Inseln Lipari (vorne) und Vulcano

Sizilien

Liparische Inseln

Wer Einsamkeit und wilde ursprüngliche Natur sucht, wird auf den Liparischen Inseln fündig. Die sieben Kleinode nördlich von Sizilien sind allesamt vulkanischen Ursprungs. Brodelnde Lavamassen und der stetig wehende Wind gaben ihnen ihr Aussehen.

Von Tobias Aufmkolk

Sitz des Windgottes

Trotz der erdgeschichtlichen Gemeinsamkeiten könnten die einzelnen Inseln vor Sizilien kaum unterschiedlicher sein. Von lieblichen grünen Hügeln bis zu brodelnden Kratern findet der Besucher auf engstem Raum einzigartige Naturschauspiele.

Schon in der griechischen Mythologie werden die Liparischen Inseln erwähnt. Hier soll sich der Gott Äolus seinen Sitz gesucht haben, nachdem er von Göttervater Zeus beauftragt wurde, die Winde zu verwalten. Aus diesem Grund werden die Inseln auch Äolische Inseln genannt, zu deutsch: "Inseln der Winde".

Jener Äolus war auch an den Irrfahrten des Odysseus maßgeblich beteiligt. Nachdem der Trojanische Krieg beendet war, machte sich Odysseus auf die Heimfahrt zu seiner Frau nach Ithaka. Nach einigen Abenteuern strandete er auf den Liparischen Inseln und wurde von Äolus freundlich in Empfang genommen.

Damit Odysseus sicher nach Hause gelangen sollte, packte Äolus die Winde in einen Sack und gab sie dem Abenteurer mit auf den Weg. Ein sanfter Westwind geleitete Odysseus und seine Männer bis kurz vor Ithaka.

Auf Anweisung von Äolus durften sie jedoch den Sack mit den anderen Winden auf keinen Fall öffnen. Doch während Odysseus schlief, schauten seine Kameraden heimlich in den Sack und wurden von den entfesselten Winden sofort zu Äolus zurückgetrieben. Dieser war darüber so erzürnt, dass er die Bitte der Griechen nach einem weiteren Sack ablehnte und sie fortschickte. Die Odyssee nahm ihren Lauf.

Handelsstützpunkt, Kurparadies und Verbannungsort

Die Erwähnung in der griechischen Mythologie deutet auf eine lange Geschichte der Liparischen Inseln hin. Bereits in der Jungsteinzeit um 4000 vor Christus wurden die Inseln erstmals besiedelt.

Die ersten Bewohner fanden hier ein Material vor, das zu jener Zeit sehr selten und daher äußerst begehrt war: Obsidian. Aus dem sehr harten, glasähnlichen vulkanischen Gestein wurden zu jener Zeit Schneidwerkzeuge und Klingen hergestellt.

Das reiche Vorkommen von Obsidian auf den Liparischen Inseln ließ sie in der Folgezeit zu einem der größten Warenumschlagplätze für das Material im gesamten Mittelmeerraum werden.

Die weitere Geschichte teilen sich die Inseln mit dem benachbarten Sizilien. Zunächst kamen im 6. Jahrhundert vor Christus die Griechen, gefolgt von Karthagern und Römern.

Die Römer nutzten die schwefelhaltigen Wasser der Inseln, um Kur- und Thermalbäder für betuchte Bürger des Imperiums einzurichten. Nach dem Ende der Antike fielen die Inseln zunächst an die Araber, dann an die Normannen.

Nachdem türkische Seeräuber 1544 fast die gesamte Bevölkerung in die Sklaverei verschleppt hatten, ließ Kaiser Karl V. auf der Hauptinsel Lipari eine Zitadelle errichten und die Inseln neu besiedeln. Unter Mussolini mussten die spärlich bewohnten Eilande dann als Verbannungsort für Kriminelle und politische Gefangene herhalten.

Blick über eine Ausgrabungsstätte, die aus ein paar runden Steinmauern besteht

Bronzezeitliche Überreste auf Filicudi

Abseits der gängigen Pfade

Erst heutzutage werden die Liparischen Inseln langsam wieder entdeckt. Die sieben Inseln Alicudi, Filicudi, Salina, Lipari, Panarea, Vulcano und Stromboli finden immer mehr Liebhaber. Während Sizilien seit Jahrzehnten eines der meistbesuchten Ziele in ganz Europa ist, entwickelt sich der Fremdenverkehr auf den Liparischen Inseln aber langsamer und behutsamer.

Das mag zum einen an der Abgeschiedenheit und den schlechten Verkehrsverbindungen liegen – die Inseln sind nur mit dem Schiff erreichbar – , zum anderen an den topografischen Gegebenheiten. Viele der steil abfallenden Hänge können nicht bebaut werden und weit ausladende Sandstrände sind Mangelware.

Doch gerade die mangelnde Infrastruktur lässt die kleinen Inseln einen besonderen Charme wahren. Wanderer und Taucher kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Kunstinteressierte und Menschen, die die Einsamkeit suchen. Im Jahr 2000 wurde das gesamte Archipel von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärt.

Blick über Kakteen auf eine karge Vulkaninsel mit steil zum Meer abfallenden Hängen. Im Hintergrund ist eine weitere Insel im Meer zu sehen.

Wer Einsamkeit sucht, wird sie hier finden

Die Hauptinsel Lipari

Die Hauptinsel Lipari ist Anlaufpunkt der großen Fähren aus Milazzo, Palermo und Neapel. Die größte der Inseln besitzt auch als einzige einen nennenswerte Stadt, in der gerade in der Hochsaison jede Menge los ist.

Die touristische Infrastruktur ist gut ausgebaut und auch an Stränden mangelt es im Gegensatz zu den anderen Inseln nicht. Die Bevölkerung von Lipari lebt heute hauptsächlich vom Tourismus. Viel mehr gibt das karge Eiland auch nicht her.

Das Landesinnere von Lipari ist gebirgig und kahl. Die Hügel erreichen eine Höhe von bis zu 600 Metern und sind mit dichtem Buschwerk bewachsen. Dennoch hat die Insel einige Sehenswürdigkeiten zu bieten.

Auf Lipari kann man die wechselvolle Geschichte der Inseln am besten nachvollziehen. Im Norden kann man die Überreste einer Therme bewundern, die schon 1500 vor Christus in Betrieb war. In der Hauptstadt sind noch die Ruinen von Bauwerken aus der Bronzezeit und der griechischen wie römischen Antike erhalten.

Die Kathedrale der Stadt wurde erstmals unter den Normannen errichtet, nach Zerstörungen im 16. Jahrhundert aber im Barockstil wieder aufgebaut. Die Festung der Stadt erhielt ihr heutiges Aussehen weitgehend im 16. Jahrhundert durch die Spanier. Die Grundmauern sind zum Teil aber auch noch aus der griechischen und römischen Antike.

Blick über kleine Fischerboote auf den Hafen von Lipari mit Gebäuden an der Promenade. Im Hintergrund eine Festungsanlage auf einem vorspringenden Felsen.

Auf Lipari ist am meisten los

Die Grünen und Abgeschiedenen

Wem auf der Hauptinsel zu viel Trubel ist, der sollte mit dem Schiff weiterfahren. Nördlich von Lipari liegt mit Salina die zweitgrößte Insel des Archipels. Im Gegensatz zur Hauptinsel ist die aus zwei erloschenen Vulkanen bestehende Insel äußerst wasserreich, grün und fruchtbar.

Die Bewohner können sich seit Urzeiten weitgehend selbst versorgen. Wichtige Exportprodukte sind der hervorragende süße Malvasia-Wein, Oliven und Kapern. Der Tourismus spielt hier auch aufgrund mangelnder Strände eine eher untergeordnete Rolle. Dadurch hat sich Salina noch weitgehend seine Ursprünglichkeit bewahrt.

Blick von einer anderen Insel auf eine kleine, grüne Vulkaninsel mit steil abfallenden Hängen. Im Vordergrund Kakteen und ein kleines Haus am Hang.

Salina ist die grünste der Inseln

Etwas weiter gen Nordosten befindet sich mit Panarea die kleinste Insel des Archipels. Panarea ist ebenso wie Salina grüner und üppiger als die restlichen Inseln. Hier hat sich eine besondere Form des Tourismus entwickelt.

Panarea ist zum beliebten Ziel der Reichen und Schönen aus Norditalien geworden. Das kleine Hauptdorf San Pietro wurde liebevoll restauriert und herausgeputzt. Für den normalen Reisenden dürften die Übernachtungspreise auf Panarea jedoch zu hoch sein.

Ganz im Westen des Archipels liegen die beiden abgeschiedenen kleinen Inseln Filicudi und Alicudi. Wer die totale Einsamkeit sucht, sollte sich auf den Weg dorthin machen. Nur wenige hundert Einwohner bewohnen Filicudi, auf Alicudi sind es noch nicht einmal 100. Es gibt nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten und auf Alicudi existiert noch nicht mal eine Straße. Einzig und allein Esel tragen die schweren Lasten über die Insel.

Im Angesicht der Vulkane

"Der Stromboli ist immer tätig, und seit ewigen Zeiten gilt er als der große Leuchtturm der Meere", schrieb 1773 der schottische Reisende Patrick Brydone in sein Notizbuch. Stromboli ist mit Sicherheit die bekannteste und imposanteste Insel des Archipels. Sie besteht eigentlich nur aus einem Vulkan, der in regelmäßigen Abständen ausbricht.

Durch seine "kontrollierten" Eruptionen ist er bei Abenteuerlustigen wie Pauschalreisenden gleichermaßen beliebt. Die Lavamassen fließen immer den gleichen Weg über die "Sciara del Fuoco" (Feuerbahn) bergab. Aus diesem Grund wagen auch viele den mühsamen Aufstieg bis zum Kraterrand, was seit 2002 nur noch mit einem autorisierten Führer gestattet ist.

Blick vom Meer aus auf die Vulkaninsel Stromboli im Abendlicht. Rauchschwaden steigen über dem Krater auf.

Stromboli – rauchender Leuchtturm im Mittelmeer

Ganz im Süden der Liparischen Inseln ist eine weitere Insel vulkanischen Ursprungs mit aktiver Vulkantätigkeit zu finden: Vulcano. Da Vulcano relativ gut zu erreichen ist und auch mit einem dampfenden Krater aufwarten kann, hat sich dort in den letzten Jahren der Tourismus enorm entwickelt. Der Krater ist zudem ohne größere Schwierigkeiten zu besteigen, was in der Hochsaison zu einem regelrechten Massenaufstieg führen kann.

Dazu kommen noch die ausgedehnten Lavastrände, die weitere Urlauber anziehen. Wer sich ein wenig abseits der Touristenströme aufhält, kann teils surrealistisch anmutende Gegenden mit bizarren Lavafiguren und dampfenden Schwefelquellen finden, die das Meerwasser zum Kochen bringen.

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 22.06.2021)

Quelle: WDR

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