Eine Gruppe Bergsteiger am Zugspitzgrat, um 1890

Zugspitze

Erschließung der Zugspitze

Als erster Bergsteiger erreichte Josef Naus 1820 den Gipfel der Zugspitze. In den folgenden Jahrzehnten versuchten viele Waghalsige, ihm nachzueifern. Mit dem Bau von Seilbahnen wurde es einfacher, die Aussicht vom höchsten Berg Deutschlands zu genießen.

Von Lothar Nickels

Der Gipfel der Vollmöblierung

1806 wurde Bayern zum Königreich ausgerufen. Bis dahin war der höchste Punkt der Grenze zu Österreich immer noch unerkundet. Denn niemand hatte es bisher geschafft, die Zugspitze zu erklimmen und ihre Höhe zu bestimmen. Deshalb erließ König Maximilian I. den Befehl an sein "Topographisches Bureau", das Werdenfelser Land solle vermessen werden. Hierin gelegen ist auch ein Teil der Zugspitze.

Der Auftrag wurde dem damals 27 Jahre alten Leutnant Josef Naus erteilt. Am 19. Juni des Jahres 1820 machte er sich mit einigen Begleitern auf den Weg. Gut drei Monate später war es dann so weit.

Nach etwa acht Stunden erreichten Naus und drei seiner Begleiter am 27. August um die Mittagszeit herum den Gipfel. Sie ermittelten schließlich eine Höhe von 2962 Metern und gelten damit namentlich als die ersten Menschen auf der Zugspitze.

Den Männern brachte das aber keinen Ruhm ein. Sie fanden sogar so wenig Beachtung, dass aus den Berichten über ihre alpine Expedition nicht einmal genau hervorgeht, ob Leutnant Naus mit Vornamen nun Joseph, Josef oder Karl hieß. Erst 2006 widmete man ihnen einen Heimatfilm mit dem Titel "Gipfelsturm".

Der Reiz der Zugspitze wirkte in jener Zeit auch auf weitere Abenteurer, Wissenschaftler und Einheimische. Allmählich wuchs die Zahl der Bergbezwinger. 1853 erreichte die erste Frau den Gipfel. Ein Jahr später waren es schon 22 Personen. Noch ehe die erste Seilbahn 1926 Richtung Zugspitze fuhr, hatten es mehr als 10.000 Bergsteiger aus eigener Kraft bis ganz nach oben geschafft.

Heutzutage beträgt allein die Tageskapazität der Bayerischen Zugspitzbahn fast 15.000 Menschen. Pro Jahr drängeln sich unglaubliche 500.000 Besucher am Gipfel. Und der lässt kaum Wünsche offen: Vom Internetcafé über Kunstausstellungen bis hin zu Tagungsräumen finden die Gäste alles, was sie am zivilisierten Leben schätzen – und obendrein einen erhabenen Rundumblick.

Dieses Ambiente nutzen gerne auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, um ihrem Tun den entsprechenden symbolischen Charakter zu verleihen. So teilte zum Beispiel 2008 der Deutsche Fußball-Bund (DFB) der Welt aus beinahe 3000 Metern Höhe mit, welche deutschen Spieler für die Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz nominiert waren.

Menschen am Gipfelhaus der Zugspitze

An schönen Tagen drängen sich die Besucher an der Zugspitze

Deutschland oder Österreich?

Der Grundstein für diesen Massentourismus wurde in den 1920er- und 1930er-Jahren gelegt. Deutschland und Österreich erkannten beide den Prestigewert und den kommerziellen Nutzen, den die Zugspitze mit sich bringt. Das Gebirge liegt auf der Grenze der beiden Nachbarstaaten. Jeder wollte den technischen Erfolg für sich verbuchen, die erste Seilbahn hinauf zur Zugspitze gebaut zu haben.

Die Österreicher stellten 1926 nach vierzehnmonatiger Bauzeit ihre Tiroler Zugspitzbahn fertig und sorgten damit für einen Höhenweltrekord bei Personenseilbahnen. Von Ehrwald aus führte sie allerdings nicht bis ganz zum Gipfelpunkt, sondern beendete ihre Fahrt auf 2805 Metern Höhe. Die restlichen etwa 160 Höhenmeter mussten die Besucher dann zu Fuß zurücklegen. Daran änderten die Österreicher erst 1964 etwas.

Die Deutschen brauchten zwar vier Jahre länger, bis sie die Bayerische Zugspitzbahn im Jahr 1930 eröffneten. Dafür aber transportierte sie ihre Gäste von der Station in Garmisch-Partenkirchen bis ganz hinauf. An dieser Meisterleistung waren etwa 2000 Arbeiter Tag und Nacht beteiligt. Bei Abstürzen, Sprengungen und einem Brand verloren zehn Menschen ihr Leben.

Heute schaffen drei Bahnen Tag für Tag Besucher und Material auf die Zugspitze: die Tiroler Zugspitzbahn, die Bayerische Zugspitzbahn und die Eibseeseilbahn. Letztere nahm 1963 ihren Dienst auf.

Seilbahn auf dem Weg zur Zugspitze

Die Bayerische Zugspitzbahn transportiert täglich mehrere tausend Gäste

Wetterbeobachtung

Von diesem technischen Komfort profitieren auch Wissenschaftler. Am Südhang, in der Forschungsstation im Schneefernerhaus, arbeiten manchmal mehrere Dutzend Meteorologen gleichzeitig.

300 Meter weiter oben, im Wetterturm am Gipfel, hat immer nur einer von ihnen Platz. Der Turm steht seit 1900. Den Anstoß, das Wetter von dort aus zu beobachten, gab der Deutsch-Österreichische Alpenverein. Denn wo sonst wäre das unverfälschter möglich? Die Meteorologische Zentralstation in München und die Bayerische Staatsregierung erachteten diesen Vorschlag als sinnvoll.

Der Turm wurde an der Westseite des Münchner Hauses – einer Hütte des Deutschen Alpenvereins – in 2959 Metern erbaut. Wie durchdacht die Konstruktion mit dem wuchtigen Steinsockel und dem einen Meter dicken Mauerwerk war, zeigte sich 1985. Damals wurde auf der Zugspitze eine Windgeschwindigkeit von 375 Kilometern pro Stunde gemessen. So viel wie noch nie in Deutschland. Dem neun Meter hohen Turm konnte das nichts anhaben.

Metereologische Hochstation auf der Zugspitze, Foto um 1900

Meteorologische Messstation von 1900

Hohe Wissenschaft

Auch für die Nationalsozialisten war die Zugspitze – neben ihrer Symbolik – strategisch von großem Wert. Ein Jahr vor Kriegsbeginn ließ die Wehrmacht 1938 den Westgipfel sprengen. Von der abgeflachten Plattform aus sollte der Luftverkehr überwacht werden.

Die geplante Flugleitstelle wurde allerdings nie realisiert. Doch die Sprengungen am Westgipfel machten sich in den Daten der Meteorologen bemerkbar: Sie verzeichneten zum einen Veränderungen des Niederschlags. Zum anderen gab es mehr Westwinde, dafür aber weniger Nordwinde.

Seit mehr als einem Jahrhundert wird nun schon das Wetter am höchsten Punkt Deutschlands protokolliert. Nur einmal gab es eine kurze Unterbrechung: Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Station für drei Monate unbesetzt. Amerikanische Soldaten hatten am 5. Mai 1945 den Zugspitzgipfel gestürmt und dabei die Einrichtung und Messgeräte zerstört.

Aus den ansonsten bis heute ununterbrochenen Aufzeichnungen geht hervor, dass die Temperatur in diesem Zeitraum um 0,8 Grad Celsius angestiegen ist. Das deckt sich in etwa mit dem Durchschnitt anderer Messstationen der Erde. Die niedrigste Temperatur auf der Zugspitze wurde im Februar 1940 gemessen. Sie betrug exakt minus 35,6 Grad Celsius.

Die meteorologische Station ist seit 1952 dem Deutschen Wetterdienst (DWD) angegliedert. Offiziell heißt sie "Wetterwarte Garmisch-Partenkirchen/Zugspitze".

Es sind aber nicht ausschließlich Wetterdaten, die heute auf der Zugspitze gesammelt werden. Für die Wissenschaftler ist zum Beispiel auch der Anteil der Radioaktivität in der Atmosphäre interessant. Die Menge der Treibhausgase – etwa Kohlendioxid, Methan und Schwefelhexafluorid – gibt Aufschluss über den Klimawandel. So können die Auswirkungen der weltweiten Klimapolitik dokumentiert werden.

Außerdem bietet die Zugspitze mit ihren Gletschern ein riesiges Klimaarchiv. Daran lassen sich die Veränderungen des Klimas in der Vergangenheit exakt ablesen. Die Tatsache, dass die Gletscher in den Alpen in den vergangenen 150 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen sind, ist ein eindeutiger Beweis für die Erderwärmung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Blick auf das Zugspitzplateau mit Münchner Haus der meteorologischen Station.

Die Station des Deutschen Wetterdienstes thront über allem

(Erstveröffentlichung 2010, letzte Aktualisierung 14.05.2018)

Quelle: SWR

Darstellung: