Blick über Vorgebirge auf die verschneite Bergkette des Himalaja

Gebirge

Himalaja

Schneebedeckte Gipfel, prunkvolle Tempel, rot gewandete Mönche: Der Himalaja ist das gewaltigste Gebirge der Erde, seine Bewohner lebten lange in völliger Abgeschiedenheit. Auch deshalb sind hier so viele unterschiedliche Kulturen entstanden.

Von Eva Mommsen

Der gewaltigste Gebirgszug der Erde

Der Name "Hima’al-aya" kommt aus dem Sanskrit und heißt "Heimat des Schnees". Von Ost nach West erstreckt sich das Hochgebirge des Himalaja in einem leichten Halbkreis über 2500 Kilometer. Das Gebirge führt entlang der indisch-chinesischen Grenze und grenzt dabei an fünf Staaten: Pakistan, Indien, China, Nepal und Bhutan.

Das so genannte "Dach der Welt" besteht neben hohen Gipfeln auch aus fruchtbaren Hochplateaus. Mehr als 50 Millionen Menschen leben hier – viele von der Landwirtschaft, aber auch der Tourismus ist zu einer lukrativen Einnahmequelle geworden.

Geologische Besonderheiten

Vor 40 bis 50 Millionen Jahren kollidierten die Kontinentalplatten von Asien und Indien, wodurch in der heutigen Himalaja-Region erste Berge entstanden. Doch erst vor zwei Millionen Jahren begann sich das Gebirge zu seiner jetzigen Höhe aufzutürmen, als die indische Platte immer weiter unter den asiatischen Kontinentalrand gedrückt wurde.

Die unglaubliche Kraft, mit der die Kontinentalplatten noch immer aufeinandergeschoben werden, sorgt bis heute dafür, dass der Himalaja weiter wächst – bis zu zwei Zentimeter im Jahr. Dadurch kommt es in der Region auch häufig zu Erdbeben. Diese seismischen Erschütterungen machen den Himalaja für seine Bewohner zu einem gefährlichen Lebensraum.

Zählt man die Gipfel der in Kaschmir liegenden Bergregion Karakorum hinzu, liegen im Himalaja alle 14 Achttausender der Erde, darunter der höchste Berg der Welt – der Mount Everest mit 8848 Metern – sowie Hunderte Gipfel mit über 7000 Metern Höhe.

Die Berge des Karakorums sind Teil des Himalaja-Systems, werden aber von vielen als eigenständiges Gebirge gesehen.

Besiedelung des Himalaja

Die alten heiligen Schriften Indiens datieren die Besiedelung des Himalaja in die Zeit um 2000 vor Christus. Über die Herkunft der ersten Siedler wird aber bis heute spekuliert. Vermutlich waren es indogermanische Völker, die aus den Steppen Zentralasiens kamen.

Ab dem 15. Jahrhundert wirkten dann zwei mächtige Strömungen auf die Bergvölker im Himalaja ein. Der hinduistische Einfluss aus dem Süden konkurrierte mit den buddhistischen Lehren der tibetischen Völker aus dem Norden.

Im westlichen Teil des Himalaja, in den Regionen Ladakh und Zanskar, wurden die Tibeter vorherrschend, sie marschierten außerdem in Nepal ein. Eine Reihe tibetischer Feudalstaaten entstand, zum Beispiel Dolpo, Mustang und Khumbu. Diese Regionen existieren auch heute noch.

Über die Jahrzehnte verstärkten die hinduistischen Fürsten des Flachlandes und die tibetischen Königshäuser weiter ihre politische Macht. Die Bewohner waren dabei die Leidtragenden, sie wurden massiv ausgebeutet.

Kloster an einem kargen Berghang. Im Hintergrund die braun gefärbten Berge des Karakorum.

Kloster Lamayuru in der Region Ladakh

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen die Kolonialmächte in den Himalaja. Auch sie versuchten Einfluss auf die Bergvölker zu nehmen. Großbritannien, Russland und China versuchten ihre Herrschaftsbereiche auszudehnen.

Die Briten prägten vor allem das Leben in Nepal und Bhutan. Die Region wurde für den Kolonialhandel geöffnet, als Handelswege nutzten die Briten das Wegenetz der Seidenstraße. Sie führten in Indien die Teeplantagen in Darjeeling und die Apfelhaine in Himachal Pradesh ein.

Erst mit der indischen Unabhängigkeit im Jahr 1947 wurden die Völker des Himalaja weitgehend von der Kolonialherrschaft befreit. Seitdem versuchen Länder wie Nepal und Bhutan mehr oder weniger erfolgreich, einen eigenen politischen Kurs einzuschlagen.

Doch immer wieder nehmen die angrenzenden Staaten China, Indien und Pakistan Einfluss auf das politische Geschehen in der Himalaja-Region.

Vermischung der Kulturen

Drei bedeutende Kulturen treffen im Himalaja zusammen: die buddhistische Klosterkultur Tibets, die islamischen Gesellschaften – vor allem aus Pakistan – und die hinduistische Kultur Indiens. Die Hindus verstehen den Himalaja als nördliche Grenze von Bharatavarsha, wie das heilige Nordindien früher genannt wurde.

Die Buddhisten wiederum betrachten die Berge als geweihtes Land, in dem Orte legendärer Urkraft ein Wissen enthalten, das den Menschen mit entsprechender geistiger Ausbildung vorbehalten ist. In den Indus-Bergen im Westen schließlich beanspruchen Muslime ein Gebiet, in dem sich die heiligen Orte ihrer Vorfahren befinden; deswegen stehen dort zahlreiche Moscheen.

Viele junge und alte buddhistische Mönche in den traditionellen roten Kutten.

Buddhistische Mönche im Kloster Labreng

Aus der Vermischung dieser unterschiedlichen Traditionen resultiert eine große Anzahl lokaler Kulturen. Am deutlichsten sichtbar ist die Vermischung tibetischer, muslimischer und hinduistischer Einflüsse bis heute in Nepal.

In Nepals Tiefland und im Mittelgebirge dominiert der Hinduismus, in den Hochregionen der Buddhismus und vereinzelt gibt es auch einige kleinere muslimische Gruppen. Laut einer Volkszählung von 2001 umfasst Nepal rund 75 verschiedene ethnische Gruppen und mehr als 52 Sprachen und Dialekte.

Die Spiritualität der Himalaja-Berge

Reisende, die den Himalaja besuchen, erfahren bei den Bewohnern der Region häufig deren ganz besondere Spiritualität und enge Verbundenheit mit den Bergen. Die Hindus beispielsweise, die im Norden und Süden der gigantischen Bergkuppen leben, sehen im Himalaja die Heimat der Götter. Sie glauben, dass dort die großen Gottheiten von Tibet und Indien wohnen und sich gegenseitig beeinflussen.

Die Höhen der Berge verbinden den spirituellen mit dem irdischen Raum – Himmel mit Erde. So residiert die Gottheit Shiva beispielsweise auf dem Gipfel des Berges Kailash, der sowohl den Hindus als auch den Buddhisten heilig ist.

Viele pilgern zu diesem wohl heiligsten Berg des Himalaja, um ihn zu umrunden. Bei den Buddhisten gilt die 108-fache Umrundung des Berges als Weg zur unmittelbaren Erleuchtung.

Tibeter vor Bergkulisse

Tibeter sollen gegen die Höhenkrankheit immun sein

(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 17.04.2020)

Quelle: WDR

Darstellung: