Westernreiter Fred Rai auf einem Pferd

Reiten

Sanftes Reiten – Rai

Ohne Peitsche, ohne Sporen, ohne Trense: Rai-Reiter setzen auf eine sanftere Reitweise.

Von Alexandra Stober

Andere Sitzhaltung

Die Anhänger des so genannten Rai-Reitens sind der Überzeugung, dass das Pferd unter dem Einsatz von Gebissen, Sporen und Peitsche – den klassischen Hilfsmitteln beim Reiten – leidet. Sie betrachten dementsprechend das konventionelle Reiten als zumindest potenziell gewalttätig.

Deshalb entwickelte der deutsche Westernsänger Fred Rai (1941-2015) eine alternative Form des Freizeitreitens, das nach ihm benannt wurde: das Rai-Reiten. Dabei wird auf die oben genannten Hilfsmittel verzichtet.

Rai-Reiter sitzen in einer anderen Position auf dem Pferd als beim klassischen Reiten, bei dem man ausbalanciert sitzt und gleichzeitig flexibel mit den Bewegungen des Tieres mitgeht.

Stattdessen soll sich der Oberkörper beim Rai-Reiten in allen Gangarten in leichter Rücklage befinden und die Beine des Reiters sollen vom Sattel weggestreckt sein – ebenfalls im Gegensatz zum Sitz beim konventionellen Reiten, bei dem die Beine des Reiters in der Regel leicht am Pferd anliegen.

Das einzige mechanische Hilfsmittel beim Rai-Reiten ist das "Bändele": ein Schnurhalfter aus geflochtenem Nylon, das aus einem um die Nase gelegten Ring und einem hinter den Ohren entlanggehenden Riemen besteht.

Der Mensch als Leittier des Pferdes

Grundsätzlich wird beim Rai-Reiten nur durch Gewichtsverlagerungen und Haltungsänderungen auf Richtung und Tempo des Pferdes eingewirkt – und genau hier setzt einer der Kritikpunkte konventioneller Reiter an: Rai-Reiten sei Reiten auf einer sehr simplen Ebene, da man dem Pferd nur vermittle, ob es schneller oder langsamer werden und die Richtung ändern soll.

Fred Rai war dagegen der Ansicht, dass alles darüber Hinausgehende nicht im Einklang mit der Psyche und der natürlichen Verhaltensweise des Pferdes steht.

Pferde auf der Wiese

Reiten soll dem Pferd nicht schaden

Rai ging bei der Ausbildung der Tiere so vor, dass der Mensch zum Leittier seines Pferdes wird und sich dieses dem Reiter deshalb freiwillig unterordnet. Die Ausbildung des Pferdes erfolgt mithilfe von Dominanzübungen am Boden und vom Sattel aus. Durch Belohnungen wird erwünschtes Verhalten verstärkt, durch verweigerte Belohnungen unerwünschtes Verhalten aberzogen.

Fred Rai lehnte es allerdings völlig ab, das Pferd zu vermenschlichen – dementsprechend ist beispielsweise Kraulen am Maul absolut tabu.

"Pferde sind Herdentiere und folgen einem Leittier bedingungslos", so Rai, der mehr als 30 Jahre lang das Verhalten von Pferden in der Herde beobachtete, filmisch dokumentierte und seine Schlüsse daraus zog. "Wenn ein Pferd buckelt, ist die Rangordnung zwischen Tier und Reiter nicht geklärt", erläuterte Rai.

Harmonie zwischen Reiter und Pferd

Den Anhängern des Rai-Reitens geht es also darum, beim Reiten ganz mit dem Pferd im Einklang zu sein – sportlicher Ehrgeiz ist ihnen fremd. "Das Rai-Reiten will all denen eine Heimat geben, die sich mit ihren Pferden dort bewegen wollen, wo diese wunderschönen Tiere herkommen, in der freiheitlichen Natur. So ist das Rai-Reiten der Reitstil für das Wanderreiten, eine Sportart, in der die gesamte Schöpfung vereint ist – Natur, Tier und Mensch. Und dazu passt nur das Wort Harmonie", beschrieb Fred Rai seinen Stil.

Doch es ist fraglich, ob ein normaler Freizeitreiter, der sich nicht jahrelang mit der Psyche seines Pferdes beschäftigt hat, das Tier allein mit den Rai-Hilfsmitteln lenken und unter Kontrolle haben kann.

(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 01.10.2019)

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Quelle: WDR

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