Ein Kind liest im Grundgesetz

Was Medien dürfen

Entwicklung der Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland

Dass in Deutschland Pressefreiheit herrscht, ist für die meisten Bürger und Politiker eine Selbstverständlichkeit. Die Grenzen der Freiheiten von Presse und Rundfunk bleiben allerdings umkämpft.

Von Meike Meyer

Verordnete Pressefreiheit für Westdeutschland

Nach Kriegsende bekam Deutschland von den Alliierten die Pressefreiheit systematisch verordnet. Besonders die USA bemühten sich, der Presse in Deutschland ähnliche Rechte zu verschaffen wie in ihrer Heimat. Die neu eingesetzten, durchaus demokratisch orientierten deutschen Politiker konnten sich zunächst nur schwer vorstellen, Journalisten frei und ohne direkten Zugriff durch die Politik arbeiten zu lassen.

"Es schien unmöglich zu sein, zu einer Gesetzgebung zu gelangen, in der die Presse der regierenden Macht nicht auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert war", erinnerte sich der US-Militärgouverneur Lucius D. Clay in seinen Memoiren an die Zeit um 1946, als die Militärregierung sich darauf vorbereitete, Presse und Rundfunk wieder in deutsche Hände zu geben.

Man teilte den deutschen Landesregierungen daraufhin mit, dass die Lizenzierungen erst dann aufgehoben werden würden, wenn sie Gesetze erlassen hätten, in denen die Freiheit der Presse ausreichend garantiert werde.

Vollständig außer Kraft traten die alliierten Vorbehaltsrechte erst im Mai 1955. Da war die Pressefreiheit schon fest im Grundgesetz verankert: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten", besagt Artikel 5. "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."

Konflikte um die Pressefreiheit

Politiker, die durch die Berichterstattung der Medien in einem schlechten Licht erscheinen, geraten manchmal in Versuchung, gegen die Pressefreiheit anzugehen – so geschehen in der Spiegel-Affäre, als Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß es satt hatte, immer Zielscheibe der Kritik des Nachrichten-Magazins zu sein.

Als "Schweinejournalismus" beschimpfte 1993 der damalige saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine die Berichterstattung des Fernseh-Magazins "Panorama".

Lafontaine soll nach Recherchen von "Panorama" während seiner Amtszeit als Oberbürgermeister in Saarbrücken einen befreundeten Bordellbesitzer vor Razzien gewarnt und ihm Steuervorteile gewährt haben.

In der Folge setzte Lafontaine eine Änderung des saarländischen Presserechts durch, die es Redaktionen verbot, Gegendarstellungen zu kommentieren. Diese Änderung wurde jedoch später durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts rückgängig gemacht.

Auf dem Schwarzweiß-Foto von 1980 wirft Oskar Lafontaine einen Stimmzettel in eine Wahlurne und schaut dabei in die Kamera.

Lafontaine als Saarbrücker Oberbürgermeister

Das Grundrecht der Pressefreiheit kann aber nicht nur den (politischen) Interessen Einzelner zuwider laufen, sondern auch anderen Grundrechten wie zum Beispiel der Menschenwürde desjenigen, über den berichtet wird.

Der zweite Absatz des Grundgesetzartikels 5 ergänzt deshalb: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre."

Die Interessen von Staat und freien Medien prallen dann besonders hart aufeinander, wenn Journalisten Informationen von mutmaßlichen Straftätern erhalten oder von Staatsbediensteten, die damit das Dienstgeheimnis brechen.

Journalisten verfügen über ein in der Strafprozessordnung verankertes Zeugnisverweigerungsrecht. Es garantiert, dass Redaktionen ihre Quellen geheim halten dürfen. Damit verbunden ist ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmungsverbot.

Ohne dieses Recht könnten Journalisten nur schwer ihrer Kontrollfunktion nachkommen und Zusammenhänge aufdecken, die von Machthabern in Politik und Wirtschaft vor der Öffentlichkeit verborgen werden.

Wenn die Informanten fürchten müssten, dass ihre Namen zu ihren Vorgesetzten oder zur Polizei gelangten, würden sie Journalisten wohl lieber nichts mehr anvertrauen.

Einschränkungen des Grundrechts

Wenn die Rechte von Journalisten staatlichen Interessen der Strafverfolgung im Weg stehen, müssen Richter von Fall zu Fall abwägen, welches Gut höher zu bewerten ist.

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat in mehreren Urteilen die Bedeutung der Pressefreiheit unterstrichen. "Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates", verkündete das Gericht im sogenannten Spiegel-Urteil von 1966.

Schwarzweiß-Foto: Drei Männer im Anzug unterhalten sich. Zwischen ihnen steht ein Tisch, auf dem viele Akten liegen. Außerdem steht auf dem Tisch ein Schild, auf dem in Frakturschrift 'Beschwerdeführer' steht.

"Spiegel"-Verleger Augstein (rechts) vor dem Bundesverfassungsgericht

"In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung." Die Verfassungsbeschwerde des "Spiegel" gegen die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen wies das BVG allerdings ab. Die Hälfte der Richter bewertete den Verdacht auf Landesverrat in diesem Fall als wichtiger als den Schutz der Pressefreiheit.

Auch bei Verdacht auf geringere Verbrechen kann sich der Staat Zugang zu den Recherchematerialien von Journalisten verschaffen. Häufig geht es staatlichen Stellen darum, herauszufinden, wer aus der eigenen Behörde Dienstgeheimnisse an die Öffentlichkeit weitergegeben hat. Oder das beschlagnahmte Material soll dazu genutzt werden, andere Straftäter zu identifizieren.

Als auch die unveröffentlichten Aufnahmen einer Demonstration vor dem Atomkraftwerk Brokdorf beschlagnahmt wurden, zog das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) vor das Bundesverfassungsgericht – ohne Erfolg.

Für die Zeit von 1987 bis 2000 hat der Deutsche Journalistenverband mehr als 150 Durchsuchungen und Beschlagnahmungen in Redaktionen verzeichnet: In keinem der Fälle seien die betroffenen Journalisten gerichtlich verurteilt worden.

"Cicero-Affäre" und "BND-Skandal"

Im September 2005 fühlten sich einige Kommentatoren an die Spiegel-Affäre erinnert: Das Landeskriminalamt Brandenburg durchsuchte die Wohnung von Bruno Schirra, Journalist beim politischen Monatsmagazin "Cicero".

Der Vorwurf lautete: Beihilfe zum Geheimnisverrat. Schirra hatte ein halbes Jahr zuvor einen Artikel über den Topterroristen Abu Musab al-Sarkawi veröffentlicht und dabei detailliert aus einem geheimen Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes zitiert.

Zwei Hände halten eine Ausgabe des Magazins 'Cicero' in die Kamera, auf dem eine Zeichnung von Joschka Fischer zu sehen ist. Im Hintergrund liegen weitere 'Cicero'-Ausgaben.

Die "Cicero"-Affäre brachte Innenminister Schily in Bedrängnis

Die Ermittler durchsuchten auch die Redaktion des "Cicero" und zogen eine Kopie der Festplatte eines Redakteurs, der regelmäßigen Kontakt zu Schirra hielt. Durch solch ein Vorgehen werde das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten ausgehebelt, kritisierte der Deutsche Presserat. Otto Schily, zu der Zeit Bundesinnenminister, verteidigte dagegen entschieden das Vorgehen der Behörden. Die Pressefreiheit rechtfertige keine Gesetzesbrüche.

Im Frühjahr 2006 wurde bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst seit mehr als zehn Jahren mehrere Journalisten bis ins Privatleben hinein hatte bespitzelt lassen, um undichte Stellen in den eigenen Reihen aufzuspüren. In den Leitartikeln war erneut viel von der Spiegel-Affäre die Rede.

(Erstveröffentlichung 2013. Letzte Aktualisierung 28.09.2020)

Quelle: WDR

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