Öltanker "Prestige" brach auseinander

Galicien

Der Untergang des Öltankers "Prestige"

Im November 2002 versank das Tankschiff "Prestige" im Atlantik vor Spanien. Zehntausende Tonnen Öl liefen aus und verpesteten das Meer– es war eine der größten Umweltkatastrophen an europäischen Küsten.

Von Martina Frietsch

Die Katastrophe nimmt ihren Lauf

Am 13. November 2002 lief die "Prestige" in Lettland aus, um 77.000 Tonnen Öl nach Singapur zu bringen. Vor der Küste Galiciens geriet der 26 Jahre alte Tanker unter der Flagge der Bahamas in einen Sturm und schlug Leck. Die Mannschaft versuchte, das Schiff zu stabilisieren, fürchtete aber dann, es könne auseinanderbrechen und funkte SOS.

Die spanischen Behörden ließen den Tanker nicht in den Hafen einlaufen, sodass das Öl abgepumpt werden konnte, sondern schickten stattdessen Schlepper, um ihn auf hohe See zu ziehen. Der alte Einwand-Tanker hielt der Belastung schließlich nicht mehr stand, brach am 19. November auseinander und sank. Die Mannschaft konnte noch gerettet werden.

Die Prestige sank mehr als 200 Kilometer vor der Küste und lag in 3,6 Kilometern Tiefe auf Grund. In dieser Tiefe ließ sich das Öl nicht mehr abpumpen und so trat das ein, was viele befürchtet hatten: Die Kammern des alten Tankers barsten, aus dem Wrack lief das Schweröl aus und trieb auf die Küste zu.

Als es schließlich gelang, die Lecks zu versiegeln, waren bereits mehr als 60.000 Liter der giftigen Ladung ins Meer geflossen. Insgesamt wurde ein rund 3000 Kilometer langer Küstenstreifen mit Öl verseucht. Betroffen waren Spanien und Frankreich.

Die Ölpest traf einen der reichsten Fischgründe Europas und ein wichtiges Überwinterungsgebiet für viele europäische Meeresvögel. Sie verendeten zu Hunderttausenden, schwarz verklebt mit Öl. Die Ernte der Muschelfischer war fast komplett vernichtet, der Fischfang kam zum Erliegen. Eine wirtschaftliche Katastrophe für die Fischer, für die die spanische Regierung in aller Eile ein Hilfsprogramm beschloss.

Ölverschmierter Vogel im Meer

Viele Vögel waren von der Ölkatastrophe bedroht

Tankerunglücke vor Galicien

Der Untergang der Prestige ist bis heute eines der folgenschwersten Tankerunglücke, doch für Galicien war es nicht das erste. 1976 war der spanische Tanker Urquiola vor der Küste von La Coruña brennend auf einen Felsen aufgelaufen, fast 100.000 Tonnen Öl liefen ins Meer.

16 Jahre später strandete der griechische Tanker Aegean Sea in der Hafenbucht von La Coruña, explodierte und verlor über 80.000 Tonnen Rohöl. Damals wurden 200 Kilometer der galicischen Küste mit Öl verseucht.

Die Todesküste

Auf Spanisch heißt sie "Costa de la Muerte" oder "Costa da Morte" – die Todesküste. Die Küste Galiciens zwischen dem Kap Finisterre und Malpica, westlich von La Coruña, ist berüchtigt wegen ihrer schwierigen Bedingungen für die Seefahrt.

Schon seit Jahrhunderten zerschellen immer wieder Schiffe an den Felsen, denn die Sicht ist oft schlecht und häufig peitscht der Nordwestwind des Atlantiks mit Windstärke acht gegen die raue Küste.

Dennoch ist genau dieser Küstenabschnitt eine der meistbefahrenen Seerouten der Welt. Wie viele Unfälle es bereits gab, weiß niemand genau. Allein in den vergangenen 100 Jahren sollen an der Todesküste zwischen 100 und 150 Schiffe untergegangen sein.

Zu den bekanntesten Unglücken zählen der Untergang der Cantrabria 1773 mit 15 Toten; der Untergang des englischen Schiffs Capitán 1872, bei dem schätzungsweise 400 Menschen starben; und die Tragödie der HMS Serpent. Das englische Schiff sank 1890 direkt vor der Küste. Von den 175 Matrosen an Bord überlebten nur drei.

"Nunca Máis" – die Umweltbewegung Galiciens

Die Untätigkeit der spanischen Regierung angesichts der bisher größten Umweltkatastrophe in Spanien nach dem Untergang des Öltankers Prestige im November 2002 löste einen politischen Skandal aus. Erst Tage nach der Katastrophe hatte die Regierung reagiert und Hilfskräfte an die ölverpestete Küste entsandt. Doch die Einsatzkräfte der Regierung waren schlecht ausgestattet und mit der Situation völlig überfordert.

Freiwillige säubern einen ölverschmutzten Strand bei Malpica

Freiwillige Helfer säuberten den Strand

Als Antwort auf das staatliche Versagen entstand in Galicien die Umweltbewegung "Nunca Máis", was auf Galicisch "Nie wieder" bedeutet. Die Bewegung sammelte Spendengelder, um die Ausrüstung der freiwilligen Helfer mit Schutzkleidung und weiterem Hilfsmaterial zu finanzieren.

Die Nunca Máis-Bewegung wurde von vielen gesellschaftlichen Gruppen unterstützt und der Protest gegen die Ölkatastrophe und die Untätigkeit der Regierung kulminierte in der größten Demonstration, die jemals in Galicien stattgefunden hatte.

Bis zu 300.000 Menschen versammelten sich am 1. Dezember 2002 in der galicischen Hauptstadt Santiago de Compostela. Es folgten große Demonstrationen in Madrid, Barcelona und Brüssel. Aus allen Teilen Spaniens kamen freiwillige Helfer nach Galicien, um bei der Beseitigung des Öls zu helfen und sich mit Nunca Máis zu solidarisieren.

Die Organisation Nunca Máis existiert heute weiter und kümmert sich um Umweltbelange wie die Waldbrände in Galicien oder Bausünden an der Küste.

Quelle: SWR | Stand: 19.05.2020, 14:22 Uhr

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