, einer Vorsorgevollmacht oder einer Betreuungsverfügung. Aber wo liegt der Unterschied?

  1. Patientenverfügung: Die Patientenverfügung richtet sich an Ihre nahestehenden Verwandten und Ärzte. In ihr legen Sie im Voraus fest welche Behandlungen Sie wünschen, welche Sie nicht wünschen und wie das Vorgehen im Sterbeprozess sein soll.
  2. Vorsorgevollmacht: Wenn Sie hingegen nur jemanden festlegen möchten, der in Gesundheitsfragen für Sie entscheidet, dann reicht eine Vorsorgevollmacht. Bevollmächtigte können beispielweise nahestehende Verwandte und gute Freunde sein.
  3. Betreuungsverfügung: Wenn sie lieber einen Berufsbetreuuer für die Regelung ihrer Angelegenheiten einsetzen möchten, dann können Sie auch einen Betreuer festlegen, der in Ihrem Sinne für Sie entscheiden soll.

Wichtig ist, dass Sie Ihre Wünsche so konkret wie möglich formulieren. Für Aufsehen und Verunsicherung sorgte im Juli 2016 ein Beschluss des Bundesgerichtshofes. Der besagte, dass Formulierungen wie "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" nicht ausreichend und zu unpräzise seien.

Wie erstelle ich meine Patientenverfügung?

  1. Entscheiden Sie zunächst ob es eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung sein soll. Möchten Sie im Vorfeld schon Ihre Behandlungswünsche festlegen oder möchten Sie lieber eine Person Ihres Vertrauens bevollmächtigen, für Sie zu entscheiden?
  2. Auch als Laie müssen Sie für alle Fälle Ihre Wünsche so präzise formulieren, dass sie im Ernstfall von den Ärzten anerkannt werden. Deshalb ist es wichtig, dass Sie auf Situationen, die eintreten könnten, eingehen und mögliche medizinische Folgen und ihre Behandlungswünsche präzise formulieren.
  3. Sind Sie unsicher und möchten sich beraten lassen? Hilfe bietet Ihnen zum Beispiel die Bundeszentralstelle Patientenverfügung. Eine Beratung ist kostenlos. Auch Hospiz-Vereine und kirchliche Einrichtungen bieten häufig kostenfreie Beratungen an. Sie können sich aber auch von Ihrem behandelnden Arzt beraten lassen, mitunter zahlen diese Beratung die Krankenkassen. Auch Juristen bieten Beratungen an, diese ist allerdings mit Kosten verbunden.
  4. Ihre Erkrankung und ihre Wertvorstellungen, was die Behandlung angeht, sind immer individuell. Erstellen Sie deshalb Ihre eigene auf Sie abgestimmte Patientenverfügung und greifen Sie nicht auf Mustervorlagen zurück.
  5. Rechtsichere Textbausteine für die individuelle Patientenverfügung bietet das Bundesministerium für Justiz an. Die Broschüre wird ständig aktualisiert und an die aktuelle Rechtssprechung angepasst.
  6. Nutzen Sie die Ausfertigung einer Patientenverfügung auch dazu, Ihre Wertvorstellungen und religiösen Ansichten bezüglich Leben und Sterben aufzuschreiben. Damit geben Sie Ihrem behandelnden Arzt im Ernstfall eine Entscheidungshilfe an die Hand.
  7. Formal gilt: Sie müssen volljährig und voll entscheidungsfähig sein. Die Verfügung muss schriftlich vorliegen, ob handschriftlich oder am Computer geschrieben, spielt dabei keine Rolle. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie Ihre Patientenverfügung. Ein Zeuge kann hilfreich sein um mit seiner Unterschrift zu bestätigen, dass Sie im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte sind. Das macht vor allem Sinn, wenn Sie bereits erkrankt sind.
  8. Ihre Patientenverfügung muss im Ernstfall schnell gefunden werden. Deshalb ist es ratsam, dass Sie Ihrem behandelnden Arzt oder eine Person Ihres Vertrauens ein Exemplar geben.
  9. Ihre Patientenverfügung behält auch nach Jahren noch Ihre Gültigkeit. Aber: Denken Sie daran, Ihre Patientenverfügung regelmäßig zu aktualisieren. Haben sich Ihre Ansichten oder Ihr Gesundheitszustand vielleicht geändert?
  10. Sie können Ihre Patientenverfügung jeder Zeit wieder zurückrufen.

Woher bekomme ich einen Vordruck für die Patientenverfügung?

Patientenverfügungen sind immer individuell auf die Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt. Es gibt nicht die eine Patientenverfügung. Deswegen gibt es auch kein bestimmtes Formular. Das Zentrum für medizinische Ethik in Bochum hat viele Mustervorlagen gesammelt, auch solche, die anders betitelt sind, etwa als "Patientenbrief" oder "Patienten-Statement".

Diese können Anregungen liefern, wie eine Patientenverfügung formuliert werden kann, auch im Hinblick auf unterschiedliche Ansichten über Weltanschauung und Religion. Aber diese Vielzahl an Mustern kann eben auch verunsichern:

Welche Formulierung ist richtig, welche ist gut und vor allem welche ist rechtssicher? Das Bundesministerium für Justiz hat deswegen Textbausteine zusammengestellt, an denen Sie sich orientieren können. Diese Textbausteine und Erläuterungen dazu finden Sie hier:

Was muss unbedingt rein?

Das Bundesministerium für Justiz empfiehlt, dass eine Patientenverfügung mindestens folgende Informationen enthalten sollte:

  • eine Eingangsformel,
  • Situationen, in denen die Patientenverfügung gelten soll,
  • Festlegungen zu ärztlichen/pflegerischen Maßnahmen,
  • eine Schlussformel sowie
  • das Datum und die Unterschrift.

Zusätzlich können Sie notieren, wo und von wem Sie begleitet werden möchten, wenn der Tod bevorsteht. Sie können auch vermerken, wie verbindlich der hier notierte Patientenwille sein soll und ob Sie Organe spenden möchten.

Außerdem können Sie auf eine andere Verfügung wie zum Beispiel eine Vorsorgevollmacht und eine Betreuungsverfügung hinweisen. Und Sie können in einem Anhang noch bestimmte Wertvorstellungen ausführlicher erläutern.

Ein Pfleger bereitet eine ältere Patientin darauf vor, Nahrung über eine Magensonde zu bekommen.

Eine häufige Frage: Möchte ich künstlich ernährt werden?

Ich habe alles aufgeschrieben – wo kann ich das prüfen lassen?

Vielleicht sind Sie unsicher, ob die Patientenverfügung komplett und formal so korrekt ist, dass sie auch wirksam ist, also wirklich angewendet werden kann? Dann können Sie Ihr Dokument von Experten prüfen lassen, zum Beispiel bei der Stiftung Patientenschutz oder beim Arzt Ihres Vertrauens.

Wenn etwas unklar oder unvollständig ist, dann korrigieren Sie das Dokument. Der Arzt oder die Ärztin kann auch gleich prüfen, ob Sie "in vollem Umfang einwilligungsfähig" sind, also frei Ihren eigenen Patientenwillen formulieren können und geschäftsfähig sind.

Es ist sinnvoll, sich das auch schriftlich auf dem Dokument bestätigen zu lassen, damit das Dokument später nicht angezweifelt wird. Auch ein Notar oder eine Notarin kann solch eine Bestätigung der Einwilligungsfähigkeit ausstellen.

Ein Warndreieck mit der Aufschrift "Unfall" steht auf einer Autobahn.

Eine Patientenverfügung gilt auch für die Folgen eines Unfalls

Wo bewahre ich die Patientenverfügung auf?

Wenn Sie mit Ihrem Arzt gesprochen haben, dann weiß er ja schon einmal, dass Sie eine Patientenverfügung haben. Aber was darin stand und wo das Original ist – das weiß Ihr Arzt später wohl nicht mehr.

Dabei muss die Patientenverfügung später vorgelegt werden und Ihr Bevollmächtigter oder ein gesetzlich bestellter Betreuer muss prüfen, ob Ihre Verfügung auf Ihre Situation angewendet werden soll – erst dann kann ein Arzt oder Pfleger sich nach Ihrem niedergeschriebenen Patientenwillen richten.

Deswegen: Am besten kopieren Sie Ihre Patientenverfügung und geben Ihrem Arzt und Ihrem Bevollmächtigten beziehungsweise Betreuer jeweils eine Kopie. Sie können auch jemanden aus Ihrer Religionsgemeinschaft oder Ihren Pflegedienst über die Patientenverfügung und dessen Aufbewahrungsort informieren.

Oder Sie notieren auf einem Zettel, wo Sie das Original Ihrer Patientenverfügung aufbewahren, und diesen Zettel legen Sie in Ihren Geldbeutel. Manche Organisationen bieten auch an, dass Sie dort Ihre Patientenverfügung hinterlegen können. Allerdings warnen Experten, dass nicht immer alle Register abgefragt werden.

Ein Register wird aber auf jeden Fall geprüft: das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. Gegen eine Gebühr können Sie dort Ihre Patientenverfügung – zusammen mit einer Vorsorgevollmacht – registrieren lassen. Das Original bleibt aber bei Ihnen.

Eine Frau auf einer Intensivstation wird künstlich beatmet.

Wo finden andere mein Dokument, wenn es ernst wird?

Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht: Ist das nicht dasselbe?

Nein, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht sind nicht ein und dasselbe! In Ihrer Patientenverfügung bestimmen Sie, welche Handlungen später – wenn Sie Patient sind und nicht mehr entscheiden können – durchgeführt werden sollen oder welche eben unterlassen werden sollen. Also zum Beispiel, dass Ärzte alles Mögliche tun sollen, damit Sie möglichst lange leben, oder aber, dass Sie auf keinen Fall künstlich ernährt werden wollen.

Allerdings: Die Patientenverfügung klärt nicht, wer Ihren Patientenwillen zur Geltung bringt. Das tut nur eine Vorsorgevollmacht. Damit können Sie bestimmen, welche Person oder welche Personen Ihre Angelegenheiten regeln sollen, wenn Sie es selbst nicht mehr können.

Das kann verhindern, dass Sie einen rechtlichen Betreuer bekommen – muss es aber nicht. Deswegen ist auch eine Betreuungsverfügung sinnvoll: In diesem Dokument können Sie eine Person Ihres Vertrauens vorschlagen, die zu Ihrem Betreuer bestellt werden soll. Wenn Sie bestimmte Personen lieber nicht als Betreuer hätten, dann können Sie diese Personen in der Betreuungsverfügung auch explizit ausschließen.

Also: Mit der Patientenverfügung sorgen Sie schon gut vor – im Trio mit einer Vorsorgevollmacht und einer Betreuungsverfügung sorgen Sie noch besser vor.

Ein Füllfederhalter liegt auf einem Stapel mit Formularen, aus dem die Titel "Betreuungs-Verfügung", "Patientenverfügung" und "Vorsorge-Vollmacht" herausschauen.

Sinnvolles Trio: Vorsorgevollmacht, Patienten- und Betreuungsverfügung

Kann ich die Patientenverfügung ändern oder widerrufen?

Selbstverständlich können Sie Ihre Patientenverfügung widerrufen – und zwar "jederzeit formlos"; so steht es in Paragraph 1901a Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch. Das heißt: Sie müssen nicht schriftlich widerrufen – es reicht, Ihrem Arzt oder Ihrer Vertrauensperson zu sagen oder nonverbal zu signalisieren, dass die Patientenverfügung nicht mehr gelten soll.

Wenn Sie hingegen etwas verändern oder konkretisieren möchten, geht das natürlich auch. Sie müssen dazu nicht einmal das gesamte Dokument neu aufsetzen. Sie können auch einfach ans Ende des Originals etwas notieren, wie zum Beispiel: "Aktualisierung: Um meinen in der Patientenverfügung niedergelegten Willen zu bekräftigen, bestätige ich diesen nachstehend mit folgenden Änderungen: …". Datum und Unterschrift dazu – fertig.

Am besten lesen Sie sich alle ein, zwei Jahre Ihre Patientenverfügung noch einmal durch. Selbst wenn sich Ihr Patientenwille nicht geändert hat, ist es sinnvoll, auch das zu dokumentieren, zum Beispiel mit einer abgewandelten Variante der eben genannten Formulierung: "Aktualisierung: Um meinen in der Patientenverfügung niedergelegten Willen zu bekräftigen, bestätige ich diesen nachstehend in vollem Umfang." Dabei das Datum und die Unterschrift nicht vergessen.

(Erstveröffentlichung: 2014. Letzte Aktualisierung: 24.07.2019)

Quelle: WDR

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