Auf einer alten Anzeigetafel über einem Kino ist der Film "Birth of a Nation" angeschlagen.

Anfänge des Films

Der erste Blockbuster: "The Birth of a Nation"

Das Filmepos "The Birth of a Nation" von 1915 war der erste Blockbuster der Filmgeschichte – mit einer zutiefst rassistischen Aussage. Zum ersten Mal wurde eine Filmhandlung so erzählt, dass der Zuschauer sie problemlos verstehen konnte.

Von Christoph Teves

Vom Laufburschen zum Starregisseur

Als David Wark Griffith ins Filmgeschäft einsteigt, ahnen weder seine Kollegen noch er selbst, dass er sich in nur wenigen Jahren zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Regisseure Hollywoods entwickeln wird. Nach Jahren als Laufbursche, Reporter, Theaterautor und -darsteller heuert der 32-Jährige 1907 vor allem wegen chronischer Geldsorgen als Filmschauspieler an.

Bereits ein Jahr später führt er für die Filmgesellschaft "Biograph" zum ersten Mal Regie. Der Kurzfilm "The Adventures of Dolly" wird ein Erfolg und bringt Griffith weitere Aufträge ein. Bis Ende des Jahres dreht er rund 50 zehnminütige Einakter. 1912 folgt der erste Zweiakter, und ein Jahr später gilt Griffith bereits als der Spezialist für lange Filme von fünf und mehr Akten.

Das Mammutprojekt

1914 hat Griffith bereits mehr als 450 Filme gedreht und zählt zu den größten Filmemachern Amerikas. Dennoch findet sich keine Firma, um die Verfilmung von Thomas Dixons Roman und Theaterstück "The Clansman" zu finanzieren.

Doch Griffith ist wild entschlossen, das Projekt zu realisieren und gründet seine eigene Produktionsfirma, die "Reliance-Majestic Studios". Sieben Wochen wird geprobt, neun Wochen lang gedreht. Griffiths Film verschlingt das damalige Rekordbudget von 100.000 Dollar, ehe er im Februar 1915 uraufgeführt wird.

"The Birth of a Nation" besteht aus zwei großen Teilen. Die Handlung des ersten Teils erinnert an die berühmte Fernsehserie "Fackeln im Sturm": Familie Stoneman aus den amerikanischen Nordstaaten ist mit der Südstaaten-Familie Cameron befreundet. Als der Bürgerkrieg ausbricht, werden aus Freunden Feinde.

Beide Familien verlieren Söhne auf dem Schlachtfeld. Ben, ein weiterer Cameron-Sohn, wird verwundet ins Lazarett eingeliefert und verliebt sich in eine Stoneman-Tochter, die dort als Krankenschwester arbeitet.

Rassistischer Kassenschlager

Im zweiten Teil des Films geht es um die Nachkriegszeit: Nach dem Sieg des Nordens sinnen die freigelassenen Sklaven auf Rache und terrorisieren in den Südstaaten die weiße Bevölkerung. Um dem ein Ende zu machen, gründet Ben Cameron den Ku-Klux-Klan. Im gut viertelstündigen Showdown gelingt es dem Klan in letzter Minute, die Familie Cameron vor einem schwarzen Mob zu retten.

Die rassistische Aussage von "The Birth of a Nation" tritt unverhohlen zutage, sei es in Zwischentiteln, die von der "Verteidigung des arischen Geburtsrechts" sprechen oder in der Charakterisierung der Schwarzen als triebhafte Barbaren, die es nur auf weiße Frauen abgesehen haben.

Filmplakat für "The Birth of a Nation" mit einem Reiter des Ku-Klux-Klan.

Der Ku-Klux-Klan spielt eine Hauptrolle

Die liberale Öffentlichkeit reagiert empört. In acht Bundesstaaten wird der Film verboten, und noch in den 1970er-Jahren kommt es zu Prügeleien in Kinos, die den Film zeigen. Von den öffentlichen Protesten überrascht, schneidet Griffith noch einige Szenen aus dem fertigen Film heraus, darunter einen Epilog, der die Deportation der Schwarzen nach Afrika als Lösung des Rassenkonflikts nahelegt.

Ein kommerzieller Erfolg wird Griffiths Film dennoch – und was für einer: Bis 1930 spielt er allein auf dem nordamerikanischen Markt das 40-fache seiner Kosten ein und bleibt bis "Vom Winde verweht" (1939) der weltweit kommerziell erfolgreichste Film.

Meisterwerk des klassischen Hollywood-Stils

Filmisch setzt "The Birth of a Nation" neue Maßstäbe. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts bildete sich besonders in der Montage ein eigener Hollywood-Stil. Filme entwickelten sich von kurzen Szenen zu längeren und komplexeren Geschichten. Ziel der Filmemacher war es, diese Geschichten möglichst flüssig und klar zu erzählen, sodass der Zuschauer sie ohne Probleme verstehen konnte.

Die Montage hatte die Aufgabe, Handlungen weich und flüssig zu verbinden. Der Zuschauer sollte die einzelnen Schnitte nicht mehr bewusst wahrnehmen, sondern sich ganz auf die Geschichte konzentrieren. Deshalb heißt dieser Montagestil Hollywoods auch "unsichtbarer Schnitt".

Es entstanden damals Schnittkonventionen, die heute in jedem Spielfilm selbstverständlich sind und kaum noch bewusst wahrgenommen werden. Zum Beispiel Ransprünge, um Details oder Gesichtsausdrücke zu verdeutlichen, oder die Beibehaltung der Bewegungsrichtung: Geht eine Person in einer Einstellung nach rechts aus dem Bild, muss sie in der nächsten Einstellung von links ins Bild kommen.

Schwarzweiß-Porträt von D.W. Griffith

Griffith schuf Standards der Filmmontage

Griffith hat viele solcher Schnittmuster entdeckt oder weiterentwickelt und setzt sie in "The Birth of a Nation" ein, um den Zuschauer über die Dauer von drei Stunden an die Geschichte zu fesseln. Besonders das Prinzip des Kreuzschnitts bringt er in seinem Bürgerkriegsepos zur Meisterschaft.

Beim Kreuzschnitt wird zwischen zwei oder mehreren Handlungen, die gleichzeitig ablaufen, hin und her geschnitten. Vor allem für Verfolgungsjagden oder Showdowns mit Rettung in letzter Minute wird der Kreuzschnitt unentbehrlich.

Viele solcher Schnittmuster, die zum Standardrepertoire heutiger Kino- und Fernsehfilme gehören, haben ihren Ursprung in der Ära Griffiths und bilden in "The Birth of a Nation" erstmals die Grundlage für eine epochale Filmerzählung. Deshalb ist die filmgeschichtliche Bedeutung dieses ersten Blockbusters ebenso unbestritten wie seine extrem rassistische Aussage.

(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 09.04.2020)

Quelle: WDR

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