Der Uramazonas

01:12 Min. Verfügbar bis 06.12.2024

Amazonien

Der Uramazonas

Amazonas-Regenwald und die Saharawüsten – zwei Landschaften, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Und doch haben beide Regionen eine erstaunliche Verbindung: Ein gigantischer Fluss durchfloss sie einst gemeinsam – der Uramazonas.

Von Dieter Engelmann

Der größte Fluss der Erde

Vor mehr als 150 Millionen bilden Südamerika, Afrika, Australien, die Antarktis und Indien eine große Landmasse: Gondwana. Dieser Urkontinent ist die Heimat des wohl gewaltigsten Flusses, den es jemals auf der Erde gegeben hat.

Von seinen Quellen mitten in der heutigen Sahara fließt er über eine Strecke von rund 14.000 Kilometern gen Westen, zur Mündung in den Pazifik im heutigen Ecuador.

Die riesigen Wassermassen fließen dabei entlang eines alten Grabensystems und speisen Binnenseen, die zum Teil größer sind als das Kaspische Meer.

Wir bezeichnen diesen Flussgiganten als Uramazonas, da wir heute nur noch seinen Nachfolger, den Amazonas, kennen und bewundern können. Dabei fließt der Amazonas von West nach Ost – und damit in die entgegengesetzte Richtung seines Ahnen.

Die Teilung des Uramazonas

Nach der Theorie der Plattentektonik führten gigantische Kräfte aus dem Erdinnern dazu, dass Gondwana vor rund 145 Millionen Jahren auseinander zu brechen begann.

Beweise dafür sind unter anderem identische Ablagerungsfolgen mit ihren Fossilien, die an den ehemaligen Nahtstellen vorliegen. Vor rund 130 Millionen Jahren wurden Südamerika und Afrika dann endgültig getrennt und der Uramazonas dadurch halbiert.

Der afrikanische Teil mündete nun in den neu entstehenden Atlantik. Der südamerikanische Teil verlor dabei einen großen Teil seiner Quellen, was dazu führte, dass die östlichen Gebiete trocken fielen. Nach Westen in Richtung Pazifik wurde der Fluss aber weiter aus den alten Zuflüssen gespeist.

Amazonas

Eine üppige Vegetation

Die Umkehr der Fließrichtung

Vor rund 25 Millionen Jahren stieß das nach Westen driftende Südamerika auf die Pazifische Platte. Die enormen Kräfte stauchten die Erdkruste und ein neues Gebirge erlebte seine Geburtsstunde: die Anden.

Vor rund 10 Millionen Jahren war dieses Gebirge soweit gewachsen, dass das uralte Mündungsgebiet zwischen Iquitos und Guayaquil blockiert wurde – die Verbindung zum Pazifik war damit durchtrennt. Das Wasser hatte keinen Abfluss mehr und begann sich zu sammeln. Ein großes Binnengewässer entstand am Rand der Anden.

Gleichzeitig neigte sich der gesamte Kontinent gen Osten. Vor rund 5 Millionen Jahren kippte schließlich das gesamte Entwässerungssystem und die Wassermassen begannen nach Osten zu fließen. Eine neue Mündung am Atlantik entstand.

Noch heute zeigt sich diese Anomalie des Amazonas deutlich: Sein Flussbett wird zur Mündung bei Belem schmaler, während sich im Westen, zur ehemaligen Mündung im Pazifik, das Becken ausweitet.

Das pazifische Erbe

Schon Alexander von Humboldt wunderte sich bei seiner Suche nach der Amazonasquelle im Jahre 1800 über die seltsame Fischfauna des Amazonas. 4000 Kilometer von der Mündung entfernt leben hier noch heute typische Meeresfische wie Haie und Rochen.

Genetische Untersuchungen zeigen, dass viele der Fischarten engste verwandtschaftliche Beziehungen zu typischen Pazifikarten aufweisen. Dies gilt etwa für die Süßwasserseezunge, die Süßwassersardine, den Hornhecht und für einige Garnelenarten.

Das wohl bekannteste Beispiel sind die Süßwasserdelfine der Gattung Inia, deren Vorfahren aus dem Pazifik stammen. Diese spezielle Fischfauna – deren Artenzahl übrigens abnimmt, je weiter man sich zur heutigen Mündung begibt – gilt als ein zoologischer Beweis für die ursprüngliche Fließrichtung des Amazonas.

Man nimmt an, dass die Tiere, durch das wachsende Gebirge von ihrer ursprünglichen Heimat getrennt, sich an den neuen Lebensraum im Süßwasser angepasst haben.

Süßwasserdelfin

Süßwasserdelfine sind ein Beleg für das pazifische Erbe des Amazonas

Quelle: SWR | Stand: 28.10.2019, 13:42 Uhr

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