Nachbau der Santa Maria auf offenem Meer

Eroberung Amerikas

Die Santa Maria

Die "Santa Maria" des Christoph Kolumbus ist eins der berühmtesten Schiffe der Geschichte. Doch Kolumbus selbst hasste die Santa Maria.

Von Katharina von Ruschkowski

"Schwerfällig und ungeeignet"

September 1492: So zornig haben die Matrosen ihren Kapitän lange nicht mehr erlebt. Kolumbus flucht. Er ärgert sich über seine ungeduldigen Matrosen, die nach Wochen auf hoher See mit einem Aufstand drohen.

Doch auch die "Santa Maria" macht ihn wütend. Während seine beiden kleineren Segelschiffe mühelos vorankommen, wankt sein Flaggschiff oft fast auf der Stelle. Am Abend schreibt Kolumbus in sein Logbuch: "Sie ist ein sehr schwerfälliges Schiff und für Entdeckungsreisen schlicht ungeeignet."

Die Santa Maria wird wenig später zwar noch auf dem amerikanischen Kontinent ankommen, aber nie wieder nach Spanien zurückgelangen.

Die Vorbereitungen

Eigentlich will Kolumbus mit drei so genannten Karavellen in See stechen – also mit schlanken, wendigen Seglern, die nur geringen Tiefgang haben. Deshalb können sie auch in Küstennähe fahren.

Aber er findet nicht genügend Kapitäne, die solche Schiffe beherrschen und dazu verrückt genug sind, sich auf das Abenteuer einzulassen. Die meisten stehen Kolumbus’ Plänen skeptisch gegenüber. Sie zweifeln, dass man über den Atlantik nach Asien kommen kann.

Deshalb lässt Kolumbus nur zwei Karavellen vorbereiten – die Niña und die Pinta – und ein altes Frachtschiff, das unter seinem Kommando stehen wird: die Santa Maria. Immerhin bietet die einen großen Vorteil: Sie ist geräumig genug, um Proviant für ein Jahr aufzunehmen.

Ungezählte Fässer mit Wein, Wasser, Essig, gepökeltem Fleisch und gesalzenem Fisch werden in den Schiffsbauch gerollt. Daneben Säcke mit Reis, Bohnen und Schiffszwieback, der knochenhart ist, um nicht gleich von den Maden gefressen zu werden.

Der Holzschnitt zeigt die drei Schiffe, mit denen Christoph Kolumbus auf Entdeckungsreise geht

Mit drei Schiffen machte sich Kolumbus auf die Reise

Die Überfahrt

Bei der Überfahrt ist der Platz unter Deck bis in die letzten Ecken gefüllt. Wohl auch ein Grund dafür, dass es nicht vorangeht im September 1492. Die 40 Matrosen stört vor allem die Enge. Eine eigene Kajüte steht nur dem Kapitän zur Verfügung.

Die Kojen bestehen aus kurzen Brettern, von denen es zu wenige gibt. Viele Männer müssen deshalb unter freiem Himmel schlafen. Aber immerhin haben sie dort oben bessere Luft als unter Deck, wo es nach verfaulten Lebensmitteln stinkt, wo es stickig und feucht ist.

Und zwischen den Brettern, darüber, darunter: Ratten. Die Bordkatze kommt kaum nach. Irgendwann, schreibt der Chronist der Mannschaft, sei man über die Biester sogar ganz froh gewesen. Denn als die Vorräte zu Ende gehen, werden die Ratten gegessen.

Land in Sicht

Angst haben die Männer auf der Santa Maria vor viel kleineren Tieren: "Holzwürmer, groß und dick wie die Finger eines Mannes, hatten die dicksten Balken und Bohlen durchbohrt und morsch und brüchig gemacht", schreibt Kolumbus’ Chronist, "sie durchlöcherten die Planken wie ein Sieb". Das Wasser rinnt in die Laderäume. Ohne Pause pumpen es die Männer aus dem Schiff.

Und die Fahrt will kein Ende nehmen. Hohe Wellen schleudern das Schiff wie Spielzeug über das Meer. Kolumbus muss die Route darum immer wieder ändern.

Doch die Santa Maria besitzt wie damals üblich nur einfachste Navigationsinstrumenten. Kolumbus orientiert sich am Kompass, am Sonnenstand und am Polarstern. Seine Methode ist sehr ungenau und Rechenfehler summieren sich schnell.

Der Kurs der Santa Maria lässt sich dagegen nur langsam korrigieren. Das Schiff ist schwerfällig und nur bei gutem Wind schnell zu lenken. Kolumbus beschimpft sein Schiff in seinem geheimen Logbuch: "Sollte meine Mission an der Maria scheitern?"

Das Ölgemälde zeigt die Santa Maria auf hoher See

Bei hohen Wellen war die "Santa Maria" kaum zu steuern

Endlich, nach knapp zehn Wochen, erblickt der Matrose im Großmast Land. Es ist allerdings nicht die asiatische Küste, obwohl Kolumbus das bis zu seinem Lebensende glauben wird, sondern Amerika.

Für einige Wochen ist der Ärger über den Frachter vergessen. Kolumbus ist zuversichtlich, dass er es irgendwie mit diesem Schiff zurück nach Spanien schafft.

Aber er weiß auch: Seine Mannschaft muss achtsam sein. Denn die flachen Küsten mit ihren Riffen sind für die Santa Maria eine große Gefahr. Und seine Befürchtungen werden wahr.

Der Untergang der "Santa Maria"

An Heiligabend 1492 steuert Kolumbus die Insel Hispaniola an, wo heute Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Über den Ozean kriecht die Dämmerung. Der Großteil der Besatzung schläft ihren Rausch aus, auch der Junge im Großmast ist eingenickt – und wird erst wieder wach, als sein Kopf an das Holz knallt. Sofort strömt Wasser in den Laderaum, die Matrosen eilen an Deck.

Die Santa Maria ist auf ein Riff gelaufen. Überall Einschnitte. Die Männer pumpen, doch gegen die Wassermassen können sie nichts tun. Kolumbus muss sein Schiff aufgeben.

Aus ihrem Holz wird schließlich am Ufer eine kleine Befestigungsanlage errichtet. Sie erhält den Namen "Villa de la Navidad": Weihnachtsstadt. Hier bleiben 40 Männer zurück, die übrigen treten mit Kolumbus die Rückreise an – auf zwei Schiffen.

Was aus diesen Schiffen geworden ist, weiß man heute nicht mehr. Forscher suchen noch immer nach Überresten; selbst die Reste der Santa Maria, die laut Logbuch doch zu einem Fort wurden, sind nicht mehr auffindbar. Ein angeblicher Fund der Santa Maria wurde 2014 wiederlegt. Die Schiffsreste, die an einer Karibikküste auftauchten, waren viel zu jung.

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 10.06.2022)

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Quelle: WDR

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