Argentiniens Nationalmannschaft 1930

Fußballgeschichte

Frühe Fußballstars

Helden und Fußballgötter – Spieler, die die Fans begeisterten, gibt es seit mehr als hundert Jahren. Durch Medien und Kommerzialisierung wurde der Fußball schließlich allgegenwärtig und viele Fußballer berühmt wie Popstars.

Von Christoph Teves

Heinrich Stuhlfauth – Nürnbergs legendärer Torwart

"Gott selbst stand im Tor!", schrieb eine italienische Zeitung 1929 bewundernd über Heinrich "Heiner" Stuhlfauth. Mit großartigen Paraden hatte der Torhüter der deutschen Nationalmannschaft die italienischen Stürmer zur Verzweiflung getrieben und den 2:1-Sieg für die Deutschen gesichert. Einer der vielen Höhepunkte in der Karriere Stuhlfauths, der in den 1920er-Jahren neben dem Spanier Ricardo Zamora als bester Torwart der Welt galt.

Zwischen 1916 und 1933 stand Heinrich Stuhlfauth in 606 Spielen für den 1. FC Nürnberg zwischen den Pfosten – stets mit der charakteristischen Schiebermütze und seinem grauen Torwartpulli. Fünfmal wurde er zwischen 1920 und 1927 mit dem Club Deutscher Meister, 21-mal hütete er das Tor der Nationalmannschaft.

Als ehemaliger Stürmer verstand sich Stuhlfauth stets als mitspielender Torwart. Er legte viel Wert aufs Stellungsspiel, versuchte Spielzüge und Pässe des Gegners vorherzusehen und lief oft weit aus dem Tor, um gefährliche Situationen zu klären. Mit dieser Spielweise würde er heute als moderner Torwart gelten – allerdings wohl eher nicht mit seinem Motto "Ein guter Torwart wirft sich nicht!"

Schwarzweiß-Foto des Torwarts Stuhlfauth, der gerade einen Ball fängt.

Bekannt für sein gutes Stellungsspiel

José Andrade – das "schwarze Wunder"

Die Europäer kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als sie der Mannschaft Uruguays beim olympischen Fußballturnier 1924 in Paris zuschauten. Die Südamerikaner begeisterten mit elegantem, leidenschaftlichem Kombinationsfußball voller Finesse und technischer Kabinettstückchen.

Besonders ein Mann fiel ins Auge: hoch aufgeschossen, beweglich, schnell, schuss-, dribbel- und kopfballstark. José Leandro Andrade lenkte das Spiel der Uruguayer und führte seine Mannschaft zum Olympiasieg 1924 und 1928, zu drei Südamerika-Meisterschaften und 1930 zum Weltmeistertitel.

Auch außerhalb des Platzes sorgte "La Maravilla Negra" ("das schwarze Wunder"), wie Andrade ehrfürchtig genannt wurde, für Aufsehen. Nach dem Olympiasieg 1924 blieb er eine Zeitlang in Paris und zog als Sänger und Tänzer durch die Nachtclubs.

Nach dem Ende seiner Karriere lebte er weiter ein ausschweifendes Leben, das er sich aber schon bald nicht mehr leisten konnte. Verarmt starb er 1957 in einem Armenhaus in Montevideo.

Dixie Dean – Rekordtorjäger

In Deutschland wird gern diskutiert, ob wohl jemals wieder ein Bundesligastürmer Gerd Müllers 40 Tore aus der Saison 1971/72 erreichen wird. Engländern dagegen entlockt Müllers Rekord wohl nur ein müdes Lächeln, liegt die Bestmarke der ersten englischen Liga doch bei sage und schreibe 60 Treffern (in 42 Spielen), aufgestellt in der Saison 1927/28 von William Ralph "Dixie" Dean.

Der Torrekord war bereits damals unglaublich, hatte es doch noch im Jahr zuvor so ausgesehen, als wäre Deans Karriere bereits beendet, noch bevor sie so richtig begonnen hatte: Bei einem Autounfall erlitt der zweikampfstarke Stürmer einen Schädel- und Kieferbruch.

Die Ärzte machten Dean keine Hoffnung, dass er noch einmal Fußball spielen könne. Doch Dean kämpfte, kam zurück und schoss mit seinen 60 Saisontreffern (davon 40 Kopfballtore) den FC Everton zum Meistertitel. Insgesamt kam er auf 379 Erstligatore.

Auch in der Nationalmannschaft lief es zunächst wie geschmiert. Bei seinem Debüt schoss er zwei Treffer, in seinen ersten fünf Länderspielen traf er zwölfmal.

Doch obwohl er Tore wie am Fließband erzielte, kam Dean insgesamt nur auf 16 Einsätze in Englands Nationalmannschaft (18 Tore). Dennoch gilt er in England und besonders bei den Fans des FC Everton, mit dem er 1932 noch einmal Meister wurde, als einer der größten Spieler aller Zeiten.

Schwarzweiß-Foto: Fußballer Dixie Dean beim Schuss.

379 Tore in 437 Erstligaspielen

Giuseppe Meazza – Doppelweltmeister

Seine große Zeit hatte der italienische Stürmer in den 1930er-Jahren – doch sein Name ist bei Fußballfans noch heute in aller Munde. Schließlich gehört das Giuseppe-Meazza-Stadion – Heimat seines Stammvereins Inter Mailand – zu den berühmtesten Fußballtempeln der Welt. Nach Meazzas Tod 1979 benannte Inter das San-Siro-Stadion nach seinem bis dato berühmtesten und erfolgreichsten Spieler.

Dreimal führte Giuseppe Meazza Inter Mailand zum italienischen Meistertitel (1930, 1938, 1940), einmal zum Pokaltitel (1939). Spurt-, dribbel- und schussstark wurde Meazza dreimal Torschützenkönig, wobei er seine Tore bevorzugt nach langen Sololäufen erzielte, die die gegnerische Verteidigung zur Verzweiflung trieben.

Noch größere Triumphe feierte er aber mit der Nationalmannschaft: 1934 und 1938 wurde Meazza mit Italien Weltmeister, in 53 Länderspielen erzielte er 33 Tore. Ein ganz besonderer Spieler, der zumindest in Italien nicht vergessen wird – nicht zuletzt durch das prächtige Giuseppe-Meazza-Stadion.

Giuseppe Meazza beim Händeschütteln mit einem ungarischen Spieler

Giuseppe Meazza (links) bei der Weltmeisterschaft 1938

Matthias Sindelar – "der Papierene"

Der österreichische Fußball ist nicht gerade reich gesegnet mit großen Stars und Erfolgen. Umso schillernder und spektakulärer ist die Geschichte des berühmtesten Fußballers Österreichs. Matthias Sindelars Karriere und Leben sind geradezu filmreif: Aufstieg aus armen Verhältnissen, Rückschläge, Triumphe und schließlich ein geheimnisvoller früher Tod.

Sindelar, geboren 1903, wächst im Wiener Arbeiterviertel Favoriten auf und wird bei Austria Wien zum Star. Sein Spiel ist spektakulär. Schmächtig wie er ist, geht er Zweikämpfen aus dem Weg und verlegt sich auf raffinierte Dribblings, technische Kabinettstücke, kurze Pässe. Er selbst und sein körperloses Spiel wirken federleicht. Sindelar bekommt den Spitznamen "der Papierene".

Schwarzweiß-Foto: Matthias Sindelar beim Schuss.

Bis heute Österreichs größter Fußballstar

So umjubelt Sindelars kunstvoller Stil bei den Fans ist, so wenig mag ihn Österreichs Nationaltrainer Hugo Meisl. Nach einer 0:5-Klatsche 1929 erklärt er Sindelar zum Sündenbock und wirft ihn aus der Nationalelf.

Erst zwei Jahre später holt er ihn zurück – auf Druck der Journalisten, die Meisl abfällig "Schmieranskis" nennt. Bei einer legendären Pressekonferenz wirft er den Journalisten die Aufstellung – mit Sindelar im Sturm – hin, mit den Worten: "Da habt's euer Schmieranski-Team!"

Doch schon bald ist vom "Wunderteam" die Rede. Mit Sindelar beginnt die stärkste Phase des österreichischen Fußballs: In 14 Spielen bleibt die Mannschaft ungeschlagen, gewinnt davon zwölfmal (unter anderem 6:0 und 5:0 gegen Deutschland) und beeindruckt bei einer 3:4-Niederlage sogar die britischen Fans.

Sindelar ist der Star des "Wunderteams", macht 27 Tore in 43 Länderspielen. Einen Titel holt Österreich jedoch nicht. Die Weltmeisterschaft 1934 kommt zu spät, das Wunderteam hat seinen Zenit überschritten.

Schwarzweiß-Foto: Österreichs Nationalmannschaft; Sindelar in der hinteren Reihe, dritter von links.

Die Österreicher während der WM 1934

Sein Spiel machte ihn zum Star, sein Tod zur Legende: Mit nur 35 Jahren stirbt Matthias Sindelar am 23. Januar 1939 an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. War es Selbstmord, Unfall oder gar Mord? War die Frau, die mit ihm starb, Freundin, Wirtin oder Prostituierte? Rebellierte Sindelar gegen die Nazis, oder hat er mit ihnen paktiert? Bis heute ranken sich zahlreiche Fragen um Österreichs größten Fußballer.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 18.06.2018)

Quelle: WDR

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