Die Anfänge in den 1950er-Jahren
Am 25. Dezember 1952 geht das deutsche Nachkriegsfernsehen an den Start. Nach einer Eröffnungsrede des Intendanten des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), Dr. Werner Pleister, läuft die erste Sendung: "Stille Nacht, heilige Nacht", ein Spiel um die Entstehung eines unsterblichen Liedes.
Schon einen Tag später strahlt der NWDR um 21 Uhr die erste Fernsehshow aus: "Eine nette Bescherung". Mitwirkende sind die kleine Cornelia Froebess, Ilse Werner und Helmut Zacharias. Als Moderator verpflichten die Programmmacher einen erfahrenen Hörfunkmoderator, der auch bei den amerikanischen Besatzungstruppen als Entertainer gearbeitet hat: Peter Frankenfeld.
Die Verantwortlichen des Programms wollen den schnellen Erfolg, um das neue Medium zu etablieren. Nichts liegt also näher, als erfolgreiche Sendungen des Hörfunks für das Fernsehen zu übernehmen. Mit Peter Frankenfeld landen sie einen Volltreffer. Der Mann mit dem karierten Jackett schafft in kürzester Zeit seinen Durchbruch als beliebter Showmaster. Seine Familienshow "1:0 für Sie", entstanden aus seiner Radiosendung "Wer zuletzt lacht" und gleichzeitig eine öffentliche Veranstaltung vor Publikum, wird ein Quotenrenner.
Mit Hilfe eines Handkatapults holt sich Frankenfeld Kandidaten auf die Bühne, die witzige Aufgaben erledigen müssen – zum Beispiel Luftballons rasieren, sich mit Boxhandschuhen eine Zigarette anzünden oder Bierfässer um die Wette rollen. Die Sendung ist bald so beliebt, dass die Karten für die Show immer in kürzester Zeit ausverkauft sind.
Neben dieser sogenannten "Spielshow" entstehen aber noch andere Formate. 1955 sendet der Bayerische Rundfunk erstmals die Quiz-Show "Was bin ich", ein heiteres Beruferaten mit Robert Lembke. Die Vorlage dazu stammt aus den USA: "What’s my line" des US-Senders CBS. Dort hat das Fernsehen schon eine längere Entwicklung hinter sich. Kein Wunder, dass man auf der Suche nach Unterhaltungsideen auch über den "großen Teich" schaut.
Ab 1957 singt und tanzt sich Caterina Valente durch ihre Unterhaltungsshow "Bonsoir Kathrin". Diese Show gehört zum Typ "Varietéabend". Rund um einen singenden, tanzenden Hauptdarsteller oder eine Hauptdarstellerin werden Programmnummern platziert. "Bonsoir Kathrin" ist dabei eine vorproduzierte Studiosendung, bei der nur einzelne Teile vor einem kleinen Studiopublikum aufgezeichnet werden.
Konkurrenz in den 1960er-Jahren
Am 1. April 1963 bekommt die ARD zum ersten Mal ernsthafte Konkurrenz. Das ZDF nimmt seinen Sendebetrieb auf. Und dann wird es auch noch bunt. Am 25. August 1967 weiht Willy Brandt per Knopfdruck eine neue Ära ein.
Das ist die große Zeit der Show- und Gesangstars wie Peter Alexander, der charmant durch seine Show führt, oder Lou van Bourg und Vico Torriani, die mit dem Startkommando "Kimme, Korn, ran" die Armbrust im "Goldenen Schuss" aktivieren.
In der ARD ist es die große Zeit von Hans-Joachim Kulenkampff. In seinem großen internationalen Quiz "Einer wird gewinnen" treten acht Kandidaten aus acht Ländern gegeneinander an. Kulenkampff kommt aus dem Theaterfach, was er in seinen Sendungen auch immer wieder unter Beweis stellt.
Ein fester Bestandteil seiner Sendung ist die Kulinade. Kuli, wie ihn seine Fans liebevoll nennen, schlüpft dabei in die Rolle von historischen Persönlichkeiten wie zum Beispiel Alexander dem Großen. Diese Einspielfilme dienen dann als Grundlage für die nächste Raterunde.
Unvergesslich ist auch die Abschiedsszene mit Butler Martin alias Martin Jente, dem Produzenten der Sendung. Er verabschiedet Kuli, indem er ihm seinen Mantel bringt und ihm in einem eingespielten Witz noch eine spitze Bemerkung mit auf den Weg gibt. Mit Unterbrechungen gibt es die Sendung bis 1987.
1969 provozieren Dietmar Schönherr und Vivi Bach in ihrer Sendung "Wünsch Dir was" das Fernsehpublikum. Die Sendung ist als zeitkritische Show gedacht. Aktuelle Themen wie Umweltschutz, Kommune oder Generationenkonflikt werden thematisiert.
Bei der Konzeption der Sendung stehen Soziologen und Psychologen beratend zur Seite. Drei Familien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz treten in mehreren Spielrunden gegeneinander an, am Ende der Sendung entscheidet der "Lichttest", wer gewonnen hat.
Immer wieder kommt es zu Skandalen. Eine Kandidatin tritt in einer durchsichtigen Bluse auf, bei einem simulierten Autounfall in einem Swimmingpool geraten Kandidaten in Lebensgefahr. Eine weitere Innovation ist die Show von Rudi Carrell. Von 1965 an zeigt er mit vielen Sketchen und Musik schon Ansätze der heutigen Comedy Shows.
Der Geschmack der Mehrheit in den 1970er-Jahren
In den 1970er-Jahren hat das Experimentieren ein Ende. Leichte Unterhaltung für den Abend ist angesagt und manchmal sogar mit einem guten Zweck verbunden. 1970 startet Wim Thoelke mit "Drei mal Neun" seine Fernsehlotterie zugunsten der "Aktion Sorgenkind" (die 2000 umbenannt wird in "Aktion Mensch"). Schon 1964 hat Peter Frankenfeld in seiner Show "Vergißmeinnicht" diese Aktion ins Leben gerufen.
Der große Star bei "Drei mal Neun" ist der Zeichentrickhund Wum, vom Cartoonisten Vicco von Bülow alias "Loriot" eigens für die Sendung geschaffen. Sein Kumpel, der Elefant Wendelin, gesellt sich in der Nachfolgesendung "Der große Preis" dazu.
Diese Sendungen gehören zu den beliebtesten Shows dieser Zeit. Sie werden am Donnerstagabend ausgestrahlt, der damit zum zweiten festen Showplatz im Fernsehen wird. Und dieser Sendeplatz ist "Spitze", wie die Einschaltquoten belegen – auch deshalb, weil Hans Rosenthal in seiner Spielshow "Dalli-Dalli" von 1970 bis 1986 mit seinem legendären Sprung und dem Ausruf "Das war Spitze!" die Zuschauer begeistert.
Prominente müssen in verschiedenen Spielen, in denen es auf Geschicklichkeit und Schnelligkeit ankommt, ihr Können unter Beweis stellen. Wenn die Kandidaten innerhalb von 30 Sekunden Begriffe raten müssen, überwacht der Moderator die Zeit mit der Stoppuhr und treibt die Kandidaten zur Eile an.
In der ARD findet die Bescherung inzwischen nicht mehr nur an Heiligabend statt. Wer träumt nicht davon, auch einmal bei Rudi Carrell "am laufenden Band" zu stehen. Die Sieger der gleichnamigen Show, bei der ähnlich wie bei "Wünsch dir was" Familien in verschiedenen Spielen gegeneinander antreten, dürfen nämlich Gewinne raffen. Das einzige, was man dazu braucht, ist ein gutes Gedächtnis.
In einer bestimmten Zeit muss der Gewinner der Show sich möglichst viele der auf einem Laufband vorbeilaufenden Gegenstände merken und darf sie mit nach Hause nehmen. Hinter so manchem Gegenstand verbirgt sich auch eine faustdicke Überraschung, mit dem Globus verbindet sich zum Beispiel immer eine Reise, deren Ziel der Kandidat selbst bestimmt, indem er blind auf irgendeine Stelle des Globus tippt.
Das Privatfernsehen kommt: die 1980er-Jahre
Im Januar 1984 beginnt die Ära des "Zappens". RTL und SAT1 verändern die Fernsehlandschaft, die Programmvielfalt nimmt enorm zu. Ganz entscheidend: Die Kommerzialisierung des Fernsehens nimmt ihren Lauf. Das wirkt sich natürlich auch auf die Fernsehshows aus.
Die Privaten versuchen sich an neuen Formaten. Mit "Tutti Frutti" gibt es die erste Stripteaseshow im deutschen Fernsehen. "Der Preis ist heiß" setzt ganz auf Konsumbewusstsein. In dieser Spielshow von RTL, die wie viele andere aus den USA kommt, müssen Kandidaten die Preise von Konsumgütern raten.
Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen entstehen zwei Sendungen, die lange als echte Shows für die ganze Familie fungierten. Frank Elstner erfindet für das ZDF die Sendung "Wetten, dass...?". Die ersten Jahre moderiert er die Sendung noch selbst, 1987 übernimmt Thomas Gottschalk den Staffelstab und führt mit Ausnahme einer zweijährigen Unterbrechung bis 2011 durch die Sendung.
Keiner hat soviel Prominenz auf dem Sofa wie Thomas Gottschalk. Die Stars werden als Wettpaten eingeladen und machen bei der Gelegenheit auch noch Werbung für ihren neuesten Film oder Musiktitel.
Kurt Felix und seine Ehefrau Paola präsentieren "Streiche mit versteckter Kamera". Prominente und Nichtprominente werden in abstruse Situationen geführt und dabei heimlich gefilmt. Das Konzept dieser Sendung stammt aus den USA und wurde vom Briten Chris Howland schon in den 1960er-Jahren unter dem Titel "Vorsicht Kamera!" als kleine wochentägliche Unterhaltungssendung präsentiert.
Für die Neuauflage als große Unterhaltungssendung am Samstagabend werden die Streiche in einer großen öffentlichen Veranstaltung präsentiert und um Show-Acts ergänzt.
Die Streiche werden teilweise mit hohem Aufwand inszeniert: So erwartet den Bergsteiger Reinhold Messner auf dem Matterhorn ein Kiosk, dessen Besitzer unter anderem Kuckucksuhren an Japaner verkaufen will, oder Hellmuth Karasek und Marcel Reich-Ranicki werden auf einer Rückreise kurz vor München auf eine "finnische" Tankstelle gelotst, die ihnen suggerieren soll, sie seien durch ein Raum-Zeit-Loch in die Nähe von Helsinki geraten.
Es gibt aber noch andere große Shows: Joachim Fuchsberger führt durch die Sendung "Auf los geht's los". Unvergessen bleibt sein Auftritt in einem Nachthemd, weil er seine Wettschuld bei "Wetten, dass...?" einlösen muss. Michael Schanze spielt ab 1988 in "Flitterabend" mit frischverheirateten Brautpaaren, die Sieger gehen auf große Reise.
Und Jürgen von der Lippe verulkt in "Donnerlippchen" seine Kandidaten, in einer Sendung, die auch schon viele Elemente der Comedy hat, die in den 1990er-Jahren sehr erfolgreich wird.
Quizshows und Althergebrachtes in den 1990er-Jahren
Die Comedy-Sendung "RTL Samstag Nacht" wird in den 1990er-Jahren ein großer Erfolg. Ein festes Komikerensemble unterhält die Zuschauer mit zum Teil live gespielten Sketchen. Genauso die "Wochenshow", die angeblich "witzigsten Nachrichten der Welt" bei SAT1. Hier werden Nachrichten parodiert, die dazugehörigen Zuspielfilme entsprechend neu synchronisiert.
Die erste abendfüllende Show auf RTL heißt "Traumhochzeit". Mit großem Erfolg spielt Linda de Mol mit unverheirateten Paaren, Höhepunkt der Sendung: Das Siegerpaar heiratet am Ende der Sendung vor laufenden Kameras.
Und plötzlich gibt es im Fernsehen richtig was zu gewinnen. 1993 geht Ulla Kock am Brink mit der "100.000 Mark Show" an den Start. In Aktionsspielen kämpfen drei Paare um den Sieg. Die Show hat bis zu zehn Millionen Zuschauer. Und das ist nur der Anfang.
Die Kombination von Millionengewinn und Quiz soll zum ganz großen Renner werden. 1999 beginnt der Siegeszug von Günther Jauch mit "Wer wird Millionär?" Das Quiz erfährt eine Renaissance und alle machen mit. Ob "Geschichtsquiz", "Tierquiz" oder "Frag doch mal die Maus": Das Quizfieber hat alle gepackt.
Aber es scheint so, als ob die ganz großen Ideen ausbleiben. Die Programmvielfalt und die Konkurrenz unterschiedlicher Formate machen die Entwicklung einer neuen großen Samstagabendshow schwierig. Erschwerend kommt hinzu, dass der schnelle Erfolg gefragt ist. Kein Sender kann sich eine lange Durststrecke niedriger Quoten leisten.
Konsequenz: Alle Sender bedienen sich erfolgreicher Formate und kupfern sie variantenreich ab. Vorbei die Zeit, als Frank Elstner mit einer Flasche Rotwein, einer Schachtel Zigaretten, Papier und Bleistift bewaffnet in der Küche eben mal ein überaus erfolgreiches Konzept für eine Fernsehshow schrieb – so schildert jedenfalls er selbst den Entstehungsprozess von "Wetten, dass...?".
Einzig Stefan Raab schafft es, den langweilig gewordenen Konzepten für die Samstagabend-Unterhaltung etwas entgegenzusetzen. Mit immer neuen Formaten überrascht er die Zuschauer: Sei es, mit dem Wok eine Bobbahn hinunter zu fahren, Prominente vom Zehn-Meter-Turm springen zu lassen oder selbst gegen einen Kandidaten um eine hohe Gewinnsumme antreten zu lassen.