Seitliche Porträtaufnahme Paco de Lucias mit Vollbart und leicht ergrautem Haar.

Flamenco

Paco de Lucia

Wenn überhaupt ein Musiker einen ganzen Musikstil repräsentieren konnte, dann war das für den Flamenco der Gitarrist Paco de Lucia. Kein anderer war so fest und stilsicher in der Tradition verwurzelt, und kein anderer wagte zugleich so mutige und künstlerisch fruchtbare Experimente. Jahrzehntelang prägte er mit Auftritten in der ganzen Welt als Solist, mit eigenen Formationen und an der Seite von Sängern und Tänzern das Gesicht des Flamenco. Allein unter seinem eigenen Namen hat er über 50 Schallplatten und CDs veröffentlicht. Unter den zahlreichen Auszeichnungen wie dem Flamenco-Grammy, die er für seine Musik bekommen hat, ist der wichtigste der hochdotierte Prinz-von-Asturien-Preis, der als spanischer Nobelpreis der Künste gilt.

Von Johannes Hirschler

Geboren für den Flamenco

Paco de Lucia wird 1947 in Algeciras, einer Hafenstadt an der Straße von Gibraltar, in eine Familie von Musikern hineingeboren.

Wenn er frühmorgens aufsteht, erfüllen fast immer Flamencoklänge den Innenhof seines Elternhauses. Sein Vater verdient seinen Lebensunterhalt als Gitarrist auf den privaten Festen der Reichen. Wenn die Arbeit getan ist, dann kommen die Musiker mit ihm nach Hause und feiern weiter bis zum Morgengrauen.

Paco de Lucia lernt den Flamenco vom Gesang seiner Schwester und vom Gitarrenspiel seiner Brüder, lange bevor er selbst ein Instrument halten kann. Er ist Autodidakt. Als er neun wird und lesen und schreiben gelernt hat, nimmt ihn sein Vater von der Schule, weil er sie nicht mehr bezahlen kann. Von da an übt Paco de Lucia jeden Tag zehn bis zwölf Stunden Gitarre.

Traditionalist und Erneuerer

Mit 14 nimmt Paco de Lucia gemeinsam mit seinem Bruder Pepe seine erste Platte auf und gewinnt den Flamenco-Wettbewerb von Jerez. Er geht mit der Tanzgruppe von José Greco auf Tournee. Zu dieser Zeit sind die Gitarristen noch ausschließlich der Tradition verpflichtet. Neuerungen sind undenkbar, und Paco de Lucia spielt ganz im Stil eines Nino Ricardo, Ramón Montoya und Augustín Sabicas.

1964 nimmt er seine erste Soloplatte auf. Fünf Jahre später beginnt er eine lange und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Sänger Camarón de la Isla, die sich auch in vielen Plattenaufnahmen niederschlägt. Er begleitet verschiedene Sänger und Tanz-Compagnien, und 1973 landet er einen Nummer-Eins-Hit mit dem Stück "Entre dos Aguas".

Anfang der 1980er Jahre schlägt er neue Wege ein. Er gründet mit seinem Bruder Pepe ein Sextett und beginnt im Flamenco bislang unbekannte Instrumente wie Querflöte, Bass und Bandoneon zu integrieren.

Und er arbeitet stilübergreifend. 1981 nimmt er gemeinsam mit den Jazzgitarristen John McLaughlin und Al Di Meola das Album "Friday Night in San Francisco" auf. Jazz und Flamenco befeuern sich zu unbeschwerten und virtuosen Höhenflügen. Die Platte wird ein Millionenerfolg und Paco de Lucia weltberühmt. Später folgen noch zwei Alben in dieser Besetzung.

Gitarrist Al di Meola

Al di Meola und Paco de Lucia vershcmolzen Jazz mit Flamenco

Zu Hause in Spanien schmeckt sein Stil vielen Traditionalisten nicht. Sie übersehen, dass Paco de Lucia genau weiß, wann er reinen traditionellen Flamenco spielt und wann er experimentiert, und wollen einen vermeintlich "authentischen" Flamenco konservieren.

Er selbst sagt dazu: "Ich spürte damals, dass es nicht gut ist, Flamenco-Musik in einen Käfig zu sperren, sie wie in einem Flamenco-Museum aufzubewahren, denn so wie sie ist, muss sie eine lebendige und sich entwickelnde Form von Musik sein. Ich hatte immer das Gefühl, dass man die Tradition achten muss, aber nicht, indem man ihr blindlings gehorcht; man muss sie respektieren, aber gleichzeitig muss man seine Epoche und die Zeit, in der man lebt, mit allen Formen von Musik und allen musikalischen Entwicklungen zu beschreiben versuchen."

Wohl deshalb arbeitet er nicht nur mit Jazzmusikern, sondern auch mit Klassischen Orchestern und Popkünstlern zusammen.

Paco de Lucia hat auf der Gitarre, im Gesang und in den Bereichen der Improvisation und des Arrangements viele Entwicklungen angestoßen und erst möglich gemacht. Dass der Flamenco sich ungebrochen weiterentwickelt und nicht nur in Spanien eine wichtige Rolle spielt, ist zu einem guten Teil sein Verdienst.

Paco de Lucia sitzt in weißem Hemd und schwarzer Weste auf einer Bühne und spielt Gitarre.

"Es ist nicht gut, Flamenco einzusperren"

Im Juli 2004 wurde er mit dem international renommierten Prinz-von-Asturien-Preis ausgezeichnet, dem wichtigsten spanischen Kunstpreis, der jährlich in acht Sparten vergeben wird. Am 25. Februar 2014 erliegt Paco de Lucia im Alter von 66 Jahren einem Herzinfarkt.

(Erstveröffentlichung 2004, letzte Aktualisierung 31.07.2018)

Quelle: WDR

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