Boxhandschuhe im Ring

Boxen

Wie gefährlich ist Boxen für die Gesundheit?

Setzt sich jeder Boxer einem unkalkulierbaren Risiko aus? Nicht unbedingt. Man muss unterscheiden zwischen Profis und Amateuren.

Von Ingo Neumayer

Am 3. Januar 2008 kurz nach Mitternacht gab es keine Hoffnung mehr für Choi Yo-Sam. Die Ärzte erklärten den südkoreanischen Boxer für hirntot, die lebenserhaltenden Maschinen, an die er angeschlossen war, wurden abgeschaltet.

Neun Tage vorher stand Choi noch im Ring. Es ging um den Interkontinental-Titel im Fliegengewicht. Er war angetreten, um seinen Titel gegen den Indonesier Heri Amol zu verteidigen. In der letzten Runde ging Choi nach einem Treffer zu Boden, doch er rappelte sich wieder auf und brachte den Kampf zu Ende.

Die Punktrichter hatten ihn gerade zum Sieger erklärt, da passierte es: Noch im Ring brach er bewusstlos zusammen und fiel ins Koma. Diagnose: Gehirnblutungen. Eine sofortige Notoperation verlief erfolglos.

Auch der berühmteste Boxer aller Zeiten, Muhammad Ali, kämpfte nach seinem Karriereende lange mit gesundheitlichen Problemen. 1982 wurde bei ihm die Parkinson-Krankheit festgestellt. Seine Hände fingen unkontrolliert zu zittern an, seine Gesichtsmuskeln erstarrten, die Artikulation versagte. Eine Folge seiner Kämpfe, in denen er oft über die Schmerzgrenze hinausging und nach denen er zum Teil wochenlang im Krankenhaus lag?

Klingt plausibel, ist aber nie nachgewiesen worden. Die Nervenkrankheit Parkinson, die durch ein Ungleichgewicht verschiedener Botenstoffe im Gehirn ausgelöst wird, kann viele Ursachen haben.

Ein älterer schwarzer Mann in einem Anzug und mit einer goldenen Bambi-Statue

Muhammad Ali war von der Parkinson-Krankheit gezeichnet

Setzt sich also jeder, der in einen Boxring steigt, einem unkalkulierbaren Risiko aus? Nicht unbedingt. Man muss unterscheiden zwischen Profis und Amateuren.

Im Amateurbereich sind die Boxer viel besser geschützt. Sie tragen einen Kopfschutz sowie größere und schwerere Handschuhe, was die Schlagkraft reduziert. Außerdem gehen Amateurkämpfe über maximal vier Runden à zwei Minuten, was das Verletzungsrisiko ebenfalls verringert. Denn schwere Kopftreffer passieren oft in späteren Runden, wenn Kondition und Konzentration nachlassen.

Zudem stehen im Gegensatz zu den Profis beim Amateurboxen saubere Treffer mehr im Vordergrund als der K. o. Eine schwedische Studie aus dem Jahr 1993 verglich die Gehirnschädigungen von Amateurboxern, Fußballern und Leichtathleten und konnte keine auffälligen Unterschiede nachweisen.

2007 untersuchte das "British Medical Journal" verschiedene Studien und kam zu dem Schluss, dass kein Zusammenhang zwischen Amateurboxen und langfristigen Hirnschädigungen bestünde.

Anders sieht die Situation bei den Profis aus. Denn Choi Yo-Sam ist kein Einzelfall. Schätzungen gehen davon aus, dass seit 1945 weltweit über 500 Boxer an den Folgen ihrer im Kampf oder Training erlittenen Kopfverletzungen starben.

Ärztevereinigungen wie die "British Medical Association" fordern deshalb seit Jahren ein Verbot des Profiboxens. In manchen Ländern wie zum Beispiel Island, Kuba oder Schweden ist dieses bereits in Kraft.

Doch die Chancen für ein weltweites Verbot sind sehr gering. Die Lobby der Boxbefürworter ist groß. Ihre Argumente: Boxen sei bei Weitem nicht die gefährlichste Sportart. Beim Reiten, Klettern oder im Motorsport komme es viel öfter zu tödlichen Unfällen.

(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 20.06.2020)

Quelle: WDR

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