Eiger Nordwand

Klettern

Eiger-Nordwand

Die fast 1800 Meter hohe Nordwand des Eiger ist legendär. In den 1930ern entbrannte unter den besten Bergsteigern der Welt ein erbitterter Wettstreit um ihre Erstbesteigung. Mehrere Dutzend Menschen starben, einige kehrten als Helden zurück.

Von Bettina Wiegand

Erstbesteigung des Eiger-Gipfels

Viele Wege führen hinauf auf den 3970 Meter hohen Eiger und bis heute haben Tausende Bergsteiger den Gipfel erklommen. Viele neue Routen wurden dabei entdeckt, neue Rekorde aufgestellt. So mancher Bezwinger ging mit seiner Leistung in die Geschichte ein.

Doch nur einem Mann gebührt die Ehre, als erster auf dem Gipfel gestanden zu haben: Charles Barrington. Im Sommer 1858 tauchte der Ire in Grindelwald auf und heuerte zwei der besten Bergführer an. Zu dritt überquerten sie zunächst die Berner Alpen hinüber ins Wallis. Der Auftakt für einen echten Coup.

Nachdem die Männer am 9. August bereits den Gipfel der 4158 Meter hohen Jungfrau erklommen hatten, brachen sie in der Nacht zum 11. August 1858 zum Gipfelsturm auf den Eiger auf. Für den Aufstieg wählten sie den Westgrad.

In einem Brief an seinen Bruder schrieb Barrington viele Jahre später: "Wir gelangten um 12 Uhr auf den Gipfel – die beiden Führer ließen mich freundlicherweise als ersten hinauf – blieben etwa zehn Minuten, weil wir das Wetter fürchteten, und stiegen in vier Stunden ab."

Als Beweis hinterließen die drei auf dem Gipfel eine Fahne. Weil er nicht genug Geld dabei hatte, "um auch das Matterhorn zu machen", reiste Charles Barrington wieder zurück in seine Heimat. Es war sein erster und einziger Besuch in der Schweiz.

Der Eiger.

Der Eiger, 3970 Meter hoch

Die Nordwand wird bezwungen

Bis 1932 waren alle Seiten des Berges bestiegen, nur die mächtige, 1800 Meter hohe Nordwand fehlte noch. Sie galt als nicht besteigbar. Das große Abenteuer lockte im Sommer 1938 vier junge Bergsteiger an: die Deutschen Anderl Heckmair und Ludwig Vörg sowie die beiden Österreicher Heinrich Harrer und Fritz Kasparek. Für das "Unternehmen Nordwand" schlossen sich die Männer am Berg zu einer Seilschaft zusammen.

Die "Mordwand" hatte bis dato ihrem Namen schon alle Ehre gemacht. Neun Menschen waren bei Besteigungsversuchen zu Tode gekommen. Die vier Pioniere konnte dies jedoch nicht schrecken.

Heckmair und Vörg hatten 1937 bereits jeder für sich erste Erkundungstouren unternommen. Doch erst ein Jahr später, am 24. Juli 1938, war der Gipfelsturm erfolgreich. Was mag in diesem Moment in den Bergsteigern vorgegangen sein? Freude? Erlösung? Triumphgefühle?

"Nichts von alledem", schrieb Heinrich Harrer viele Jahre später. "Die Befreiung kommt zu plötzlich, unsere Sinne und Nerven sind zu abgestumpft, unsere Körper zu müde, um einen Gefühlstaumel zu gestatten. Wir sind nicht mit knapper Not dem Verderben entronnen, sondern haben in unserer Freundschaft immer Halt und Zuversicht gefunden. Nie haben wir am guten Ausgang unseres Unternehmens gezweifelt. Aber der Weg war schwer." Heckmair, Vörg, Kasparek und Harrer hatten das letzte große "Problem" in den Alpen gelöst.

Seit der Pioniertat der Erstbegeher haben viele Bergsteiger die Nordwand erfolgreich erklommen. Sie entdeckten neue Routen, bestiegen den Eiger im Winter, in Solo-Gängen oder als Speedbegehung. Doch viele kostete die Eiger-Passion auch das Leben.

Der Bergsteiger Heinrich Harrer

Heinrich Harrer war einer der Erstbezwinger

Die großen Tragödien der Nordwand

1935 fand der erste ernsthafte Versuch statt, die Nordwand zu bezwingen. Am 21. August machten sich die beiden Münchner Max Sedelmayr und Karl Mehringer auf den Weg zum Gipfel. Doch ein Wetterumsturz wurde für die beiden zur Todesfalle. Nach mehreren Tagen erfroren die Männer in 3300 Metern Höhe. Diese Wandstelle heißt seither "Todesbiwak".

1936 versuchten zwei Deutsche und zwei Österreicher in der Nordwand ihr Glück: Andreas Hinterstoisser und Toni Kurz sowie Willi Anderer und Edi Rainer. Die Männer stiegen zunächst getrennt ein und schlossen sich dann zu einer Seilschaft zusammen. Die Querung zum ersten Eisfeld wurde zur Todesfalle, denn nachdem alle Männer die Stelle passiert hatten, zog Andreas Hinterstoisser das Seil wieder ab. Der Rückweg war versperrt.

Als das Wetter umschlug, mussten die Männer über die steinschlag- und lawinengefährdete Direttissima umkehren. Am 21. Juli stürzten Hinterstoisser, Anderer und Rainer ab. Nur Toni Kurz überlebte.

Über das Stollenloch der Jungfraubahn machten sich die Retter auf und eilten ihm zu Hilfe. Doch ihr Rettungsseil war zu kurz und sie mussten ein zweites anknüpfen. Toni Kurz gelang es nicht, den Knoten durch den Schnappring zu ziehen. Nur wenige Meter von den Helfern entfernt starb er an Überanstrengung.

1957 machte die "Mordwand" wieder Schlagzeilen. Wieder stiegen zwei Seilschaften in die Nordwand ein: zwei Italiener und zwei Deutsche. Wieder wurde das Wetter den vier Männern zum Verhängnis. Stephano Longhi, Günther Nothdurft und Franz Meyer starben in der Wand. Claudio Corti konnte als einziger gerettet werden.

Der Italiener wurde später beschuldigt, am Tod der anderen Mitschuld zu tragen. Der Fall bewegte die Presse wie kein anderer zuvor. Erst als die Leichen der Deutschen 1961 an der Westflanke gefunden wurden und die Tragödie teilweise rekonstruiert werden konnte, wurde Corti von diesem Verdacht freigesprochen. Doch was genau geschah, bleibt bis heute ein Fall für Spekulationen.

Die Eiger Nordwand

Die Nordwand forderte viele Opfer

Bahn durch den Eiger

Pläne für den Bau einer Bahn hinauf zum Gipfel des Eiger und der Jungfrau gab es schon Ende des 19. Jahrhunderts. Doch alle Vorhaben scheiterten an der Frage der Finanzierung. Erst die Pläne des Zürcher Industriellen Adolf Guyer-Zeller wurden in die Tat umgesetzt.

Seine Zahnradbahn sollte auf der Kleinen Scheidegg an die Wengernalpbahn anschließen und in einem langen Felstunnel durch die Massive von Eiger und Mönch, unter dem Jungfraujoch hindurch, bis unter den Gipfel der Jungfrau führen.

1894 erhielt Guyer-Zeller die Konzession. Zwei Jahre später war Baubeginn. Die Arbeiter sprengten sich Stück für Stück durch das Sedimentgestein des Eiger. In dem vier Kilometer langen Tunnelstück befinden sich sieben Löcher. Das berühmteste ist das sogenannte "Stollenloch", ein Ausbruchstollen der Jungfraubahn. Das Stollenloch bei Kilometer 3,8 ist der traditionelle Fluchtweg aus der Wand und so mancher Bergsteiger verdankt ihm sein Leben.

Nach dem Baubeginn 1896 wurde die Bahn stückweise in Betrieb genommen. Mit den Fahrgeldeinnahmen wurde der weitere Bau finanziert. Doch 1911 ging den Finanziers endgültig das Geld aus. Für den Gipfel reichte es nicht mehr und so mussten sie die Endstation dicht unter das Jungfraujoch auf 3454 Meter verlegen – bis heute der höchst gelegene Bahnhof Europas.

Bahnhof an der Eiger Nordwand.

Europas höchster Bahnhof

Quelle: SWR | Stand: 17.04.2020, 17:45 Uhr

Darstellung: