Eine aktuelle Ausgabe der Jugendzeitschrift "Bravo" mit den Seiten der "Dr. Sommer Sprechstunde".

Pubertät

Dr. Sommer – Aufklärung in der "Bravo"

Dr. Sommer heißt der Aufklärungs-Papst der Jugendzeitschrift "Bravo". Unter dem Titel "Was Dich bewegt" beantwortete er 1969 zum ersten Mal die Fragen der Teenager zu Liebe und Sex.

Von Christiane Tovar und Tobias Aufmkolk

Dr. Sommer – ein Phantom

Die schlechte Nachricht zuerst: Dr. Sommer ist ein Phantom. Den Arzt, dem Millionen Teenager ihr Herz ausgeschüttet haben, gibt es im wahren Leben gar nicht. Die gute Nachricht: Dieses Phantom hat schon vielen geholfen.

Hinter dem Pseudonym "Dr. Jochen Sommer", der von 1969 bis 2014 im Jugendmagazin "Bravo" den Teenagern in Sachen Liebe und Sex zur Seite stand, stand sich in den ersten Jahren ein Doktor Goldstein. Der wiederum leitete im wirklichen Leben eine Jugendberatungsstelle in Köln.

Der Grund des Versteckspiels: Der Psychotherapeut wollte seinen Ruf nicht gefährden, denn in den späten 1960er-Jahren galten die Aufklärungsseiten in "Bravo" nicht gerade als Referenz.

Dr. Sommer brachte den Durchbruch für "Bravo" als Aufklärungsorgan. Zwar gab es schon 1962, sechs Jahre nach der Erstausgabe des Jugendmagazins, mit dem "Knigge für Verliebte" erste aufklärerische Versuche, aber die waren lange nicht so erfolgreich.

Erst die Rubrik mit dem Titel "Was Dich bewegt" bewegte die Jugendlichen wirklich. Fortan galten diese Aufklärungsseiten als Maßstab für jugendgerechte und zeitgemäße Sexualberatung.

Dr. Sommer braucht Hilfe

Dr. Sommers Sexualberatung kam bei den Teenies so gut an, dass Dr. Goldstein die Briefflut Mitte der 1970er-Jahre nicht mehr allein bewältigen konnte. Der Psychotherapeut holte sich Unterstützung, und so wurde aus Dr. Sommer das Dr.-Sommer-Team.

Jetzt beantworteten mehrere Pädagogen, Psycho-, Sexual-, Verhaltens- und Paartherapeuten die fast 100 Briefe am Tag, in denen es meistens um Sexualität ging, um Probleme mit Freunden oder Eltern und natürlich um den Kummer mit der ersten Liebe.

Als 1984 die Ära Dr. Goldstein alias Dr. Sommer zu Ende ging, dachte keiner daran, den Markennamen aufzugeben, auch wenn eine Frau die neue Chefin war: Ins Team kam die Sozialpädagogin Margit Tetz. Auch sie beantwortete gemeinsam mit ihren Kollegen die Briefe der Teenager.

Die Sozialpädagogin arbeitete aber nicht nur am Schreibtisch in ihrem Münchner Büro. Sie war die Erste im Dr.-Sommer-Team, die aus der Anonymität an die Öffentlichkeit tritt.

1993 begann sie in "Bravo-TV" mit Sexualaufklärung im Fernsehen. Das Format setzte sich allerdings trotz mehrfacher Anläufe in diversen Privatsendern nie durch.

Aufklärung im Netz

2001 ging die "Bravo" online – ziemlich spät für ein Jugendmedium– und betreute die Teenies jetzt auch per E-Mail. Die Fragen zum Liebeskummer, den Körpermaßen und dem "ersten Mal" kamen jetzt per Mausklick auf die Bildschirme der Redakteure.

Diese vereinfachte Art der Kommunikation hatte Folgen: Das Team wurde mit Fragen überflutet – und die Beratung via E-Mail bald wieder abgeschafft. Schließlich sollte jede Anfrage persönlich beantwortet werden, darauf legten die Berater großen Wert.

Vorteile für die Jugendlichen brachte der Internetauftritt trotzdem. Hier fanden sie ein großes Angebot zum Thema Sexualität und Liebe – vom Kondom-Special bis hin zur Rubrik "Wenn Eltern nur noch stressen".

Bis heute kommen zahlreiche Briefe in der "Bravo"-Redaktion an, die beantwortet werden. Ein sechsköpfiges Team kümmert sich um die Schreiben der Teenager, außerdem berät das Team Teenager am Telefon.

Inzwischen ist auch ein Kontakt per E-Mail wieder möglich. Zwei Mitarbeiter betreuen die Chats, die regelmäßig auf der Internetseite laufen. Und auch hier, im virtuellen Raum des 21. Jahrhunderts, dreht sich fast alles um Liebe und Sex. Daran hat sich in dem halben Jahrhundert, seit Dr. Goldstein alias Dr. Sommer die Aufklärung übernahm, nichts geändert.

Geändert hat sich allerdings die Zusammenstellung des Teams. 2014 fiel Jutta Stiehler, die letzte Leiterin des Dr.-Sommer-Teams, den Sparmaßnahmen des Verlags zum Opfer. Seitdem ist auf der entsprechenden Seite der Zeitschrift auch kein Foto eines Experten mehr zu sehen. Die Fragen beantwortet ein Team aus hauptsächlich freien Mitarbeitern.

(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 20.08.2020)

Quelle: WDR

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