Kirmes bei Nacht

Brauchtum

Geschichte der Kirmes

Karussels, Achterbahn und Budenzauber: Die Kirmes entwickelte sich ab dem Mittelalter aus dem Kirchweihfest, auch Kirchmess genannt. Das Wort "Kirmes" ist also die Kurzform von "Kirchmess" – einem Fest zur Einweihung einer Kirche.

Von Sabine Coen

Familientreffen und Partnerbörse

Wer heute an Kirmes denkt, hat dagegen den Geruch von Popcorn, gebrannten Mandeln und Backfisch in der Nase. Alles ist bunt, überall blinken Lichter und Schausteller machen lautstark auf sich aufmerksam.

Ursprünglich war die Kirmes aber ein Fest zum Gedenken an die Einweihung der Dorfkirche. Das ganze Dorf kam an diesen Tagen auf dem Dorfplatz zusammen, um ausgelassen zu feiern, zu tanzen und gemeisam zu essen. Niemand arbeitete während der Kirchmess, für viele Bauern waren es die einzigen freien Tage im Jahr.

Eines der ältesten Volksfeste in Deutschland ist das Lullusfest in Bad Hersfeld, das seit mehr als 1200 Jahren gefeiert wird und ebenfalls mit der Einweihung einer Kirche begann. 

Jahrhundertelang war die Kirmes ein Fest für die ganze Familie. Die Verwandtschaft kündigte sich an, die Stuben wurden herausgeputzt und im 18. Jahrhundert war es sogar üblich, ganze Häuserfassaden zu streichen. Für junge, heiratswillige Menschen war die Kirmes eine willkommene Gelegenheit, einen geeigneten Partner kennenzulernen.

Das Schaustellergewerbe

Im Lauf der Jahrhunderte gab es auch viele schaustellerische Darbietungen. So traten unter anderem Artisten und Jongleure auf, es wurden außergewöhnliche Menschen, Tiere oder Objekte ausgestellt und Theaterstücke aufgeführt.

Oft übernahmen die Schausteller auch eine pädagogische Aufgabe, indem sie der breiten Öffentlichkeit die neuesten technologischen Erfindungen präsentierten. So gab es bereits 1896 auf Jahrmärkten die ersten Kinovorführungen.

Zunächst waren die Kirmesbesucher nur passive Zuschauer und folgten gebannt den Darbietungen an den Schaubuden. Im 19. Jahrhundert begann die aktive Teilnahme am Geschehen. Karussells, Schaukeln, Wurfbuden und Schießstände gehörten zu den ersten Kirmesbeschäftigungen, später kamen noch Belustigungsgeschäfte wie die Geisterbahn dazu.

Rummelplatz in Leipzig 1844: Viele Besucher, im Hintergrund Schaubuden mit exotischen Tieren

Rummelplatz im Jahr 1844

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Deutschland eine blühende Karussellindustrie. 1885 gab es die erste transportable Rutschbahn, aus der sich 1909 die erste Achterbahn entwickelte. Aus der ehemaligen "russischen Schaukel" wurde das Riesenrad. 1926 kam der erste Autoscooter aus Amerika auf die deutschen Jahrmärkte.

Kirmes heute

"Fliegende Bauten" werden die Geschäfte genannt, die die Schausteller heute meist im Familienbund betreiben. Der gesamte Betrieb ist mobil. So können die Schausteller ihre Geschäfte bequem von Kirmes zu Kirmes transportieren. Während der Kirmessaison von Frühjahr bis Herbst leben die Schausteller und ihre Angestellten in Wohnwagen.

Wirtschaftlich haben die vielen Kirmessen, Jahrmärkte und Volksfeste in Deutschland eine große Bedeutung. Das größte Volksfest ist traditionell das Münchener Oktoberfest – 2023 kamen mehr rund 7,2 Millionen Gäste. Zur Cranger Kirmes und den Cannstatter Wasen in Stuttgart zog es jeweils rund vier Millionen Besucher.

Bei einer Befragung im Jahr 2021 gaben 67 Prozent der Familien an, mindestens einmal im Jahr ein Volksfest, einen Jahrmarkt oder eine Kirmes zu besuchen.

Ein Kettenkarussell.

Ein traditionelles Fahrgeschäft – das Kettenkarussell

(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 15.07.2020)

Quelle: WDR

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