Training der deutschen Nationalspieler 1936

Fußballgeschichte

Fußball im Nationalsozialismus

Die Machtergreifung der Nazis 1933 war auch im deutschen Fußball ein einschneidendes Ereignis. Der Deutsche Fußball-Bund und die Vereine mussten sich der neuen Situation anpassen.

Von Robert Manz

Durfte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zu Beginn noch eigenständig handeln, war für ihn, wie für viele Sportverbände, nach den Olympischen Spielen 1936 Schluss. Jüdische Funktionäre wurden entlassen, viele Spieler und Trainer mussten gehen oder verließen freiwillig das Land. Die Vereine standen höchst unterschiedlich zu den neuen Machthabern.

Streit um den Profifußball

Der DFB war Anfang der 1930er-Jahre sehr im bürgerlichen Milieu verwurzelt und wollte den Amateurstatus des Fußballs hauptsächlich aus finanziellen Interessen erhalten. Bei Einführung einer Profiliga wäre dem DFB die Gemeinnützigkeit aberkannt worden und somit auch die Steuerfreiheit. Einige Großclubs, wie der FC Bayern oder der Karlsruher FV, drohten dagegen mit dem Austritt aus dem DFB, sollte keine Profiliga eingeführt werden.

Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 erfuhr der DFB dann mächtige Unterstützung. Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten entschied sich gegen die Einführung des Profifußballs, um bei den Olympischen Spielen 1936 eine möglichst starke Mannschaft präsentieren zu können. Profisportler waren zu dieser Zeit bei Olympischen Spielen noch nicht startberechtigt.

Nach den Olympischen Spielen ging es für den DFB schnell bergab. Nicht zuletzt wegen der schwachen Auftritte des deutschen Teams wurde der DFB direkt nach den Berliner Spielen liquidiert, personal reduziert und in das Reichsfachamt für Fußball überführt.

Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten

Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten

Ausgrenzung der Juden

Nach der Machtergreifung der Nazis nutzte der DFB schnell die Gelegenheit, um einen großen Teil der als bedrohlich empfundenen Berufsfußball-Bewegung auszuschalten. Da die aufsässigen Großclubs meist von jüdischen Präsidenten oder Funktionären geleitet wurden, drängte der DFB darauf, Juden in führenden Stellungen von Vereinen und Verbänden ihrer Ämter zu entheben.

Dass die Verbannung der Juden ausschließlich machtpolitische Gründe hatte, zeigt auch die Tatsache, dass der DFB, im Gegensatz zu anderen Sportverbänden, die einfachen Sportler nicht ausschließen wollte. Viele jüdische Spieler wechselten jedoch aus "deutschen" Vereinen zu jüdisch geprägten Clubs, die Drangsalierungen und Schikanen ausgesetzt waren.

1860 München – der "Deutsche Verein"

Neben Werder Bremen und dem VfB Stuttgart war 1860 München einer der großen deutschen Fußballvereine, die schon vor 1933 eine deutliche Zuneigung zum Nationalsozialismus zeigten. So übernahmen bei den "Löwen" NSDAP- und SA-Mitglieder fast alle wichtigen Posten im Verein.

Schon im September 1933 beschloss der Verein das Führerprinzip zu übernehmen und schloss sich im März 1934 mit allen Abteilungen dem nationalsozialistisch geprägten "Turn- und Sportverein München von 1860" an.

Es wurde zudem eine neue Einheitssatzung beschlossen, die auch den "Arierparagraphen" mit einschloss. Das bedeutete das Aus für die wenigen, noch verbliebenen jüdischen Mitglieder des Clubs.

So holte der TSV 1942 mit dem nach Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten benannten Tschammerpokal (Vorläufer des DFB-Pokals) den ersten nationalen Titel.

Der "Judenclub" FC Bayern München

Eine der wenigen bekannten Ausnahmen, die sich dem antisemitischen Geist widersetzte, war der FC Bayern München. Zwar musste sein Präsident Kurt Landauer am 22. März 1933 zurücktreten, laut Herbert Moll, damaliger Spieler beim FC Bayern, hatte Landauer aber auch nach seinem Rücktritt im Hintergrund gewirkt. Das lag an der Mitgliederstruktur des Clubs, in dem die überzeugten NSDAP-Anhänger, die hauptsächlich aus der Ski-Abteilung kamen, eine Minderheit bildeten.

Im Mai 1939 wanderte Landauer nach Genf aus. Nur ein Jahr später, bei einem Freundschaftsspiel in Genf, grüßte die komplette Mannschaft ihren alten Präsidenten, der sich auf der Tribüne aufhielt. Und das, obwohl der Mannschaft untersagt war, jeglichen Kontakt zu ihrem jüdischen Präsidenten aufzunehmen.

Der "Judenclub" wurde nach der Ankunft in Deutschland von den Nazis schwer gescholten und versank in der Bedeutungslosigkeit. Nach Kriegsende kam Kurt Landauer zurück zu "seinem" FC Bayern und wurde erneut zum Präsidenten gewählt.

Gedenktafel an Kurt Landauer vor der Arena in München

Gedenktafel an Kurt Landauer vor der Arena in München

Die Fans erinnern an die NS-Geschichte der Vereine

Lange Zeit sahen viele Bundesligavereine keinen Anlass, ihre Vergangenheit während der NS-Zeit aufzuarbeiten. Erst die Fans sorgten mit ihren Choreographien dafür, dass sich die Clubs wieder für ihre eigene Geschichte interessieren.

Beim FC Bayern geriet Kurt Landauer lange in Vergessenheit. Erst die Ultras machten mit einer Choreographie zum 125. Geburtstag Kurt Landauers auf die eigene Vereinsgeschichte aufmerksam. Vorher kannte kaum jemand im Verein den Namen des Präsidenten, unter dem der FC Bayern seine erste Meisterschaft feierte.

Auch in Nürnberg waren die Ultras die treibende Kraft zur Aufarbeitung der Geschichte. Beim Derby 1. FC Nürnberg gegen Bayern München am 17. November 2012 erinnerten die Fans des FCN an den ehemaligen Trainer Jenö Konrad. Er hatte nach der Halbfinalniederlage gegen den FC Bayern 1932 seinen Posten aufgeben und Deutschland fluchtartig in Richtung USA verlassen müssen.

Seit der Fanaktion setzt sich der Club intensiv mit der eigenen Vergangenheit auseinander und hat alle damals ausgeschlossenen jüdischen Vereinsmitglieder zu Ehrenmitgliedern ernannt.

Evelyn Konrad, die Tochter des 1978 verstorbenen Trainers, ist inzwischen Mitglied beim 1. FCN. Im Mai 2014 eröffnete sie das Finale des Jenö Konrad Cups, einem Jugendturnier des 1. FC Nürnberg mit den Worten: "Ein Jugendturnier zu seinen Ehren – das hätte ihm gefallen."

Nürnberger Fans organisieren eine Choreografie zu Ehren von Jenö Konrad

Nürnberger Ultras erinnern beim Derby an Jenö Konrad

(Erstveröffentlichung 2015, letzte Aktualisierung 13.06.2018)

Quelle: SWR

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