Ein von Bäumen und Sträuchern umrankter Bachlauf

Bayerischer Wald

Nationalpark Bayerischer Wald

Als am 7. Oktober 1970 der Nationalpark Bayerischer Wald feierlich eingeweiht wurde, beschritt der deutsche Naturschutz Neuland – denn es war der erste Nationalpark auf deutschem Boden. Der Bayerische Wald schien wie dafür gemacht.

Von Tobias Aufmkolk

Eine Idee nimmt Formen an

Lange hatten die Befürworter eines Nationalparks im Bayerischen Wald für ihre Idee gestritten. Die Planungen waren bereits in den 1930er-Jahren weit fortgeschritten, doch der Zweite Weltkrieg machte dem Naturschutz einen Strich durch die Rechnung.

Nach dem Krieg dauerte es sehr lange, bis die Idee wieder aufgegriffen wurde. Erst als sich der deutsche "Naturschutz-Papst", der Zoologe und Naturfilmer Bernhard Grzimek, 1966 in die Diskussion einschaltete, kam Fahrt in die Umsetzung der schon bestehenden Pläne.

Wenige Jahre später war es dann so weit: Nachdem der Bayerische Landtag im Juni 1969 einstimmig die Einrichtung des Parks beschlossen hatte, konnte Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann den Nationalpark Bayerischer Wald gut ein Jahr später eröffnen.

Durch seine Aussage "Wir wollen einen Urwald für unsere Kinder und Kindeskinder" nahm Eisenmann auch das heutige Motto aller deutscher Nationalparks vorweg: "Die Natur Natur sein lassen".

Die Natur gestaltet sich selbst

Die Einrichtung von Nationalparks verfolgt generell die Zielsetzung, großräumige, ursprüngliche und intakte Naturlandschaften umfassend zu schützen und für die kommenden Generationen dauerhaft zu erhalten. Im stark zersiedelten Mitteleuropa gibt es nur noch wenige dieser ursprünglichen Naturlandschaften. Vor allem die einst riesigen Wälder wurden in den vergangenen Jahrhunderten zu großen Teilen abgeholzt.

Der Bayerische Wald an der Grenze zu Tschechien ist zusammen mit dem angrenzenden Böhmerwald eines der wenigen verbliebenen, geschlossenen Waldgebiete in Mitteleuropa. Aus diesem Grund richtet die Parkverwaltung ihr Hauptaugenmerk auf die Bewahrung und die Ausweitung des ursprünglichen Waldbestandes.

Schon knapp die Hälfte der 24.250 Hektar des Nationalparks kommt ohne lenkende Eingriffe des Menschen aus. Das heißt, hier wird die Natur vollkommen sich selbst überlassen. Egal ob Wind, Schnee, Insekten oder Pilze den Wald "zerstören": Der Mensch bleibt außen vor und schaut sich nur an, wie die Natur sich regeneriert. Langfristig sollen sich 75 Prozent der gesamten Parkfläche so immer wieder neu gestalten.

Ein Fichtenwald an einem Waldweg. Vor den Fichten liegen geschlagene Baumstämme.

Die Fichten verdrängten die alten Wälder

Der Urwald kommt zurück

Über Jahrhunderte hinweg war der Wald die wichtigste Lebensgrundlage für die Bewohner des Bayerischen Waldes. Im Mittelalter waren es zunächst Mönche, die erste Freiflächen in den zuvor menschenleeren Wald rodeten. Bauern zogen nach und benötigten weitere Flächen für ihre Felder.

Doch erst im Spätmittelalter kam es zu den ersten massiven Rodungen in der gesamten Region. Mobile Glashütten benötigten für die Fertigung ihrer Produkte große Holzmengen. Waren die Flächen in ihrer Umgebung abgeholzt, zogen sie an einen neuen Standort weiter.

Ab 1850 setzte die moderne Forstwirtschaft ein. Wegen Unproduktivität wurden die alten Wälder großflächig abgeholzt. An ihre Stelle traten riesige Fichtenmonokulturen, die schnell wuchsen und einen reichen Ertrag brachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der alte Urwald bis auf wenige Restbestände vollkommen zerstört.

Die wenigen verbliebenen Flächen des ursprünglichen Bayerischen Waldes sind für die Naturschützer das Anschauungsmaterial, wie große Teile des Nationalparks in Zukunft wieder aussehen sollen. In den unteren Hanglagen bis 700 Meter Höhe machen natürliche Fichtenbestände den Großteil des Baumbestandes aus.

Bis 1150 Meter Höhe werden die Wälder von Buchen und Tannen dominiert, dazu kommen seltenere Baumarten wie Bergahorn, Spitzahorn, Bergulme, Sommerlinde, Esche, Eibe und Vogelkirsche.

Noch weiter oben dominieren wieder die natürlichen Fichtenwälder, da aus klimatischen Gründen kaum noch andere Baumarten in dieser Höhe wachsen. Dadurch, dass die Natur sich wieder selbst überlassen wird, siedeln sich im Schatten der Bäume auch wieder viele einst ungeliebte Pflanzenarten an. Hierzu gehören unter anderem diverse Farne, Moose, Flechten und seltene Blütenpflanzen.

Abgestorbene und umgestürzte Bäume, dazwischen neuer Bewuchs mit Farnen und anderen Pflanzen.

Das Ziel: zurück zum Urwald

Die wilden Tiere ziehen nach

Ende des 19. Jahrhunderts stand es schlecht um viele Tiere im Bayerischen Wald. Die großen Raubtiere waren zu diesem Zeitpunkt bereits alle ausgerottet. Braunbär, Wolf und Luchs waren ab 1850 nicht mehr anzutreffen. Doch auch viele Kleinsäuger und Vögel verloren durch die intensive Waldwirtschaft ihren angestammten Lebensraum. So mussten viele Tierarten im Laufe der vergangen vier Jahrzehnte wieder angesiedelt werden.

Habichtskauz und Kolkrabe haben sich so wieder in den Nationalparkwäldern etabliert. Schwarzstorch und Wanderfalke kehrten von selbst als Brutvögel zurück. Andere Tierarten wie Fischotter, Wildkatzen, Biber und Rauhfußhühner finden wieder wertvolle Rückzugsgebiete in den geschützten, von Menschen kaum betretenen Bereichen und vermehren sich erfolgreich.

Ein Fischotter auf einem Stein.

Auch der Fischotter ist zurückgekehrt

Prestigeprojekt Luchs

Als Flaggschiff des Nationalparks gilt die Wiederansiedelung des Luchses. Zu Beginn der 1970er-Jahre wurden in einer heimlichen Aktion einige Luchse im Gebiet des Nationalparks freigelassen. Wie viele Tiere es waren, kann – oder will – bis heute niemand genau sagen. Aus Angst vor Ressentiments in der Bevölkerung wurde diese Auswilderung noch heimlich vorgenommen.

In den 1980er-Jahren kamen dann noch mal 17 Tiere auf der angrenzenden tschechischen Seite hinzu. Wenige Jahre später hatte sich der Bestand ausgeweitet. Schätzungen gehen von 70 bis 100 Tieren in der Grenzregion Bayerischer Wald/Böhmerwald aus.

Dennoch ist das Überleben dieses majestätischen Raubtieres nach wie vor nicht gesichert. Die Population stagniert seit Jahren. Die Gründe dafür sind noch nicht hinreichend bekannt. Die ohnehin hohe natürliche Sterblichkeit bei den Luchsen könnte durch Straßen und andere menschliche Ursachen noch erhöht werden.

So gehen Naturschützer von einer hohen Dunkelziffer an illegalen Abschüssen aus, da die Raubkatze in den Augen vieler Jäger ein zu großer Nahrungskonkurrent ist und zudem das Wild scheu macht.

Eurasischer Luchs mit Jungtier

Noch ist die Zukunft des Luchses ungewiss

Nationalpark hautnah

Nur wenige Besucher des Nationalparks werden jemals einen der scheuen Luchse zu Gesicht bekommen. Nicht nur aus diesem Grund hat die Parkverwaltung im Laufe der Zeit ein großes Bildungs- und Besucherangebot entwickelt. In den zwei Nationalparkzentren Lusen und Falkenstein wurden große Tierfreigelände eingerichtet, in denen die seltenen Vogel- und Säugetierarten des Nationalparks hautnah besichtigt werden können.

Auch ehemals im Bayerischen Wald beheimatete Tiere wie der Braunbär und der Wolf sind hier untergebracht. Die Tiere werden allerdings nicht wie in Zoos direkt zur Schau gestellt, sondern haben auf den großflächigen Arealen genug Raum zum Rückzug.

Neben den Tierfreigehegen gibt es im Nationalpark noch zahlreiche Lehr- und Erlebnispfade, ein waldgeschichtliches Museum, eine Steinzeithöhle, ein Jugendwaldheim, eine internationale Begegnungsstätte und einen Waldspielplatz.

Dazu bietet die Nationalparkverwaltung zahlreiche Führungen zu verschiedenen Themen innerhalb des Parks an. Wer den Nationalpark dagegen lieber alleine erkunden möchte, kann dies auf mehr als 300 Kilometern markierter Wanderwege oder 200 Kilometern Radwege tun.

Wanderer vor Hinweistafel

Der Nationalpark lockt mit vielen Wanderwegen

(Erstveröffentlichung: 2010. Letzte Aktualisierung: 07.07.2020)

Quelle: WDR

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