Das Jüdische Museum von außen. Zu sehen ist ein schief wirkendes, modernes Gebäude. Durch die metallisch glänzende Außenfassade ziehen sich Risse.

Judentum

Das Jüdische Museum in Berlin

Das Jüdische Museum in Berlin bietet eine beeindruckende Zeitreise durch zwei Jahrtausende deutsch-jüdischer Vergangenheit. Dabei bekommt der Besucher auch einen guten Einblick in die jüdische Religion und die damit verbundenen Traditionen.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Das Museum als Kunstwerk

Besucher des Jüdischen Museums, die sich zum ersten Mal die Ausstellung ansehen, sind schon vom bloßen Anblick des Gebäudes fasziniert. Die hochmoderne, "dissonante" Architektur von Daniel Libeskind ist spektakulär.

Der zinkverkleidete Museumsbau irritiert und fasziniert zugleich. Die Gänge sind schief, der Eingang versteckt, die Fenster gleichen zerfetzten Scharten.

Das Museum ist selbst ein Ausstellungsstück, ein begehbares Kunstwerk, das die Zerrissenheit der jüdischen Geschichte in Deutschland widerspiegeln soll. Symbolisch wird der gebrochene Bau durch die Achsen der "Kontinuität", des "Exils" und des "Holocaust" zerfurcht.

Dauerausstellung in 14 Abschnitten

Das Museum präsentiert in 14 Abschnitten seine Dauerausstellung, eine Erlebnisreise durch die reiche deutsch-jüdische Vergangenheit und Kulturgeschichte, deren Bogen von den frühesten Zeugnissen über das Mittelalter bis in die Gegenwart reicht.

Den Anfang macht ein Ausstellungssegment über die ersten jüdischen Händler, die mit der römischen Armee in die Gebiete des heutigen Deutschlands kamen.

Anschließend erfährt der Besucher vom friedlichen Zusammenleben von Juden und Christen im frühen Mittelalter, von zunehmender Unterdrückung und Antisemitismus, von der Katastrophe der Shoah und schließlich vom heutigen Leben der Juden in Deutschland.

Die einzelnen Abschnitte der Ausstellung gehen aber nicht nur ereignishistorisch vor, sondern erzählen die Geschichte der Juden in Deutschland auch anhand von Biografien sowie mithilfe der sich verändernden Traditionen und Lebensstile.

Im Bereich "Tradition und Wandel" werden zum Beispiel die jüdischen Religionsgesetze und ihre Auswirkungen auf den Alltag thematisiert, gefolgt von einem Abschnitt, der sich mit dem Wandel der religiösen Bräuche und Rituale im 19. Jahrhundert befasst.

Bereichert wird die Ausstellung noch durch interaktive Elemente und Medienstationen sowie durch zwei integrierte Kunstinstallationen. Besonders die "Leerstelle des Gedenkens", ein Betonraum mit mehr als 10.000 aus Eisenplatten geschnittenen Gesichtern mit weit geöffneten Mündern, wirkt auf den Besucher beeindruckend. Die Installation von Menashe Kadishman trägt den Titel "Shalechet" (Gefallenes Laub) und erinnert an die vielen Opfer des Holocaust.

Ein kahler Betonraum. Am Boden liegen viele aus Eisenplatten geschnittene Gesichter mit weit geöffneten Mündern.

"Leerstelle des Gedenkens"

Führungen durch eine jüdisch-deutsche Welt

Regelmäßig finden mehrere öffentliche Führungen durch die Dauerausstellung statt. Gruppen können auch selbst nach Interesse festlegen, welche inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden sollen. So liefert die Führung "Jüdisches Leben, jüdische Traditionen" einen sehr guten Einblick in den vom Religionsgesetz Halacha bestimmten Alltag.

Dabei wird auch gezeigt, wie die religiösen Rituale im Lauf der Zeit zum Teil den veränderten Lebensbedingungen angepasst wurden. Auch für Kinder zwischen fünf und elf Jahren gibt es eine Führung, die sich mit den jüdischen Traditionen im Wandel der Jahrhunderte befasst.

Eine Führerin steht in einem Museumsraum mit mehreren Fotografien an der Wand und erklärt einigen Besuchern die Ausstellung.

Führungen gibt es für Erwachsene und Kinder

Die Bibliothek lädt zum Stöbern ein

Wer sich über die Ausstellungen hinaus noch eingehender mit der deutsch-jüdischen Geschichte beschäftigen möchte, kann dies in der Bibliothek und dem Archiv des Museums tun. Allein in der Bibliothek befinden sich etwa 35.000 wissenschaftliche Medien, von Primär- und Sekundärliteratur über Zeitschriften bis hin zu elektronischen Datenträgern.

Das Archiv des Museums beherbergt zahlreiche Exponate wie Urkunden, Memoiren und persönliche Gegenstände. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Zeit zwischen dem deutschen Kaiserreich von 1871 bis zum Zweiten Weltkrieg. Um im Archiv oder der Bibliothek stöbern zu können, ist vorher eine Anmeldung nötig.

Die persönliche Geschichte des Museumsdirektors

Auf eine sehr persönliche Weise hat sich der Direktor des Museums, W. Michael Blumenthal, mit der deutsch-jüdischen Geschichte auseinandergesetzt. Er befasst sich in seinem 1999 erschienenen Buch "Die unsichtbare Mauer" mit den Biografien von sechs Verwandten – angefangen mit seinem Vorfahr Jost Liebmann, der sich im 17. Jahrhundert vom armen, rechtlosen Hausierer "zum Hofjuwelier des brandenburgischen Adels" emporarbeitete.

Blumenthals Verwandte, darunter auch der Opern-Komponist Giacomo Meyerbeer, fügten sich mehr und mehr in das deutsche Bürgertum ein und gewannen in der Gesellschaft an Einfluss.

Seinen Urgroßvater Louis beschreibt Blumenthal als "treuen Untertan des Kaisers", auch sein Vater Ewald sei in seinem Selbstverständnis Deutscher gewesen. Umso schlimmer sei es für ihn gewesen, 1938 aus Deutschland fliehen zu müssen – als "besitz- und rechtloser Jude wie Jost (Liebmann) 300 Jahre früher".

An Blumenthals Geschichte lässt sich sehr gut die bewegte Zeit nachvollziehen, die Juden zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert in Deutschland erlebten und in der sich ihre gesellschaftliche Position mehrmals veränderte.

Ein älterer Mann mit Anzug und Fliege steht an einem Rednerpult, auf dessen Seite 'Jüdisches Museum' geschrieben steht.

W. Michael Blumenthal beschrieb die Geschichte seiner Familie in einem Buch

Quelle: SWR | Stand: 26.06.2019, 15:45 Uhr

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