Frauengesicht mit Klebezetteln

Entscheidungen

Das Harvard-Konzept

Die Methode des sachgerechten Verhandelns wurde an der Harvard-Universität entwickelt und stammt von den US-Wissenschaftlern Roger Fisher und William L. Ury.

Von Kerstin Deppe

Ziel der Harvard-Verhandlungsmethode ist es, in Konfliktsituationen eine friedliche und konstruktive Einigung zu erzielen und zu einer Lösung zu gelangen, von der beide Seiten profitieren.

Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln

Wenn Menschen verhandeln, verknüpfen sie oft Sachprobleme mit den persönlichen Beziehungen zueinander. Das kann dazu führen, dass eine sachliche Feststellung als Vorwurf oder Beleidigung aufgefasst wird.

Das Trennen von Mensch und Sache kann das verhindern. Deshalb lautet ein Motto des Harvard-Konzepts: Sei hart in der Sache, aber weich zu den Menschen. Damit das gelingt, ist es wichtig,

  • die inhaltlichen Punkte klar und sachlich zu benennen,
  • sein Gegenüber weder als Freund noch als Feind zu sehen, sondern als Partner bei einer Problemlösung,
  • Angriffe auf den Verhandlungspartner zu vermeiden und ihn nicht wegen früherer Verfehlungen anzuklagen,
  • sich in die Vorstellungen und Emotionen des Gegenübers einzufühlen und ihm gut zuzuhören.
Beleidigtes Paar

Beim Verhandeln Mensch und Sache trennen

Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen

Hinter der Position, die jemand vertritt, stehen seine Interessen. Sie sind seine stillen Beweggründe. Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer verhandelt mit seinem Chef um eine Gehaltserhöhung. Seine Position: Ich will mehr Geld.

Die Interessen, die dahinter stecken, können vielfältig sein. Vielleicht möchte der Arbeitnehmer häufiger in den Urlaub fahren oder sich ein neues Auto kaufen, vielleicht fühlt er sich überlastet, nicht genug wertgeschätzt oder im Vergleich zu seinen Kollegen und Kolleginnen benachteiligt.

Um ein gutes Ergebnis zu erzielen, sollten Verhandelnde über ihre Interessen reden. Nur wer die Interessen des anderen kennt, kann sie auch berücksichtigen. Außerdem ist es wesentlich leichter, Interessen in Übereinstimmung zu bringen als Positionen.

In der Regel lässt sich ein Interesse durch verschiedene Positionen befriedigen. Wünscht sich der Arbeitnehmer im erwähnten Beispiel mehr Anerkennung, könnte der Chef ihm statt einer Gehaltserhöhung auch ein verantwortungsvolles Projekt geben oder ihm einen Firmenwagen zur Verfügung stellen.

Vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln

Wer sich vor einer Verhandlung seine eigenen Interessen und Ziele bewusst macht und sich mit den möglichen Interessen des Gegenübers auseinandersetzt, kann bei konträren Positionen oft Alternativen finden, die die Interessen beider Parteien berücksichtigen.

Beim Entwickeln solcher Alternativen ist Kreativität gefragt: Statt nach der einen richtigen Lösung zu suchen, sollten die Verhandelnden zunächst möglichst viele Optionen und Lösungswege entwickeln.

Dabei hilft es, die Optionen zunächst nur zu sammeln, ohne sie vorschnell zu beurteilen, und nicht nur nach den eigenen Vorteilen zu schauen, sondern auch nach dem Nutzen für den anderen. Auch gut: Flexibel bleiben und Vorschläge entwickeln, die dem anderen die Entscheidung erleichtern.

Mann mit Pfeil

Ziele bewusst machen

Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungskriterien aufbauen

Liegen verschiedene Lösungswege auf dem Tisch, gilt es, eine Entscheidung zu treffen. Auch in diesem Prozess ist es wichtig, die Position des Gegenübers einzubeziehen. Fragen Sie ihn, wie er sich ein faires Ergebnis vorstellt und bitten Sie ihn, das zu konkretisieren.

Legen Sie Ihre eigenen Kriterien offen und bitten Sie Ihren Verhandlungspartner, Sie zu korrigieren, wenn Sie etwas falsch verstanden haben.

Die endgültige Entscheidung sollte auf Grundlage objektiver und fairer Kriterien fallen. Die Inhalte der Entscheidung, aber auch ihre Umsetzung, müssen praktisch durchführbar sein. Versuchen Sie, jeden Streitfall zu einer gemeinsamen Suche nach objektiven Kriterien umzufunktionieren.

Was ist die Alternative?

Nicht immer bringt eine Verhandlung das gewünschte Ergebnis. Deshalb ist es wichtig, dass Sie sich vor einer Verhandlung Ihre Alternativen bewusst machen: Was können Sie tun, wenn es zu keiner Einigung kommt?

Die Autoren des Harvard-Konzepts nennen diese Möglichkeit "Best Alternative To Non-Agreement" (BATNA), zu deutsch: "Beste Alternative, wenn es keine Einigung gibt". Wer weiß, dass er einen guten "Plan B" in petto hat, erhöht seine Unabhängigkeit und stärkt seine Position in einer Verhandlung.

Deshalb: Bestimmen Sie Ihr BATNA möglichst konkret und sondieren Sie bereits vor der Verhandlung, welche Erfolgsaussichten es hat. Sorgen Sie dafür, dass Ihr BATNA immer besser wird.

Und überlegen Sie sich, wo Ihre Schmerzgrenze liegt: Welches Ergebnisse wäre immer noch besser als mein BATNA? Bevor Sie diese Grenze überschreiten, bitten Sie um Bedenkzeit und Aussetzen der Verhandlung.

Quelle: SWR | Stand: 25.08.2020, 09:38 Uhr

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