Muslimische Kinder nehmen am Islamkunde-Unterricht teil.

Islam

Islamunterricht in Deutschland

Seit Jahrzehnten wird darüber diskutiert, ob islamischer Religionsunterricht an deutschen Schulen stattfinden soll. Muslimische Schüler gibt es viele – doch es fehlt an Lehrern.

Von Martina Frietsch

Islamunterricht ist gewünscht

Als der Wissenschaftsrat im Jahr 2010 die Ausbildung von Islamlehrern für deutsche Schulen forderte, lief er im Grunde offene Türen ein. Politiker quer durch alle Parteien, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie etliche islamische Verbände schlossen sich der Forderung an.

Doch bereits die Besetzung der Beiräte, die für die Zusammenarbeit zwischen dem Staat und der muslimischen Glaubensgemeinschaft zuständig sein sollen, sorgte für heftige Diskussionen. Zu unterschiedlich sind bei den islamischen Verbänden die Vorstellungen, wie Deutschlands junge Muslime unterrichtet werden sollten. Und eine zentrale Vertretung, die für alle zuständig ist, gibt es nicht.

Der Bedarf wächst

Wie viele Schüler bundesweit muslimischen Glaubens sind, kann bislang nur geschätzt werden. Die Zahlen gehen weit auseinander – von 700.000 bis 900.000. Sicher ist nur: Es werden mehr. Viele Bundesländer haben auf den veränderten Bedarf bereits reagiert und bieten seit einigen Jahren im Rahmen von Modellversuchen Islamkundeunterricht an.

Allen voran Nordrhein-Westfalen: 1999 startete der Islamkundeunterricht in deutscher Sprache. Etwa 130 Schulen beteiligen sich daran. Nun soll der Unterricht so bald wie möglich für alle rund 300.000 muslimischen Schüler landesweit eingeführt werden.

Baden-Württemberg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz haben Versuchsprojekte gestartet, die bald zum Regelunterricht führen sollen. Bayern hat mehrere Modelle versuchsweise gleichzeitig. Nur in den neuen Bundesländern stellt sich die Frage des Islamunterrichts gar nicht erst – dort leben zu wenige Muslime.

Dringend benötigt: Islamkundelehrer

Bisher konnte der Islamkundeunterricht, der auch von der Mehrheit der muslimischen Eltern gewünscht wird, nicht realisiert werden. Das hat zwei wesentliche Ursachen: Zum einen gibt es kaum Lehrer, die speziell dafür ausgebildet wurden. Im Jahr 2008 unterrichteten an allen deutschen Schulen insgesamt 350 Lehrer Islamkunde.

Den bundesweit ersten Studiengang für künftige Islamlehrer bot ab 2004 die Universität Münster an. Osnabrück und Tübingen folgten. In Osnabrück werden auch Imame ausgebildet. Um den Bedarf bundesweit zu decken, würden aber schätzungsweise 2000 Lehrer benötigt – bis so viele Lehrkräfte ausgebildet sind, wird es noch Jahre dauern.

Auch die Ausbildung der Lehrer selbst sowie die Gestaltung der Lehrpläne für die Schulen stellen den Staat, der für die Organisation des Unterrichts zuständig ist, vor Probleme, denn für die Inhalte des Unterrichts ist die religiöse Seite verantwortlich.

Und hier fehlt bei den Muslimen wieder der Ansprechpartner – oder es gibt gleich mehrere. Islamkunde-Problem Nummer zwei: Islam ist nicht gleich Islam. Es gibt unterschiedliche Richtungen, verschiedene Vertretungen in Deutschland – nur eines gibt es nicht: einen Verband, der für alle Muslime in Deutschland sprechen kann.

Eine Mädchen liest am Montag (27.08.2012) in Bonn (Nordrhein-Westfalen) an der Robert-Koch-Schule während des islamischen Religionsunterrichts in einem Schulbuch. Zu diesem Zeitpunkt wurde bis zunächst 2019 befristeter Islamunterricht eingeführt.

Islamkundeunterricht wird von vielen Eltern gewünscht

Lehren in der Fremde

Bevor es die Modellversuche gab, blieb muslimischen Kindern und Jugendlichen für die religiöse Erziehung nur der Gang in die Moschee. Die Imame, die dort unterrichten, werden jedoch oft nur für wenige Jahre nach Deutschland entsandt, viele vom türkischen Staat, der sie auch bezahlt. Oft kennen sie weder das Land, in dem ihre Schützlinge aufwachsen, noch die Landessprache. Unterrichtet wird auf Türkisch oder Arabisch, und das Bild, das sie vermitteln, ist in den meisten Fällen sehr konservativ.

Der Unterricht, der an deutschen Schulen angeboten werden soll, sieht anders aus: Unterrichtet wird auf Deutsch, die Lehrer haben eine pädagogische Ausbildung und: Der Unterricht soll einen Beitrag zur Integration leisten.

Die Eltern der Schüler scheinen bereit, sich auf diesen neuen Weg einzulassen. In Nordrhein-Westfalen nutzen rund 90 Prozent der muslimischen Schüler freiwillig den Islamkundeunterricht, wenn er angeboten wird. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft schätzt, dass 80 Prozent der Muslime in Deutschland den Unterricht in deutschen Schulen wünschen.

Eine ähnliche Position vertreten auch der Islamrat in Deutschland, der eher konservative Koordinationsrat der Muslime und der Zentralrat der Muslime. Widerspruch gibt es vom größten Zusammenschluss deutscher Moscheegemeinden, Ditib: In Deutschland ausgebildete Imame würden nicht benötigt. Ditib untersteht direkt dem türkischen Staat, der Imame nach Deutschland sendet und bezahlt.

Quelle: SWR | Stand: 26.06.2019, 15:45 Uhr

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