Blick über einen See auf den verschneiten Mount Everest

Himalaja

Mount Everest

Die Sensation kam rechtzeitig zur Krönung von Queen Elizabeth II: Der höchste Berg der Erde war bezwungen. Am 29. Mai hatten der Neuseeländer Edmund Hillary und der Sherpa Tenzing Norgay als erste Menschen den 8848 Meter hohen Gipfel des Mount Everest betreten.

Von Cordula Weinzierl

Erste Versuche, den Gipfel zu stürmen

Es waren Briten, die als erste Nation Versuche unternahmen, den höchsten Berg der Welt zu erobern. Für das britische Empire war dieses Unternehmen von besonderer Bedeutung. Nachdem sie im Wettlauf zu Nord- und Südpol bereits gescheitert waren, sollte wenigstens ein Brite oder zumindest ein Commonwealth-Bürger als erster auf dem "dritten Pol" – wie man den Mount Everest auch nannte – stehen.

1921 machten sich die erste Expedition unter der Leitung von Charles Howard-Bury auf, unter ihnen der Lehrer und Hobby-Bergsteiger George Mallory. Zusammen mit zwei weiteren Expeditionsteilnehmern entdeckte er einen Weg über die Nordroute durch den Ost-Rongbukgletscher auf den Gipfel. Ein Orkan hinderte die drei jedoch daran, weiter aufzusteigen.

Aussicht aus einem über Nepal fliegenden Flugzeug auf den Mount Everest

Der höchste Berg der Welt

1922 kehrten die Briten mit Mallory in den Himalaja an den Everest zurück. Bei dieser zweiten Expedition konnten einige britische Bergsteiger dank der mitgebrachten Sauerstoffflaschen in Höhen bis zu 8320 Meter vordringen.

Doch durch eine Lawine, die Mallory beim Aufstieg über den Nordsattel ausgelöst haben soll, kam es zur Katastrophe. Sieben Sherpas starben. Sie waren die ersten Opfer in der Geschichte um die Besteigung des Everest.

Auf der dritten britischen Expedition versuchten zunächst Howard Sommervell und Edward Norton am 4. Juni 1924 die Erstbesteigung. Auf rund 8500 Metern gaben sie jedoch ihren Gipfelsturm auf und kehrten ins Lager zurück. Vier Tage später machte sich George Mallory zusammen mit seinem Kollegen Andrew Irvine vom Lager VI auf den Weg.

Um 12.50 Uhr sah der Expeditionsteilnehmer Noel Odell, der Mallory und Irvine zur rückwärtigen Absicherung mit Abstand folgte, die beiden noch in einer Höhe von etwa 8500 Metern. Das war das letzte Mal, dass jemand die beiden sah. Mallory und Irvine kehrten nicht mehr ins Lager zurück. Sie blieben am "Berg der Berge" verschollen. Erst im Frühjahr 1999 fand eine amerikanische Expedition die Leiche Mallorys.

Aufstieg über die Südroute

Auch in den folgenden Jahrzehnten scheiterten alle Expeditionen: sieben britische und zwei schweizerische. 1952 wäre der Traum der Briten, als erste auf dem "dritten Pol" zu stehen, beinahe geplatzt. Eine schweizerische Expedition war dem höchsten Punkt der Erde schon sehr nahe gekommen. Kurz vor dem Gipfel mussten die Alpinisten jedoch umkehren.

1950 hatte das kommunistische China Tibet erobert. Expeditionen über die Nordroute von Tibet aus wurden verboten. Dagegen öffnete sich Nepal für Ausländer, sodass eine Besteigung des Everest über eine Südroute möglich wurde.

Um endlich als erste Nation den höchsten Punkt der Erde zu erobern, stellte das britische Empire unter Oberst John Hunt eine Expedition zusammen, die sich mit 13 Tonnen Ausrüstung und 350 Trägern im Frühjahr 1953 von Kathmandu aus auf den Weg zum Everest-Gipfel in Bewegung setzte.

Seit Anfang Mai hatten die Mitglieder der Expedition entlang der Route auf den Südsattel Lager um Lager angelegt, in denen Lebensmittel und Sauerstoff für den Gipfelsturm deponiert worden waren. Am 26. Mai startete das erste Team vom Südsattel zum Gipfel des Everest.

Doch Charles Evans und Tom Bourdillon mussten nur 90 Meter unterhalb des ersehnten Ziels umkehren. Ein Defekt an Evans Sauerstoffgerät verhinderte ihren Gang zum Gipfel. Und damit schlug für das zweite Team, bestehend aus Edmund Hillary und Tenzing Norgay, die historische Stunde.

Edmund Hillary und Tenzing Norgay

Am 28. Mai verbringen Edmund Hillary und Tenzing Norgay im Lager IX auf 8500 Metern die Nacht. Als für die Sauerstoffflasche, die für die Nacht vorgesehen ist, der Adapter fehlt, droht der Gipfelaufstieg auch für diese beiden zu scheitern.

Hillary rechnet aus, dass sie mit dem noch vorhandenen Sauerstoff nur dann weiter aufsteigen können, wenn sie die Sauerstoffzufuhr drosseln: Statt vier Litern Sauerstoff pro Minute verordnet Hillary beiden nur drei Liter.

Nach einer sturmgepeitschten, eiskalten Nacht mit Atemnot starten Hillary und Tenzing am 29. Mai gegen 4 Uhr morgens ihren Aufstieg von Lager IX. Gegen 9 Uhr haben die beiden den Südgipfel auf 8751 Metern geschafft. Noch trennen sie 100 Höhenmeter und rund 350 Meter Luftlinie vom Gipfel – in einer Höhe von über 8000 Metern ein hartes Stück Arbeit. Vor ihnen liegt außerdem noch eine mehrere Meter hohe, senkrechte Felsstufe im Gipfelgrat.

Schwarzweiß-Bild: Zwei Männer stehen nebeneinander und grinsen sich an.

Ein starkes Team: Tenzing Norgay (l.) und Edmund Hillary

Später wird man diese Stufe "Hillary Step" nennen. Und dann endlich, um 11.30 Uhr, haben es die beiden geschafft: Sie stehen auf dem höchsten Punkt der Erde, ihrem "dritten Pol". Die Welt liegt ihnen zu Füßen. Der Neuseeländer will dem Sherpa die Hand schütteln, doch Tenzing schlingt seine Arme um Hillary.

Hillary macht ein paar Fotos, auch jenes, das weltberühmt werden wird: Tenzing mit dem erhobenen Eispickel, an dem Fahnen der UNO, Großbritanniens, Nepals und Indiens flattern. Sie suchen noch nach Spuren von Mallory, können aber keine finden.

Nach einer Viertelstunde und einer kurzen Rast machen sich die beiden wieder auf den Abstieg. Acht Stunden später, um 17.30 Uhr, sind sie zurück auf dem Südsattel, wo die Teamkollegen erwartungsvoll ausgeharrt haben. Die Nachricht von der Erstbesteigung des Mount Everest erreichte die Briten am Tag der Krönung und der Jubel in den Straßen gilt nicht nur der neuen Queen, sondern auch den beiden Berghelden.

Edmund Hillary wird später von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen, Tenzing Norgay bekommt nur einen Orden.

Rekorde auf dem höchsten Punkt der Welt

Seit Hillarys und Tenzings Erstbesteigung zieht es jedes Jahr Bergsteiger auf den Mount Everest – und darunter immer wieder Menschen, die Rekorde aufstellten, ob zufällig oder gewollt. Alljährlich, wenn die Bergsteigersaison Ende Mai wegen der beginnenden Monsunzeit zu Ende geht, werden die neuen Rekorde am "Berg der Berge" öffentlich gemacht.

1975 stand mit der Japanerin Junko Tabei die erste Frau auf dem Gipfel. 1978 hatten Reinhold Messner und Peter Habeler als erste den Gipfel ohne Verwendung von künstlichem Sauerstoff erreicht. 1980 war es wieder Reinhold Messner, der für Schlagzeilen sorgte: Er hatte als erster den Berg im Alleingang und ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen und dabei eine neue Route über die Nordwand eröffnet.

Bergsteiger Reinhold Messner mit dicker Jacke, langen Haaren und dichtem Vollbart.

1986 gelingt Pierre Béghin, Jean Troillet und Erhard Loretan eine "Schnellbesteigung" mit Leichtgepäck in fast direkter Linie durch das Hornbein-Couloir in der Nordwand (bis 70 Grad steil).

Auch die Toten sorgten am Everest für einen traurigen Rekord: 1996 kam es zum Beispiel zu einem großen Unfall am Berg: Zwölf Bergsteiger starben, darunter auch sehr erfahrene. Sie waren zu spät vom Gipfel abgestiegen und in einen Orkan geraten.

Wenige Tage nach dieser Tragödie fuhr der Südtiroler Hans Kammerlander als erster mit Skiern vom Everestgipfel ab. 2001 folgte der Österreicher Stefan Gatt auf einem Snowboard und die Franzosen Claire und Bernier Roche ließen sich mit einem Tandem-Paraglider vom Gipfel gleiten. Im gleichen Jahr stand Erik Weihenmayer als erster Blinder auf dem Gipfel.

Quelle: SWR | Stand: 17.04.2020, 08:20 Uhr

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