Druckgraphik: Die Schauspielerin Neuber im Gespräch mit dem Schriftsteller Lessing und einem weiteren Mann

Deutsches Theater

Deutsche Bühnenstars

Was wäre eine Theaterbühne ohne ihre Schauspieler? Erst ihr Talent und ihre Interpretation macht aus einem guten Stoff auch ein gutes Stück und erweckt Helden der Literatur zum Leben.

Von Alfried Schmitz

Friederike Caroline Weißenborn – die "Neuberin"

Mit der Geburt von Friederike Caroline Weißenborn 1697 nimmt im sächsischen Reichenbach ein turbulentes Künstlerleben seinen Lauf. Sie ist eine Tochter aus gutem Hause, der Vater ist Jurist, doch sie hat keine glückliche Kindheit. Schon mit 15 reißt sie aus. Als man sie wieder aufgreift, lässt der erbarmungslose Vater sie für sieben Monate einsperren.

1718 flieht das Mädchen erneut und heiratet den gleichaltrigen Schüler Johann Neuber. Die jungen Leute schließen sich mit Begeisterung einer beliebten Theatertruppe an, die jedoch nach dem Tod des Leiters auseinanderfällt. Friederike Neuber sieht darin ihre Chance und gründet 1727 ihr eigenes Ensemble, das vom sächsischen Königshof gefördert wird.

Die kulturell offene Studentenstadt Leipzig wird zur Heimat der Schauspieltruppe, die auch Gastspiele in Dresden, Hamburg, Hannover, Braunschweig und Nürnberg gibt. 1727 beginnt auch die Freundschaft zum Theatertheoretiker Johann Christoph Gottsched.

Seinen Ideen folgend, konzentriert sich die "Neuberin", wie sie bald genannt wird, auf ernste literarische Werke, die sie mit künstlerisch hohem Anspruch interpretiert. Die seichten Stücke verbannt sie komplett von der Bühne.

Sie spielt selbst viele tragende Rollen, übernimmt aber auch mit Geschick die Schulung ihrer Ensemblemitglieder, von denen einige zu namhaften Schauspielern aufsteigen. 1741 zerstreitet sich die Theaterleiterin mit Gottsched und kritisiert öffentlich seine zu strengen Anschauungen. Die letzten Lebensjahre der Neuberin sind vom Misserfolg geprägt. 1760 stirbt die Frau, die dem Theater viele neue Impulse und neues Ansehen gegeben hat, verarmt in der Nähe von Dresden.

Eine zeitgenössische Druckgraphik der Schauspielerin Friederike Caroline Neuber

Die "Neuberin" revolutionierte das Theater

August Iffland

Als die "Neuberin" 1760 stirbt, ist August Wilhelm Iffland ein Jahr alt. Der Junge wächst in einem wohlhabenden hannoverschen Haushalt auf und darf, im Gegensatz zu seiner Kollegin, seine Theaterleidenschaft ausleben. Er zeigt Talent und erhält schon mit 18 Jahren sein erstes Engagement am Gothaer Hoftheater. Die Schauspielkunst ist zu jener Zeit ein angesehener Beruf. Viele Landesfürsten unterhalten feste Spielstätten mit festen Ensembles.

1779 wird Iffland nach Mannheim gerufen, wo er 17 Jahre lang zum festen Stamm des dortigen Nationaltheaters gehört. Er wird zu einer der prägenden Figuren der "Mannheimer Schule", die dem deutschen Schauspiel wichtige Impulse gibt.

Iffland strebt nach mehr Natürlichkeit auf der Bühne. Er möchte Szenen so wirklichkeitsnah wie möglich darstellen, möchte fort vom veralteten Deklamationsstil. Einen seiner größten Erfolge feiert Iffland 1782 als Franz Moor in der Uraufführung von Schillers "Die Räuber". Der Autor Friedrich Schiller ist begeistert von Ifflands realistischer Interpretation und schreibt dem Schauspieler einen enthusiastischen Dankesbrief.

Auch Schillers Kollege Johann Wolfgang von Goethe ist von Iffland angetan und möchte ihn zu sich an den Weimarer Hof holen. Doch der Schauspieler hat andere Pläne. 1796 wird er Direktor des Berliner Nationaltheaters, das unter seiner Leitung zu einem der führenden deutschen Schauspielhäuser wird. Dort an der Spree stirbt Iffland auch 1814.

Zeichnung: Mann in einer Toga.

Schauspieler Iffland in der Rolle des Pygmalion

Charlotte Wolter

Als die 1834 in Köln geborene Charlotte Wolter alt genug ist, sich für einen Bühnenberuf zu entscheiden, hat sich die deutsche Theaterlandschaft stark gewandelt. Jede größere Stadt besitzt nun ein eigenes Schauspielhaus, die Dichte ist so groß wie nie. Gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur etwa 40 deutsche Bühnen, sind es gegen Ende des Jahrhunderts zehnmal so viele.

Besonders mit der Reichsgründung 1871 setzt ein wahrer Theaterboom ein. Allein in Berlin gibt es mehr als 50 öffentliche und private Bühnen, was zu einem nicht immer gesunden künstlerischen Konkurrenzkampf führt. Es scheint ungeahnte Möglichkeiten für eine Künstler-Karriere zu geben.

Als junge Frau startet Charlotte Wolter zunächst als Tänzerin eine Ballettlaufbahn, bis sie sich von der Schauspielkunst begeistern lässt. In der renommierten Theatermetropole Wien absolviert sie schließlich eine Ausbildung zur Schauspielerin. Sie möchte sich beruflich neu orientieren.

Mit einem reisenden Ensemble und mit Engagements an verschiedene Bühnen, darunter am Hamburger Thalia und am Berliner Victoria-Theater, sammelt sie ihre ersten wichtigen Erfahrungen. 1862 hat sie sich einen so guten Ruf erspielt, dass man sie nach Wien ans Burgtheater holt. Dort bleibt sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1897 und verkörpert auf unnachahmliche Weise unter anderem Goethes "Iphigenie", Schillers "Maria Stuart" oder Shakespeares "Lady Macbeth".

Berühmt und berüchtigt werden ihre szenischen Aufschreie der Leidenschaft, die als "Wolterschreie" in die Theatergeschichte eingehen. Hatte das Wiener Publikum zunächst Schwierigkeiten mit ihrer sehr realistischen Interpretation, so feiert man sie wenig später als die beste moderne Tragödin, die dem leicht verstaubten Ruf des Burgtheaters neue schauspielerische Impulse gibt und den Weg in eine neue Theaterzukunft ebnet.

Ein Ölgemälde zeigt die Schauspielerin Charlotte Wolter in Bühnengarderobe in der Rolle der Messalina, liegend und mit Blumen geschmückt.

Schauspielerin Charlotte Wolter

Josef Kainz

Josef Kainz, der erste wahre Star der deutschsprachigen Theaterszene, wird 1858 in einer ungarischen Kleinstadt geboren. Die Eltern fördern das Talent ihres Kindes mit fast schon übertriebenem Ehrgeiz und setzen alles daran, dass der kleine Josef Karriere am Theater macht. Seinen ersten offiziellen Auftritt hat er mit 15 an einer Wiener Vorstadtbühne.

Es folgen harte Lehrjahre für den jungen Mann. Das Publikum lehnt ihn ab. Er ist noch unreif, alles andere als eine Schönheit. Man buht ihn aus, verhöhnt und verspottet ihn. Doch Kainz hält durch.

1877 erhält er am renommierten Meininger Theater die Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen. Als "Prinz von Homburg" im Stück von Heinrich von Kleist überzeugt er das Publikum und schafft den Durchbruch. 1880 unterzeichnet er einen Vertrag am Münchener Hoftheater. Bayern-König Ludwig II. ist begeistert von dem Mimen. Eine kurze Romanze mit dem Märchenmonarchen bahnt sich an und sorgt für Schlagzeilen.

Kainz' Popularität und Marktwert steigen durch diese spektakuläre Affäre. Man reißt sich um die schillernde Schauspielerpersönlichkeit. Doch Kainz begeht einen schwerwiegenden Fehler: Wegen eines Vertragsbruchs wird er vom Bühnenschiedsgericht zu einer hohen Geldstrafe und zu einer Theatersperre verurteilt.

Kainz geht in die USA, versucht dort vergeblich sein Glück und kehrt später reumütig nach Deutschland zurück. Es gelingt ihm, wieder Fuß zu fassen und an seine großen Erfolge anzuknüpfen.

Wie kaum ein anderer Schauspieler vor ihm versteht er es, in seinen Rollen aufzugehen. Er wird zum Universal-Helden des aufkeimenden Regietheaters, das auf Wirklichkeitsnähe setzt. Doch neben seiner Darstellungskraft ist es seine außerordentliche Stimme, die das Publikum in den Bann zieht.

1899 geht Kainz' sehnlichster Wunsch in Erfüllung. In Wien wird ihm der Titel des "kaiserlich und königlichen Hofschauspielers" am Burgtheater verliehen. Bis zu seinem Tod 1910 bleibt er festes Mitglied des weltbekannten Hauses.

Josef Kainz

Josef Kainz am Wiener Burgtheater

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 20.12.2019)

Quelle: WDR

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