Ölmalerei einer betenden Frau (Anne Boleyn).

Martin Luther

Mutige Reformatorinnen

Die Namen vieler Reformatoren sind uns bis heute bekannt – jedenfalls wenn es Männer waren. Dabei trieben neben Martin Luther und Johannes Calvin auch starke Frauen die Reformation voran. Hier vier Beispiele.

Von Barbara Garde

Die Theologin Argula von Grumbach

Ingolstadt 1523. Die Professoren der Universität sind entsetzt: Die 31-jährige Adlige Argula von Grumbach hat sie zu einer Disputation gefordert – auf Deutsch, denn Latein darf sie als Frau nicht lernen.

Sie will die Unschuld eines gefangenen Luther-Anhängers allein aus der Bibel beweisen, denn sie beruft sich auf Martin Luthers Grundsatz, dass nur die Bibel als Leitlinie des christlichen Lebens zählt. Und im Evangelium steht nichts davon, Andersgläubige zu verfolgen und zu töten.

Sie weiß, dass sie als Frau kaum ernst genommen werden wird: "Ich habe euch kein Frauengeschwätz geschrieben, sondern das Wort Gottes als ein Glied der christlichen Kirche", schreibt sie. Argula beruft sich auf Luthers Postulat vom Priestertum aller Getauften.

Münze mit dem Bild Argulas von Grumbach von 1520.

Reformatorin Argula von Grumbach auf einer Porträtmedaille

Demnach hat auch sie das Recht, die Bibel auszulegen. Die Professoren beschließen, das "verrückte Weib" einfach zu ignorieren. Ihre Texte aber werden gedruckt und gelesen und sie werden ein Bestseller – mit den Auflagen der Lutherschriften vergleichbar.

Argula von Grumbachs Streiten ist gefährlich: In Bayern sind Luthers Texte und die Auseinandersetzung mit der Reformation verboten. Ihr Ehemann Friedrich – ein strenggläubiger Katholik – verliert seine Position als herzoglicher Statthalter. Daraufhin veröffentlicht Argula von Grumbach nichts mehr.

Erst fast 70-jährig taucht sie noch einmal in den Chroniken der Stadt Passau auf. Sie ist dort Gräfin geworden und hat ihre Untertanen zum Abfall von der katholischen Kirche aufgefordert. Dafür wandert sie ins Gefängnis. Sie bleibt lebenslang eine streitbare Protestantin.

Die Pfarrfrau Katharina Zell

Schon in ihrer Kindheit fürchten die Pfarrer ihrer Gemeinde ihren scharfen Verstand und ihre bohrenden religiösen Fragen. Als die junge Schreinerstochter Katharina Schütz 1521 den reformatorischen Prediger Matthias Zell in Straßburg hört, hat sie ihren Weg gefunden: Sie will die Reformation verbreiten.

Zell und Schütz werden ein Paar. Katharina organisiert im Pfarrhaus die Armen-, Kranken- und Gefangenenpflege. Und sie beginnt, selbst zu schreiben. Sie korrespondiert mit Martin Luther und anderen Reformatoren, gibt Haushaltsgesangbücher heraus und verfasst theologische Erörterungen zu Zölibat und Priesterehe.

Der Stadtrat verlangt von Matthias Zell, seine Frau im Zaum zu halten. Der aber ist stolz auf Katharinas Mut und Verstand. Als sie jedoch selbst predigen will, ist Schluss mit seiner Toleranz. Eine Frau auf der Kanzel ist unmöglich.

Katharina setzt sich dennoch durch. Auf seiner Beerdigung hält sie ihre erste Predigt. Weitere folgen bei Beerdigungen von Täuferinnen, denen die Kirche das christliche Begräbnis versagt. Toleranz gegenüber Andersgläubigen ist für sie ein Kernpunkt des Glaubens.

Die Praktikerin Margarethe Blarer

Konstanz 1522: Erasmus von Rotterdam, einer der größten Gelehrten seiner Zeit, wird von den Honoratioren der Stadt empfangen. Darunter ist eine Frau: Margarethe Blarer.

Blarer ist Chefin eines alteingesessenen Leinen-Handels, hochgebildete Vertreterin der Reformation und ein geachtetes Mitglied der Konstanzer Gesellschaft. "Dienerin der Konstanzer Kirche" (Diaconissa ecclesiae Constantiensis) wird sie genannt. 

Blarer ist eine Ausnahmeerscheinung: aus Überzeugung unverheiratet und finanziell völlig unabhängig, begründet sie in Konstanz ihre eigene Sozialpolitik. Sie gründet einen Armenverein, unterrichtet arme Kinder, kümmert sich um Witwen und Zuwanderer.

Damit ist sie eine Gründerin der evangelischen Diakonie. Als die Pest 1541 in Konstanz wütet, betreibt sie ein Spital für die Kranken, bis sie selbst mit 47 Jahren an der Seuche stirbt.

Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert: Vier Frauen in einem Heilkräuter-Garten.

Viel mehr als gärtnern: Frauenarbeit im 16. Jahrhundert war hart und kräftezehrend

Ein großes Verdienst vieler Frauen in der Reformation war, dass sie den Diakonischen Gedanken, also Bedürftigen zu helfen, praktisch in die Tat umsetzten. Vorreiter waren hier gebildete, finanziell sehr gut gestellte und selbstbewusste Bürgerinnen wie Margarete Blarer, Apollonia Hirscher oder Margarete Prechtl.

Prechtl hinterließ eine Stiftung, die Töchtern armer Familien eine Mitgift auszahlte: Die jungen Frauen sollten ihren Ehemännern auf Augenhöhe und finanziell unabhängig gegenübertreten können. Mehr als 300 Jahre soll das klug angelegte Stiftungskapital gereicht haben – praktische Frauenhilfe und Nächstenliebe für viele Generationen.

Die Herrscherin Elisabeth von Rochlitz

1546: Das kleine Fürstentum Rochlitz ist die Zentrale des protestantischen Widerstandes. Chef der Zentrale ist eine Frau. Herzogin Elisabeth ist die einzige Frau im Schmalkaldischen Bund der evangelischen Fürsten gegen den Kaiser.

Von ihrem Witwenbesitz Rochlitz aus steuert sie die Aktivitäten und Verhandlungen zwischen den Parteien. Sie vermittelt, sie spioniert, sie deeskaliert, denn sie will den Krieg verhindern. Aber der Schmalkaldische Krieg zwischen den Protestanten und den Truppen des Kaisers lässt sich nicht aufhalten.

Beginn des Schmalkaldischen Kriegs (am 20.07.1546)

WDR ZeitZeichen 20.07.2021 14:44 Min. Verfügbar bis 21.07.2099 WDR 5


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Elisabeth verstärkt ihre Spionagetätigkeit, teilt in einer selbst erfundenen Geheimschrift feindliche Truppenbewegungen mit, wird selber zum Angriffsziel. Rochlitz wird belagert, Elisabeth muss fliehen und verliert ihre Herrschaft.

Elisabeth von Rochlitz war von Jugend an überzeugte Lutheranerin: Schon am katholischen Dresdner Hof ihres Schwiegervaters kämpft sie für die Reformation, verweigerte das Abendmahl und lehnte die Vormundschaft ihres Ehemannes ab. "Ich leg kein Blatt vors Maul", lautet ihre Selbstbeschreibung.

Als sie mit 35 Jahren Witwe wird, erstreitet sie sich das Fürstentum Rochlitz und herrscht dort selbstbestimmt. Sie führt die Reformation ein, gewährt aber allen Bürgern Religionsfreiheit.

Evangelische, Katholische und Juden leben unter ihrer Regierung friedlich und anerkannt zusammen – ein ökumenisches Paradies im vom Religionsstreit erschütterten deutschen Reich.

(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 31.03.2020)

Quelle: WDR

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