Reiter vor Sonnenuntergang im Mittleren Westen der USA

Western

Western-Klischees

Die meisten Westernfilme verwenden ähnliche Zutaten: der Mittlere Westen von Amerika, der Westernheld und der Showdown kommen in so gut wie jedem Western vor.

Von Natalie Muntermann

Der Mittlere Westen

Die Landschaft ist karg und unendlich weit, die Natur ist von den Siedlern noch kaum berührt: Western spielen im Mittleren Westen Amerikas. Diese Kulisse ist nicht erfunden, sie basiert auf historischen Ereignissen, die Horace Greeley, Herausgeber der "New York Herald Tribune", im Jahr 1850 mit dem Ausruf prägte: "Go west, young man, and grow up with the country!" ("Gehe nach Westen, junger Mann, und werde mit dem Land groß!")

Die Eroberung und Erschließung der Westgrenze sollte, so die Idee, den Charakter eines jeden US-Amerikaners beeinflussen und prägt das Selbstverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika bis heute. Seit "Ringo – Höllenfahrt nach Santa Fé" ("Stagecoach") hat sich in unserem Gedächtnis keine Westernkulisse so sehr eingeprägt wie das Monument Valley. John Ford hat ihm ein Denkmal gesetzt, das in vielen Filmen zitiert wurde, zum Beispiel in Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod".

Nicht zuletzt der Western hat dazu beigetragen, dass die Westgrenze, die so genannte "frontier", auch eine imaginäre, mythisch aufgeladene wurde. Sie war nicht nur real existierende Westgrenze der Vereinigten Staaten von Amerika, sie stellte vielmehr eine kulturelle Grenze dar: zwischen Wildnis auf der einen und Zivilisation auf der anderen Seite.

An ihr prallen so gegensätzliche gesellschaftliche Werte wie Individuum/Gesellschaft, Freiheit/Verbote, Natur/Kultur aufeinander – auch heute noch, obwohl es die Grenze ja so gar nicht mehr gibt. Hier der Westen Amerikas, dort der Osten. Im Western ist die "frontier" also Grenze in zweifachem Sinne: auf der tatsächlich geografischen, und auf einer metaphysischen individuellen Ebene.

Monument Valley

Die Westernkulisse schlechthin: das Monument Valley

Der Westernheld

Der Cowboy – Inbegriff von Freiheit und Abenteuer – ist eine Kunstschöpfung der Popkultur. Der Westernheld ist eine tragische Figur zwischen den Welten, ein Mann des Übergangs – angelehnt an den echten Kühe hütenden Cowboy, den Prototypen des Menschen im Mittleren Westen: ein in Wildnis, Natur und Einsamkeit lebender Mann. Aus dem in Wirklichkeit entbehrungsreich lebenden Cowboy machte der Mythos den Westernhelden par excellence.

Den einen, wahren Westernheld gibt es nicht. Aber den idealen Westernheld, von dem jeder Westernheld irgendetwas hat, beschreibt Filmkritiker Georg Seeßlen so:

"Ein Mann, kein Junge mehr, der alle Möglichkeiten des Lebens an der Grenze in Erfahrung gebracht hat und sich selbst nicht mehr erklären muss. Er steht auf der Seite des Guten, aber um dort zu sein, hat er eine Menge Zwischenschritte nötig gehabt. Es gehört zum Wesen des Westerners, dass der Held auch einmal die dunkleren, anarchischen Seiten des Lebens an der Grenze durchschritten hat, dass er nur vom Outlaw zum Vertreter der Gerechtigkeit werden kann: Er hat die moralische Geschichte des Westens selbst in seine Person integriert."

Weil also der Westernheld mehrere Stadien durchlaufen muss, um zu sein, was er ist, spielt seine Vergangenheit – und deren Überwindung – eine große Rolle, wie bei der Figur Ringo Kid im Westernklassiker "Ringo – Höllenfahrt nach Santa Fé". Er ist ein ehemaliger Gefangener, der sich im Laufe des Films bewähren muss. Das gelingt ihm natürlich und er wird zum ehrenhaften Cowboy. Der Schauspieler John Wayne ist als Ringo in die Filmgeschichte eingegangen.

Sergio Leone bricht in seinen Italowestern der sogenannten Dollar-Trilogie mit dieser Tradition: Sein Westernheld hat keine Vergangenheit, die er überwinden muss, er hat keine Identität – sein Westernheld ist ein Fremder ohne Namen.

John Wayne als Westernheld

John Wayne war der klassische Westernheld

Der Showdown

Im Western ist der Westen der Vereinigten Staaten immer wild: Es gibt noch keine zivilisierte Gesellschaft. Der Einfluss des Staates ist noch nicht ausgeprägt, und wenn doch, dann traut man ihm besser nicht. Konflikte regeln die Männer von Angesicht zu Angesicht.

Selbstjustiz ist eines der Hauptmotive im Western. Der Gipfel der Konfliktlösung ist der Showdown, meist ein Revolver-Duell, das auf der Hauptstraße im Ort oder in der Stadt ausgetragen wird. Der berühmteste Showdown ist wohl der von "Zwölf Uhr mittags" ("High Noon", 1952), in dem Gary Cooper alias Will Kane – in scheinbarer Einheit von Realzeit und Filmzeit – seinen Widersacher zur Strecke bringt.

Wer zuerst schießt, hat gewonnen: Im Western ist der Kampf zwischen Individualisten ehrenhaft. In den Spätwestern der 1960er und 1970er, insbesondere in "The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz" von Sam Peckinpah, wird mit dieser Tradition gebrochen. Der Showdown gleicht einem fürchterlichen Gemetzel: Die Figuren wehren sich nicht, es ist ihr Schicksal, in den Tod zu laufen. Die Übriggebliebenen gehen über Leichenberge davon.

Filmplakat "The Wild Bunch"

"The Wild Bunch" brach mit einigen Westernklischees

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 29.10.2019)

Quelle: WDR

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