Das Riesengebirge, gemalt von Caspar David Friedrich.

Tschechien

Tschechische Sagen

In Tschechien sind Sagen und Legenden Teil des Nationalgefühls: Sie handeln von strengen Wintern, den verschiedenen Volksgruppen und natürlich von der Hauptstadt Prag.

Von Danielle Schippers

Die Gründungssage von Prag

Wie viele große Städte hat auch Prag eine Gründungslegende. Die romantische Sage handelt von der weisen Seherin Libussa, die dem adeligen Fürsten – ihrem späteren Gatten – Přemysl durch ihre Prophezeiungen auf den Thron half. Aus dieser Verbindung soll auch die lange in Böhmen herrschende Dynastie der Přemysliden hervorgegangen sein.

Auf einem Hang über der Moldau, mit Blick auf ein Tal, soll Libussa eine Vision gehabt haben: In der Prophezeiung erschien ihr eine Stelle im nahen Wald, an der ein Mann mit seinem Sohn gerade eine Schwelle für sein neues Haus zimmerte. Přemysl solle dort seine neue Burg errichten, so die Vision.

Das Symbol der Türschwelle garantiere ihm den Respekt seiner Gegner. Denn selbst der mächtigste Herrscher müsse um Erlaubnis fragen, wenn er das Haus eines Fremden betritt. Dann würden sich Könige und Fürsten vor der Größe und Pracht der Festung in Demut verbeugen. Libussa gab dem Ort den Namen, Prag, nach dem slawischen Wort für "Schwelle", "prah".

Prag bei Nacht.

Prag – schön und geheimnisvoll

Rübezahl und Katharina

Der im deutschsprachigen Raum wohl bekannteste Riese ist der launische "Herr der Berge", Rübezahl. Er wohnt der Sage nach im östlichen Böhmen im Riesengebirge und hilft den Menschen, wenn er gute Laune hat. Ist er aber schlecht gelaunt, gibt es Gewitter und Stürme, vor allem wenn man ihn laut beim Namen nennt und so verspottet. Rübezahl kann in Menschen- oder Tiergestalt auftreten, ist aber auch in jedem Stein und Baum zu finden.

Den Teil der Sage, in dem Rübezahl sich eine Braut sucht, kennen in Deutschland nur wenige. In Tschechien und Polen aber ist er weit verbreitet. Der Sage nach soll Rübezahl, in Tschechien Krakonosch gerufen, sich sehr einsam gefühlt haben. Er flog in den nächsten Gebirgszug, ins weiter südöstlich gelegene Adlergebirge, das heute wie das Riesengebirge auf der Grenze zwischen Tschechien und Polen liegt.

Dort herrschte die schöne und gütige Prinzessin Katharina, tschechisch Kacenka. Rübezahl fasste sich ein Herz und hielt um ihre Hand an. Kacenka aber wollte ihn nicht heiraten, sondern nur mit ihm befreundet sein. Sie sagte, es bringe Unglück über zwei Bergwelten gleichzeitig zu herrschen. Da zog Rübezahl gekränkt in sein Gebirge zurück, gefolgt von schlimmen Gewittern und Stürmen.

Seitdem weht ein kalter und stürmischer Wind vom Riesengebirge zum Adlergebirge herüber. Und wenn der erste Frost kommt und Schneestürme toben, sagen die Menschen dort, es sei wohl mal wieder der beleidigte Rübezahl, der böse Grüße schickt.

Der Golem von Prag

In der jüdischen Mythologie taucht der Golem in verschiedenen Varianten auf. Ein Golem bezeichnet allgemein ein aus Lehm geformtes, willenloses Wesen, das von einem Gelehrten durch religiöse Rituale zum Leben erweckt wird und fortan den Befehlen seines Schöpfers gehorcht. Auch in tschechischen Legenden taucht ein solches Geschöpf auf.

Prag war im Spätmittelalter das Zentrum der gelehrten Juden, dort lebte auch der historisch belegte Rabbi Löw. Er soll der Sage nach einen Golem erschaffen haben, um seine Gemeinde vor den Anfeindungen der Prager Bürger zu schützen.

Den Juden wurde vorgeworfen, zu rituellen Zwecken Kinder ermordet zu haben. Rabbi Löw formte also eine menschenähnliche Gestalt aus dem Lehm der Moldau und blies ihr nach biblischem Vorbild Leben ein, wie es Gott bei Adam getan haben soll.

Der Golem sollte die jüdischen Viertel nachts bewachen und bei religiösen Feiern helfen. Er sollte außerdem den Pragern ein Zeichen für die Gutmütigkeit der Juden sein, indem er ihnen half, schwere Lasten zu tragen oder andere Arbeiten erledigte. Der Rabbi heftete ihm zusätzlich einen Zettel mit dem hebräischen Wort für Wahrheit ("emeth") an die Stirn, um die Prager an die jüdische Rechtschaffenheit zu erinnern.

Der Golem aber wurde durch die viele Arbeit immer größer und wilder, bis der Rabbi ihn nicht mehr kontrollieren konnte und er nachts durch Prags Straßen wütete. Rabbi Löw soll daraufhin aus dem Wort "emeth" einen Buchstaben entfernt haben: "Meth" steht für Tod, daraufhin sei der Golem gestorben.

Die Golem-Legende wird in unterschiedlichen Variationen erzählt: In anderen Versionen werden entweder die Schöpfung des Golems ausgeschmückt oder seine Schandtaten; in einer Legende wird der Rabbi vom umfallenden Riesen erschlagen.

Filmszene: Zwei Männer umklammern den Golem.

Der Golem in einer Verfilmung von 1920

Die Karlsbrücke – erbaut aus Eiern

Was der Eiffelturm für Paris, ist die berühmte Karlsbrücke für Prag. Eine tschechische Sage über diese Brücke, die über die Moldau führt, hat sich 2007 als Tatsache herausgestellt.

Die Prager erzählten sich die Legende, Kaiser Karl IV. habe 1357 bei Baubeginn der Brücke die gesamte böhmische Bevölkerung um Hilfe gebeten. Er habe seine Landsleute aufgerufen, ihre Vorräte an Eiern, Milch und Wein zur Baustelle zu bringen. Der Architekt brauche diese Zutaten, um den Mörtel besonders widerstandsfähig zu machen.

Im Jahr 2007 haben Wissenschaftler der Chemisch-Technologischen Hochschule (VŠCHT) in Prag während Sanierungsarbeiten an der Karlsbrücke Proben der Fundamente genommen, um die Zusammensetzung des Mörtels zu untersuchen. Dieser Mörtel scheint extrem gut zu halten, die Karlsbrücke ist eine der ältesten Steinbrücken Europas.

Das Ergebnis der Analysen war überraschend: Anscheinend hatte der Architekt im 14. Jahrhundert tatsächlich Eier in den Mörtel gemischt. Die Forscher konnten ein proteinhaltiges Bindemittel nachweisen, das fast ausschließlich aus Eiern oder Milchprodukten gewonnen wird.

Karlsbrücke in Prag.

Mit Nahrungsmitteln erbaut – die Karlsbrücke

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 24.08.2021)

Quelle: WDR

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