Der lange Weg zum Medikament

Planet Wissen 07.03.2023 03:55 Min. UT Verfügbar bis 10.03.2026 SWR

Medizin

Pharmaindustrie

Das Geschäft mit Pillen und Pülverchen ist sehr profitabel – mehrere Milliarden Euro setzen die Pharmaunternehmen in Deutschland jedes Jahr um. Für die Zulassung eines Medikaments müssen die Hersteller einige Voraussetzungen erfüllen.

Von Katrin Ewert

Die Pharmabranche ist anders als andere Wirtschaftszweige

Fertigarzneimittel, Impfstoffe, Sera: Die Produktpalette der 817 Unternehmen, die in Deutschland Arzneien herstellen und vermarkten, umfasst viel mehr als gewöhnliche Kopfschmerztabletten.

Hexal, Novartis und Ratiopharm zählen zu den größten Produzenten. Sie arbeiten in einem Markt, der stetig wächst. Gewinne lassen sich vor allem in der Krebs- und Schmerzmedizin erwirtschaften.

Die Pharmabranche ist anders als andere Branchen, wie etwa die Auto- oder Lebensmittelbranche: Hier entscheidet für gewöhnlich der Verbraucher, was er kauft und was nicht. Wofür er sein Geld ausgibt – und wofür nicht.

Im deutschen Gesundheitssystem entscheidet das der Arzt. Er verschreibt das Medikament, der Patient nimmt es ein und die Krankenkasse bezahlt es. Auch die Nachfrage schwankt nicht so stark wie in anderen Branchen. Viele Patienten brauchen stetig Medikamente und die unmittelbare Versorgung damit muss gewährleistet sein.

Viele Pharmaunternehmen geben zudem sehr viel Geld für Forschung und Entwicklung aus. Auch das unterscheidet die Branche von vielen anderen. Die Arzneimittelhersteller suchen permanent nach neuen, innovativen Präparaten, die einen Wettbewerbsvorteil versprechen.

Eine Mitarbeiterin stellt Pillen her.

Wer macht was im Pharmamarkt?

Die Pharmafirmen sind in Deutschland in großen Verbänden organisiert, beispielsweise im Bundesverband der Arzneimittelhersteller oder im Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Im Pharmamarkt gibt es aber noch weitere Akteure, die eine wichtige Rolle spielen.

Die Ärzte verschreiben den Patienten die Medikamente – und bestimmen so in der Regel die Nachfrage. Die Patienten sind für die Pharmafirmen potenzielle Kunden.

Wer zum Arzt geht, hat sich zuvor oft schon im Internet informiert. Die Patienten sind mündiger geworden – und die Pharmariesen wissen das. Sie wittern neue Kunden, die sie mit geschicktem Marketing für sich gewinnen können, bevor ihnen ein Konkurrent zuvorkommt.

Über die Apotheken vertreiben die Arzneimittelhersteller einen Großteil ihrer Produkte – auch sie spielen eine herausragende Rolle im Geschäft mit Medikamenten. Und dann gibt es da noch die Krankenkassen: Mit diesen müssen die Pharmakonzerne die Preise für die Arzneien verhandeln.

Um die Kosten für ein bestimmtes Medikament zu senken, können die Arzneimittelhersteller mit den gesetzlichen Krankenkassen Rabattverträge schließen: Wenn du mein Produkt gegenüber anderen bevorteilst, bekommst du einen Rabatt darauf. Der Vorteil für die Krankenkasse: Sie kann ihre Kosten senken. Der Vorteil für den Hersteller: Er sichert seinen Absatz.

Kritiker warnen davor, dass die Pharmafirmen die restlichen Akteure im Gesundheitssystem beeinflussen. Zunehmend wirken sie sich auf die Medizin, die Forschung und die Meinung in der Öffentlichkeit aus. Es entstehe ein Interessenkonflikt. Das gefährde sowohl das Patientenwohl als auch die Forschungsqualität.

Ein Patient kauft ein Medikament in einer Apotheke.

Viele Patienten informieren sich im Internet, bevor sie zum Arzt oder in die Apotheke gehen

Wie ein Medikament in die Apotheken gelangt

Bevor ein Hersteller sein Medikament verkaufen kann, braucht er dafür eine Zulassung. Der Wirkstoff muss drei Phasen von klinischen Studien durchlaufen.

Phase 1: Die Mediziner testen die Arznei erstmalig an einer kleinen Gruppe von Patienten. Sie überprüfen, ob die Versuchsteilnehmer den Wirkstoff vertragen.

Phase 2: Kommt es nicht zu schwerwiegenden Nebenwirkungen, suchen die Hersteller in der zweiten Phase nach der richtigen Dosis.

Phase 3: Schließlich testen die Forscher die Wirksamkeit des Wirkstoffs an großen Gruppen mit Tausenden von Patienten.

Sind diese erfüllt, erteilt das Institut dem Pharmaunternehmen die Zulassung – und damit die Genehmigung, das Arzneimittel anzubieten und zu vertreiben. Der Hersteller muss dennoch weiter kontrollieren, ob die Patienten das Medikament vertragen.

Die Zulassung gilt allerdings nur für festgelegte Anwendungen, um die Gesundheit der Patienten zu schützen. Wenn ein Arzt das Medikament für andere Anwendungen verschreibt, spricht man vom Off-Label-Use. In diesem Fall haftet der Arzt für mögliche Nebenwirkungen.

Regale voller Medikamentenschachteln in einer Apotheke.

Ein Pharmaunternehmen darf einen neuen Wirkstoff nicht einfach so auf den Markt bringen

Eine Frage des Preises

Wie viel ein verschreibungspflichtiges Medikament kostet – das dürfte vielen Patienten, Ärzten und Apothekern zunächst egal sein. Die Krankenkasse zahlt schließlich! Es ist aber nicht die Kasse, die zahlt, sondern der Versicherte mit dem Beitrag, den er jeden Monat bezahlt.

Daher gibt es verschiedene Regelungen, damit die Medikamente nicht zu teuer werden. Das Pharmaunternehmen kann den Verkaufspreis zunächst frei bestimmen.

Seit 2011 gilt jedoch ein neues Gesetz: Die Hersteller müssen seitdem nachweisen, dass ein Medikament mehr nützt als andere etablierte Arzneien.

Auf Basis dieser Bewertungen verhandeln die Firmen anschließend die Preise mit den Krankenkassen. Das soll gewährleisten, dass neue Medikamente nicht mehr kosten, als sie wert sind.

Für jedes Arzneimittel müssen Versicherte in der Apotheke zuzahlen. In der Regel sind das zehn Prozent des Verkaufspreises, jedoch mindestens fünf Euro und höchstens zehn Euro.

Medikamente liegen auf drei Geldscheinen.

Ein Arzneimittelhersteller muss den Preis für ein Medikament mit den Kassen aushandeln

Der Pharmamarkt weltweit

Der Pharmamarkt Deutschlands ist innerhalb der Europäischen Union der größte. Weltweit an der Spitze liegen die Vereinigten Staaten von Amerika, es folgen Japan und China. Das größte Pharmaunternehmen der Welt ist Pfizer, der Hersteller des Potenzmittels Viagra.

Die Zulassungsverfahren und Richtlinien sind von Staat zu Staat verschieden. Daher kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten. 2006 wurde beispielsweise in der Europäischen Union (EU) ein Medikament gegen Übergewicht zugelassen. Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel lehnte das Mittel dagegen ab – es sei nicht sicher genug.

Bereits 2000 wurde das Krebsmittel Mylotarg in den USA zugelassen. In der EU hingegen wurde derselbe Wirkstoff acht Jahre später abgelehnt.

Geldscheine gefächert vor einer Weltkugel.

950 Milliarden Euro nahmen die Pharmafirmen 2018 weltweit ein

(Erstveröffentlichung: 2015. Letzte Aktualisierung: 01.04.2020)

Quelle: WDR

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