Heckrind

Naturlandschaften

Das Hutewald-Projekt

In einem Waldgebiet in Niedersachsen wurden im Jahr 2000 rund 30 Heckrinder und Exmoor-Ponys ausgesetzt. Sie haben dort die Pflege eines Eichenwaldes übernommen.

Von Helmut Brasse

Sinn des Projekts

Was sich im ersten Moment ungewöhnlich anhört, basiert auf einer inzwischen fast vergessenen Form der Tierhaltung. Bis ins 18. Jahrhundert schickten Bauern ihre Tiere zur Mast in den Wald.

Solche Wälder, in denen Tiere gehütet wurden, nannte man "Hutewald". Sie zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass die Tiere nachwachsende Bäume als Nahrung nutzten und somit verhinderten, dass ein dunkler Wald entstehen konnte.

Was im Jahr 2000 als Experiment begann, ist inzwischen eines der größten Projekte seiner Art in Deutschland. Dabei ging es auch um wissenschaftliche Erkenntnisse: Wie verändert sich ein Wald, wenn Heckrinder und Exmoor-Ponys dort das Regiment übernehmen? Siedeln sich neue Pflanzen, Tiere und Insekten an? Und wie passen sich die Rinder und Ponys an die Freiheit an?

In beiden Fällen handelt es sich um Rückzüchtungen, denen die ausgestorbenen Wildformen Auerochse und Tarpan als Vorbild dienten. Durchgeführt wird das Projekt vom Naturpark Solling-Vogler im Weserbergland.

In den Niederlanden gibt es seit längerem ähnliche Projekte auf weitaus größeren Flächen. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass die rückgezüchteten Tierarten eine preiswerte Methode darstellen, wirtschaftlich nicht nutzbare Flächen vor der völligen Verwaldung zu bewahren.

Ponys auf einer Wiese, ein Fohlen liegt im Gras.

Auch Exmoor-Ponys wurden ausgesetzt

Bedeutung des Eichenwaldes

Das Projektgelände im Naturpark Solling-Vogler ist ein ehemaliger Hutewald in Form eines lichten Eichenwaldes. Wälder dieser Art bieten eine hervorragende Lebensgrundlage für zahlreiche Pflanzen und Tiere, die Licht und Wärme brauchen. Die Hutewälder tragen somit besonders zum Erhalt der Artenvielfalt bei.

Allein im Projektgebiet sind rund 600 gefährdete Arten der Roten Listen Niedersachsens und Deutschlands beheimatet. Darunter befinden sich zum Beispiel auch vom Aussterben bedrohte Nachtfalter, die sich von Eichenblättern ernähren.

Allerdings werden lichte Eichenwälder immer seltener, da sich durch die natürliche Sukzession – also dadurch, dass der Mensch nicht eingreift – unter anderem Rotbuchen ungehindert ausbreiten können und so zu einer Verdunkelung des Waldes beitragen.

Erste Ergebnisse

Obwohl man ein solches Experiment wie das im Solling erst nach Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten bewerten kann, zeichneten sich schon in den ersten Jahren erstaunliche Ergebnisse ab. So zertrampeln die Rinder und Pferde auf der Suche nach Nahrung vor allem die Bestände des Adlerfarns.

Dieser war vorher weit ausgebreitet und nahm kleineren Pflanzen Licht und Lebensraum. Zudem fressen besonders die Exmoor-Ponys die Triebe und Knospen junger Rotbuchen und verhinderen so eine weitere Verdunklung des Waldes.

Schneller als erwartet ließ sich bei Moosen, Flechten und verschiedenen Käferarten bereits ein Anstieg der Population nachweisen. Auch das sogenannte Offenland des Projektgebiets, das aus Grünland und ehemaligen Äckern besteht, verändert sich durch die Weidetiere. Es entwickelt sich langsam zu einer Weidelandschaft mit Gebüschen und Eichen.

Besucher erwünscht

Das Hutewald-Projekt findet nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es geht nicht darum, eine vom Menschen abgeschirmte Natur neu zu erschaffen. Die Landschaften werden nicht als Denkmäler, sondern als offene Systeme angesehen, die sich weiterentwickeln. Und der Mensch spielt dabei eine wichtige Rolle.

In einem Besucherzentrum können sich Interessierte kostenlos über den Park und aktuelle Projekte informieren. Außerdem gibt es regelmäßig geführte Touren durch den Park. Inzwischen wurde die Projektfläche erweitert: Der Hutewald ist jetzt rund 220 Hektar groß, das sind gut zwei Quadratkilometer.

Besuchergruppe im Hutewald.

Besuchergruppe im Naturpark Solling-Vogler

(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 12.06.2019)

Quelle: WDR

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