Nahaufnahme einer schwarz-roten Mordwanze auf einer Blume

Wanzen

Raubwanzen

Zur Familie der Raubwanzen zählen weltweit rund 7000 Arten. Eine von ihnen ist die geringelte Mordwanze, die sich ausschließlich von Insekten ernährt. Sie saugt ihre Opfer so sanft aus, dass sie sogar zur Blutabnahme bei Zootieren eingesetzt wird.

Von Claudia Heissenberg

Die Chagas-Krankeit

Vor allem in Mittel- und Südamerika leben blutsaugende Raubwanzen von teilweise beachtlicher Größe. Einige von ihnen können auch dem Menschen gefährlich werden.

Die nachtaktive Raubwanze Triatoma infestans zum Beispiel lebt bevorzugt in Spalten von Lehmhütten und Ställen und gilt als Überträger der Chagas-Krankheit, einer der sechs großen Tropenkrankheiten, für die es bis heute weder eine Schutzimpfung noch Medikamente gibt.

Etwa 20 Millionen Menschen sollen mit dem Erreger infiziert sein, den der brasilianische Arzt Carlos Chagas 1909 erstmals in einer Wanze entdeckte. Schätzungsweise jeder zehnte Fall endet tödlich.

Schleichender Verlauf

Ausgelöst wird die Erkrankung durch den Einzeller Trypanosoma cruzi. Haus- und Wildtiere wie Hunde, Katzen, Nagetiere, Opossums und Gürteltiere dienen dem Parasiten als Wirt, ohne selbst zu erkranken.

Raubwanzen übertragen die Erreger auf den Menschen. Nach dem Stich der Raubwanze kann es zu einer Schwellung an der Einstichstelle kommen, zu Fieber, Muskel- und Knochenschmerzen. Im chronischen Stadium verursacht eine Herzvergrößerung Herzrasen und Atemnot.

Viele Betroffene wissen lange Zeit nicht, dass sie krank sind. Oft vergehen 20 Jahre, bis die Symptome auftreten. Doch längst nicht bei jedem kommt die Krankheit auch tatsächlich zum Ausbruch. Ein kleines Mädchen, bei dem Chagas eine Infizierung nachgewiesen hatte, lebte 70 Jahre später immer noch mit dem Erreger, der sich nie geregt hatte.

Stressfreie Blutabnahme

Bis zu vier Milliliter Blut saugt die Raubwanze Dipetalogaster maxima, die in den einsamen Nebelwüsten der mexikanischen Halbinsel Baja California lebt. Ihre Opfer sind vor allem Reptilien.

Während die Wanze prall wie eine Brombeere wird, merken die unfreiwilligen Blutspender nichts, denn sie betäubt die Einstichstelle mit einem selbst produzierten Lokalanästhetikum.

Darum werden die blutsaugenden Insekten mittlerweile in vielen Zoologischen Gärten zur Blutabnahme bei Wildtieren genutzt. Die haben nämlich genauso wie viele Menschen große Angst vor Spritzen.

Um an eine Blutprobe zu kommen, die wichtige Erkenntnisse über den Gesundheitszustand der Zoobewohner liefert, müssten sie vom Tierarzt betäubt oder fixiert werden, und das bedeutet Stress. Der Einsatz von Raubwanzen hingegen ist genauso einfach wie effektiv und dabei gefahrlos für Mensch und Tier.

Tödlicher Einsatz

Die Wanzen werden auf die Tiere gesetzt – oder bei Löwen oder Tigern auch geworfen – und beginnen zu saugen. Da der Stechrüssel der Raubwanze 30 Mal feiner als die feinste Kanüle ist, findet er auch winzige Kapillargefäße von Kleintieren wie Kaninchen, Hamstern oder Vögeln, die mit einer herkömmlichen Spritze kaum zu treffen sind. Sogar besonders schreckhafte Tiere wie Okapis oder Tapire lassen die Prozedur ohne Murren über sich ergehen.

Um die schwarz-roten Raubwanzen, die im vollgesogenen Zustand etwa so groß sind wie ein 50-Cent-Stück, in den weitläufigen Gehegen und Käfigen wiederzufinden, wird den Insekten ein langer Bindfaden um den Leib gebunden.

Für die Wanze endet der Einsatz als lebende Spritze übrigens leider tödlich. Hat der Tierarzt mit einer Kanüle das gewonnene Blut abgezapft, wird das Tier geköpft und landet im Müll.

(Erstveröffentlichung 2014, letzte Aktualisierung 11.09.2018)

Quelle: SWR

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