Blick auf die Küstenlinie des Baikalsees. Im Vordergrund herbstlich gefärbte Bäume.

Sibirien

Irkutsk und der Baikalsee

Wer eine Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn macht, sollte die quirlige Metropole Irkutsk nicht verpassen. Und die Nähe zum Baikalsee nutzen Reisende dazu für einen Abstecher zum tiefsten Süßwassersee der Welt.

Von Sandra Kampmann und Tobias Aufmkolk

Das Tor zum Osten

Bereits 1686 erhielt Irkutsk das Stadtrecht und wurde zu einem wichtigen Umschlagplatz für Waren. Hier handelten Chinesen, Russen und Mongolen mit sibirischen Pelzen, Seide und Tee. Irkutsk wurde das Tor zum Osten: Von hier aus begann die Eroberung des weiten Landes bis nach Alaska.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sorgte eine Gruppe russischer Offiziere und weiterer Angehöriger der russischen Aristokratie dafür, dass Irkutsk auch zum geistig-kulturellen Zentrum in Sibirien aufstieg.

Innenstadt von Irktusk mit Passanten und alten Häusern

Irkutsk hat eine reiche Vergangenheit

Die sogenannten Dekabristen – benannt nach dem russischen Monatsnamen Dezember – hatten in St. Petersburg einen Aufstand gegen die autokratische Herrschaft des Zaren angezettelt. Sie wollten demokratische Reformen in Russland durchsetzen. Der Aufstand wurde im Dezember 1825 kurzerhand niedergeschlagen und fünf der Anführer hingerichtet. Weitere rund 120 Dekabristen wurden zur Zwangsarbeit nach Sibirien in die Gegend von Irkutsk deportiert.

Neben der harten Zwangsarbeit, die sie dort zu leisen hatten, nahmen die Dekabristen großen Einfluss auf die Bevölkerung und die kulturelle und politische Entwicklung der ostsibirischen Region. Einige Ehefrauen der Dekabristen folgten ihren Männern freiwillig in die Verbannung. Die erste unter ihnen war die Fürstin Jekatarina Trubeckaja.

Nachhaltigen Einfluss auf die Region hatte vor allem Fürstin Marija Nikolajewna Wolkonskaja, der man später den Beinamen "Prinzessin von Sibirien" gab. Zusammen mit anderen Frauen der Verbannten gründete sie Schulen für sibirische Bauernkinder und ein Waisenhaus. Auch die Errichtung eines Theaters in Irkutsk ging auf ihre Initiative zurück. Das Haus der Fürstin Wolkonskaja wurde zum kulturellen und gesellschaftlichen Mittelpunkt von Irkutsk.

Wirtschaftlich neue Impulse erhielt die Stadt durch die Anbindung an die Transsibirische Eisenbahn im Jahr 1898. Durch die Bahn konnten die wertvollen Bodenschätze Sibiriens, wie Gold, Erz, Öl und Gas, in großem Umfang abtransportiert werden.

Pulsierende Metropole

Heute ist Irkutsk eine moderne und pulsierende Großstadt. Ihren Status als Bildungsmetropole hat sie im Laufe der Zeit beibehalten. Allein fünf Universitäten beherbergt Irkutsk, dazu kommen zahlreiche Museen und Theater.

Als Verkehrsknotenpunkt der Transsibirischen Eisenbahn ist der Bahnhof der Stadt einer der modernsten und größten Sibiriens. Irkutsk ist zudem direkt an der Angara gelegen, dem einzigen natürlichen Abfluss des Baikalsees.

Das von 1894 bis 1897 erbaute Opernhaus in Irkutsk.

Das Opernhaus in Irkutsk

Der Hafen der Stadt ist deshalb ein wichtiger Umschlagplatz für Güter aus der gesamten Baikal-Region. Zahlreiche Industriezweige haben sich in und um die Stadt herum angesiedelt, darunter Betriebe aus dem Eisenhütten-, Schwermaschinen-, Flugzeug-, Schiff- und Kraftfahrzeugbau sowie der Nahrungsmittel-, Leder-, Holz-, chemischen und Baustoffindustrie.

Auch aus touristischen Gesichtspunkten hat Irkutsk an Bedeutung gewonnen. Nicht nur wegen der vielen historischen Bauwerke kommen die Touristen vermehrt in die Metropole. Die Stadt ist auch ein idealer Ausgangspunkt für Besuche des nahegelegenen Baikalsees, einem der größten Seen der Welt.

See der Superlative

Der Baikalsee liegt etwa 70 Kilometer nordöstlich von Irkutsk und ist ein Naturschauspiel der besonderen Sorte. Mit einer Fläche von mehr als 31.000 Quadratkilometern ist er ungefähr so groß wie Belgien. Mit einer Tiefe von 1625 Metern und einem maximalen Wasservolumen von rund 23.000 Kubikkilometern ist er zugleich der tiefste und wasserreichste See der Welt.

Wegen dieser enormen Tiefe liegt die Wassertemperatur selten höher als zehn Grad Celsius. Ein idealer See zum Baden ist der Baikalsee also nicht, die Sonne kann die große Wassermenge auch im Sommer nicht ausreichend aufheizen. Zudem ist die Oberfläche von November bis Mai komplett zugefroren.

Sowohl im See selbst als auch in seiner Umgebung existiert eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Rund zwei Drittel aller Arten sind endemisch, das heißt, sie kommen ausschließlich in dieser Gegend vor. Dazu gehören einige Fischarten, die sich auf ein Leben in großer Tiefe spezialisiert haben, und die Baikalrobbe, eine von zwei Süßwasserrobbenarten.

Einige Holzhäuser im Winter am Baikalsee im Gegenlicht. Die Oberfläche des Sees dampft.

Im Winter friert die Oberfläche des Baikalsees komplett zu

Schon früh wurden zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt zahlreiche Naturschutzgebiete und Nationalparks in unmittelbarer Nähe des Sees eingerichtet. 1996 nahm sogar die Unesco die gesamte Baikal-Region in die Liste des Weltnaturerbes auf. Dennoch werden die strengen Naturschutzgesetze des Staates Russlands häufig umgangen.

Das Landschaftsbild in der Baikal-Region verändert sich durch Kahlschläge der holzverarbeitenden Industrie beträchtlich. Die Industriebetriebe und die am Ufer gelegenen Städte leiten die Abwässer meist ungeklärt in den See.

Neureiche Russen bauen zudem ihre Wochenendhäuser (Datschas) gerne direkt ans Ufer, obwohl der gesamte See von einer Küstenschutzzone umgeben ist. Eine strengere Auslegung der Naturschutzgesetze wird in Zukunft unumgänglich sein, um die einzigartige Landschaft in der Baikal-Region für die Nachwelt zu erhalten.

Quelle: SWR/WDR | Stand: 28.05.2020, 17:00 Uhr

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