Flüsse

Was bringt Wasserkraft?

Wie ein natürlicher Fluss funktioniert, wissen selbst Wissenschaftler nicht genau. Trotzdem wurden Wasserkraftwerke in Flüsse gebaut. Das Ökosystem verändert sich dadurch stark. Lohnt sich denn Wasserkraft in Deutschland überhaupt?

Von Tanja Fieber und Susanne Delonge

Wasserkraftwerke zerteilen Flüsse durch Wehre und Staustufen. Das beeinflusst die Bewegungsmöglichkeit von Fischen, die Fließgeschwindigkeit des Wassers, den Wasserstand, den Sauerstoff-Gehalt des Wassers sowie den Anteil von Steinen, Geröll und Sand im Flussbett.

Ein Problem, denn viele Fischarten und andere Wasser-Lebewesen legen ihre Eier im Kies unter Wasser ab. Dafür brauchen sie einen lockeren, sauberen Untergrund. Der ist durch den Einbau von Wasserkraftwerken gefährdet, weil der Boden leichter verschlammt.

"Das Sediment eines Flusses (Flussuntergrund) ist ein ganz wichtiger Lebensraum, über den wir nur wenig wissen. Der Fisch ist nur ein schmales Segment der ökologischen Wirklichkeit, die sich in Flüssen abspielt."

Erwin Rothgang, Cipra Deutschland

Wasserkraft deckt den Energiebedarf nicht

Beispiel Bayern

Wasserkraftwerke beeinträchtigen das Ökosystem Fluss. Dazu kommt, dass Wasserkraft allein den regionalen Strombedarf nie annähernd decken können wird.

Beispiel Bayern: Hier stammen 15 Prozent des Stroms aus Wasserkraft. Produziert wird er in 226 großen Wasserkraftwerken und knapp 4.000 kleinen. Bis 2020 sollen es noch 2 Prozent mehr werden. Obwohl "bereits 95 Prozent all unserer Fließgewässer verbaut sind, so stark verbaut, dass sie nicht mehr durchgängig sind.", sagt Julia Wehnert vom Bund Naturschutz.

Das heißt zum Beispiel, dass Fische in den Flüssen nicht mehr ungehindert stromauf- und stromabwärts wandern können, um angestammte Laichplätze zu erreichen.

Alfred Karle-Fendt, ebenfalls Bund Naturschutz, fügt hinzu: "Wenn man alle, auch den kleinsten Gebirgsbach, für die Stromnutzung nutzen würde, dann käme man gerade auf 1,5 Prozent des gesamten bayerischen Energieverbrauchs. Wer also behauptet, die Energiewende wäre über die Restnutzung dieser Wasserkraftreserven zu schaffen, der sagt bewusst die Unwahrheit."

In Deutschland und Europa

Auch für Deutschland und auf europäischer Ebene spielt die Wasserkraft eine eher unbedeutende Rolle, sagt Erwin Rothgang. "Erneuerbare Energien sind bei uns vorrangig: Wind- und Sonnenenergie. Die Windkraftanlagen sind bei uns die effizientesten. Die Nutzung von Sonnenenergie braucht viel Fläche. (…) Die Wasserkraft ist im europäischen Maßstab recht unbedeutend. Die Wasserkraftwerke an der Donau und den Zuflüssen des Mains sind nicht in Frage zu stellen, aber technisch und ökologisch zu optimieren."

Erwin Rothgang ist Präsident von Cipra Deutschland, einem Dachverband, der sich für eine nachhaltige Entwicklung des deutschen Alpenraumes einsetzt.

Was Experten fordern

Erwin Rothgang: "Insgesamt sind es im bayerischen Flusssystem an die 400 Kraftwerke, die weit mehr als 90 Prozent der Energie-Ausbeute [aus Wasserkraft] ausmachen. Um die geht es. Die müssen nachgebessert werden, ökologisch und technisch auf den Prüfstand.“ Und generell: „Wir brauchen eine Ordnung des Raumes, Prinzipien, wo der Schutz Vorrang hat, wo die Technik, wo das menschliche Interesse an der Nutzung der Flüsse."

Erwin Rothgang, Cipra Deutschland

Erwin Rothgang, Cipra Deutschland

Professor Jürgen Geist sammelt derzeit Daten über den Einfluss von Wasserkraftanlagen auf Fische und sagt: "Ich hoffe, dass wir die Diskussion um die Wasserkraft und den Ausbau der Wasserkraft versachlichen können, indem wir objektive Daten liefern. Wir haben ja jetzt an einigen Standorten die Untersuchungen abgeschlossen. Wenn wir vor Ort in den Terminen, wo wir alle Akteure zusammenbringen und unsere Ergebnisse vorstellen und gemeinsam diskutieren, dass dann wirklich auch alle willens sind nach guten Lösungen zu suchen."

Professor Jürgen Geist, Aquatische Systembiologie, Technische Universität München

Professor Jürgen Geist, Technische Universität München

Quelle: BR | Stand: 24.01.2021, 23:00 Uhr

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