Vier bunte Überraschungsei-Figuren

Sammeln

Sammler

Die einen sammeln Porzellanpuppen, die anderen die Stofftiere eines bestimmten Herstellers, wieder andere die bunten Deckel von Kaffeesahne-Päckchen. Eins gemein haben jedoch alle Sammler: die Leidenschaft für ihre Schätze.

Von Christina Lüdeke

Sammeln fürs Überleben

Ursprünglich diente das Sammeln dem Überleben: In der Steinzeit mussten unsere Vorfahren die Nahrung entweder mühsam sammeln oder jagen. Wann sich diese Lebensform hin zum Ackerbau veränderte, ist von Region zu Region unterschiedlich. Vor etwa 12.000 Jahren wurde die Hacke erfunden. Die Menschen begannen, die Flächen, auf denen die Pflanzen wuchsen, entsprechend zu bearbeiten.

Der Schritt hin zur Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen, vollzog sich vermutlich vor etwa 9.500 Jahren im Nahen Osten. Bis die Bauern in Mitteleuropa ihre ersten Felder bestellten, sollten aber noch mehrere tausend Jahre vergehen.

Dennoch sammeln viele Menschen bis heute einen Teil ihrer Nahrung – etwa Nüsse, Waldfrüchte oder Pilze. Manche sammeln auch, was andere wegwerfen, darunter Flaschensammler oder Mülltaucher, die ihre Nahrungsmittel aus den Containern von Supermärkten beziehen.

Sammeln zur geistigen Erbauung

Das Sammeln von Kunst und seltenen Gegenständen kam an den Fürstenhöfen des 16. Jahrhunderts in Mode. Zum einen wurden Kunstwerke gesammelt, zum anderen Naturwissenschaftliches wie Mineralien und Fossilien, astronomische Geräte oder Skelette.

Die Fürsten präsentierten ihre Sammlungen in so genannten Kunst- oder Wunderkammern. Sehr umfangreich bestückt war beispielsweise die Münchner Kunstkammer, die Herzog Albrecht V. ab 1563 einrichten ließ. Das großzügige Gebäude beherbergt heute das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege.

Bei der Präsentation der Objekte ließ sich der Herzog von den theoretischen Abhandlungen des Belgiers Samuel Quiccheberg inspirieren. Dieser entwarf ein fünfgliedriges Ordnungssystem dafür, wie ein ideales Museum auszusehen hatte.

Dieses System prägte über Jahrhunderte den Aufbau von Museen. Je wohlhabender das Bürgertum wurde, umso mehr widmeten sich dessen Mitglieder der Sammelleidenschaft. Mit der Zeit wurde es immer wichtiger, den Betrachter nicht nur in Erstaunen zu versetzen, sondern ihm etwas über die Zusammenhänge in der Welt zu vermitteln.

Gemälde: Die Wände der Kunstsammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm sind vom Boden bis zur Decke mit Bildern behängt

Leopold Wilhelm von Österreich im Jahr 1653 in seiner Kunstsammlung

Von Nachttöpfen bis zu Gartenzwergen

Die Idee, durch Sammlungen Wissen zu vermitteln, ist heute eher Nebensache. Es ist nicht das Ziel eines modernen Sammlers, eine Universalsammlung zu erstellen.

Die Sammelgebiete sind inzwischen sehr speziell: Aus Mülltonnen gefischte Gartenzwerge, getragene Jeans, Papiergeld aus der Zeit vor der Währungsreform oder Nachttöpfe aus Porzellan – es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem nicht gesammelt wird.

Gingen die Sammler früher auf Sammelbörsen und Trödelmärkte, um Objekte zu kaufen und Gleichgesinnte zu treffen, so gehen sie heute ins Internet, um sich auszutauschen.

Forscher und Historiker suchen nach dem Ursprung des Sammeltriebes. Als Suche nach "Ordnung im Unübersichtlichen, Zufälligen, Grenzenlosen und Unbekannten" bezeichnet der Kulturwissenschaftler Andreas Grünewald Steiger das Sammeln. Zudem sei es für ihn "der permanente Versuch, damit fertig zu werden, dass die Zeit vergeht".

Über den Ursprung von Lust und Freude, die viele durch das Sammeln empfinden, sagt das allerdings kaum etwas aus. Der Philosoph Walter Benjamin erklärte sich die Leidenschaft der Sammler einst so: "Man braucht nur einen Sammler zu beobachten, wie er die Gegenstände seiner Vitrine handhabt. Kaum hält er sie in den Händen, so scheint er inspiriert durch sie hindurch, in ihre Ferne zu schauen."

Ein Mitarbeiter der Stadtreinigung mit seiner großen Gartenzwerg-Sammlung

Gartenzwerge aus Müllcontainern

Krankhaftes Horten

Das Sammeln kann auch krankhafte Züge annehmen. Ab einem bestimmten Stadium werden diese Menschen oft als "Messies" bezeichnet (von englisch "mess" = Unordnung). Messies haben Schwierigkeiten, ihren Alltag zu organisieren. Sie können sich schlecht von Gegenständen trennen, auch dann nicht, wenn sie keinen Nutzwert mehr haben.

Messies sammeln Dinge im eigenen Zuhause an, ohne diese in eine erkennbare Ordnung zu bringen. Die Wohnung vermüllt und verwahrlost. Messies haben oft auch Probleme damit, Termine einzuhalten.

Ähnlich wie Messies leben auch "Animal Hoarder" (englisch für Tiersammler) meist sehr zurückgezogen. Diese teilen ihre Wohnung oder Haus häufig mit mehr Tieren als sie in angemessener Weise versorgen können.

Nach einer spektakulären Tierbefreiungsaktion in Berlin fanden Tierschützer in einer Wohnung mehr als 1.700 Wellensittiche. Und in Hessen und Rheinland-Pfalz befassten sich zwischen 2006 und 2009 mehrere Gerichte mit einer Mutter und deren Tochter, die Hunderte von Hängebauchschweinen hielten, und zudem Pferde, Hunde und verschiedene Kleintiere.

In solchen Fällen haben die Halter oft keinen Überblick darüber, wie viele Tiere sie überhaupt beherbergen, geschweige denn, in welchem Zustand diese sind. Die Tiere leiden infolge der katastrophalen hygienischen Verhältnisse oft unter Krankheiten und sind unterernährt. Welches Leid den Tieren dadurch zugefügt wird, ist den Haltern in der Regel nicht bewusst.

Auch wenn eine Behörde gegen die Animal Hoarder ein Tierhaltungsverbot verhängt, halten sich diese oft nicht daran. Sie legen sich erneut große Mengen an Tieren zu. Manchmal fungieren Freunde oder Familienangehörige als Strohmänner, die angeben, dass sie die Halter der Tiere seien.

Zahlreiche Wellensittiche sitzen auf Wohnzimmermöbeln einer verwahrlosten Wohnung

Die Wellensittiche eines Animal Hoarders

(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 02.03.2021)

Quelle: WDR

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