Ein Chinesischer Drache vor der Hochhauskulisse von Hongkong

Drachen

Der chinesische Drache

Die Chinesen haben einen besonderen Umgang mit ihrem Drachen, dem "long". Sie bekämpfen ihn nicht und halten ihn auch nicht für böse. In China gilt der Drache als Urahn der Menschen und als Beherrscher des Wassers.

Von Sine Maier-Bode

Drachenbootrennen

Vor mehr als 2000 Jahren ertränkte sich einer Legende zufolge der geliebte Staatsmann und Dichter Zhu Yuan im Milo-Fluss in der Provinz Henan im Süden Chinas. Es war der fünfte Tag des fünften Mondmonats, eine Zeit, in der Überschwemmungen in dieser Gegend häufig sind. Dass daran nur der im See lebende Drache schuld gehabt haben konnte, glauben noch heute viele Chinesen in der Gegend.

Seit dem Tod des Staatsmannes ziehen deshalb die Anwohner mit drachenbootähnlichen Kanus auf den Fluss, um den Drachen zu beruhigen und ein wenig mit ihm zu spielen, damit er den Staatsmann in Frieden lässt.

Die heutige Drachenboot-Saison dauert mehrere Monate. Die Boote, die für die Rennen verwendet werden, haben Platz für bis zu 80 Mann – Frauen sind in der Nähe des Wassers unerwünscht. Jedes Dorf der Umgebung stellt ein eigenes Boot.

In der Mitte des Bootes befindet sich eine große Trommel, mit der den Paddlern der Takt angegeben wird. An der Spitze des Bootes ist ein geschnitzter Drachenkopf angebracht, der heute allerdings meistens in Fabriken hergestellt wird. Das Drachenbootfest gehört neben dem Neujahrsfest zu den wichtigsten Festen in China und der Drache zu den wichtigsten Fabeltieren.

Paddelboot mit buntem Drachenkopf an der Spitze

Drachenbootrennen werden auch in Deutschland veranstaltet

Urahn aller Chinesen

Die Drachen sind ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Kultur. Schon in dem jahrtausendealten Weisssagungsbuch der Chinesen, dem "I Jing", hat der Drache eine große Bedeutung.

Der Drache bestimmt die Jahreszeiten und die Ernte. Im Winter lebt er im Wasser, im Frühsommer steigt er in den Himmel auf. Das ist in China die Zeit, in der die großen Regenfälle einsetzen.

Laut der Sagen bestimmt der Drache, wie das Wetter sich entwickeln wird. Steigt der Drache zu weit nach oben, wird das Wasser die Erde nicht erreichen und die Ernte wird schlecht. Steigt er nicht hoch genug, so wird es so stark zu regnen beginnen, dass überall Überschwemmungen auftreten.

Das Erscheinen eines Drachen wurde in China auch häufig mit dem Auftauchen einer wichtigen Person in Verbindung gebracht. Wird ein Drache gesichtet, so steht gewiss die Geburt eines Weisen oder eines neuen Kaisers bevor.

Viele Kaiser sahen sich gar selbst als Nachfahren der Drachen. Der Urkaiser und die Urkaiserin Chinas sollen schließlich selber halb Drache, halb Mensch gewesen sein. Noch heute pilgern viele Chinesen zur Stadt Huaiyang, in der der Urkaiser begraben liegen soll. "Drachenstadt" nennen die Chinesen den Ort.

Wie sehen Drachen aus?

Zwar leben die Drachen laut der chinesischen Sagen vor allem in Seen und anderen Gewässern, doch man findet sie eigentlich überall. Auch Bergrücken und Hügelketten können die Heimat von Drachen sein – besonders dann, wenn ihre Form schon an den Körper eines Drachen erinnert.

Die Chinesen stellen sich Drachen ähnlich vor, wie die Europäer es tun. Er wird beschrieben als ein Wesen aus neun verschiedenen Tieren. Demnach hat er den Kopf eines Kamels, die Augen eines Teufels, die Ohren eines Ochsen, die Hörner eines Hirsches, den Hals einer Schlange, den Hinterleib einer Muschel, die Klauen eines Adlers, die Tatzen eines Tigers und den schuppigen Körper eines Fischs.

Manchmal werden die chinesischen Drachen in den Geschichten aber auch anders dargestellt. Das mag auch damit zusammenhängen, dass es verschiedene chinesische Drachen gibt. Allein neun Drachenkinder sind bekannt.

Jedes einzelne dient einer bestimmten Aufgabe: Ein Drachenkind ist für die Musik zuständig, ein anderes für die Literatur, wieder andere für den Kampf oder die Wachsamkeit. Entsprechend ihrer Aufgaben findet man Darstellungen der jeweiligen Drachenjungen an Musikinstrumenten, Grabsteinen, Schwertern oder an Häuserfirsten.

Drachen gehörten auch zu den Insignien der chinesischen Kaiserhäuser. Da sie sich häufig als Nachfahren der Drachen begriffen, befanden sich Darstellungen von Drachen an den kaiserlichen Gewändern, den kaiserlichen Gebäuden oder auf dem kaiserlichen Teeservice.

Den kaiserlichen Thron nannten die Chinesen den Drachenthron. Wer heute allerdings vom "Drachen China" spricht, meint in der Regel die Wirtschaftsmacht China und denkt dabei mehr an einen westlichen, eher bedrohlichen Drachen.

Drachen-Relief an einer Hauswand

Drachen verzieren in China viele Gebäude

Das Jahr des Drachen

Der Drache symbolisiert in China zwar auch Reichtum, doch vor allem steht er für Glück, für Güte und Intelligenz. Deshalb ist das chinesische Sternzeichen "Drache" von besonderer Bedeutung für die Chinesen.

Das chinesische Tierkreiszeichen kennt zwölf Tiere, wobei für jedes Jahr ein anderes Tier steht. Wer im Jahr des Drachen geboren wurde (zum Beispiel 1988, 2000 oder 2012), gilt als besonders glücklich. Da die Chinesen lange Zeit laut Gesetz nur ein Kind zur Welt bringen durften, gab es alle zwölf Jahre – im Jahr des Drachen – einen regelrechten Babyboom. In den Warenhäusern können die Eltern der angeblich besonders glücklichen Kinder dann Strampler, Decken und Spielzeug aller Art mit Drachenmotiven kaufen.

Das Jahr des Drachen verheißt außerdem finanziellen Erfolg. So verwundert es kaum, dass in diesen Jahren besonders gerne Firmengründungen und andere geschäftliche Veränderungen angegangen werden.

Der Drache ist aber nicht nur im Jahr des Drachen von besonderer Bedeutung. Ganz gleich ob das Jahr des Drachen, des Hundes oder der Ratte ansteht: Jedes Neujahr beginnt in China mit einem großen Fest, bei dem immer auch der Drache im Mittelpunkt steht. Er verheißt Glück und Frieden für das neue Jahr.

Riesiger Drache vor Skyline einer Stadt in China

Im Jahr des Drachen dreht sich alles um das Fabeltier

(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 26.05.2020)

Quelle: WDR

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